- 03.09.2025, 12:59:03
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Regierungsklausur: Fokus auf Inflation & Wirtschaft entscheidend. Aber: Es gibt bei Fernost-Plattformen 1 Mrd. mehr fürs Budget zu holen!
Temu, Shein & Co mit nationaler Plattformhaftung stärker in die Pflicht nehmen: Level Playing Field und zusätzliche Steuereinnahmen ab sofort möglich.
Der Handelsverband begrüßt viele der heute präsentierten Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung der hohen Inflation sowie zur Befeuerung der heimischen Wirtschaft (mehr dazu HIER). Dank gebührt den Spitzen der drei Regierungsparteien insbesondere für den Fokus auf die Bekämpfung territorialer Lieferbeschränkungen und des "Österreich-Preisaufschlags" der globalen Markenartikelhersteller. Bedauerlich ist allerdings, dass bei der Regierungsklausur die massiv schädlichen Auswirkungen dubioser Fernost-Plattformen nicht reguliert wurden.
4,6 Milliarden Kleinstpakete aus Drittstaaten pro Jahr, nur 0,0082% davon werden kontrolliert
Der Hintergrund? Die heimischen Konsument:innen kaufen mehr denn je online – und immer öfter nicht bei Händlern aus Österreich oder der EU, sondern bei Fernost-Plattformen wie Temu und Shein. 2024 strömten 4,6 Milliarden Kleinstpakete unter 150 Euro Warenwert fast ungeprüft in den Binnenmarkt, 90% davon aus China. Es ist unmöglich, jedes einzelne Paket physisch zu überprüfen. Im Vorjahr konnten die Zollbehörden lediglich 0,0082% aller importierten Produkte kontrollieren – fast ein Drittel der Stichproben erfüllte nicht die geltenden EU-Standards (Produktsicherheit, Chemikalien, Energieeffizienz, etc.).
Bei Tests wurden in Shein-Schuhen Weichmacher 229-fach über dem erlaubten Grenzwert gefunden, 95% der auf Temu gekauften Kinderspielzeuge sind laut EU-Spielzeugverband unsicher. Der Kern des Problems ist ein tiefes regulatorisches Ungleichgewicht. Während heimische Händler jede Vorschrift penibel einhalten müssen, umgehen viele ausländische Plattformen systematisch Zölle, Steuern und Sicherheitsauflagen.
Bundesregierung muss das Scheunentor für China schließen
Die Dimensionen sind gewaltig, im Vorjahr wurden 100 Millionen Fernost-Pakete nach Österreich geliefert. Dahinter steckt eine klare wirtschaftspolitische Agenda Chinas. So hat der Nationale Volkskongress beschlossen, den grenzüberschreitenden E-Commerce jedes Jahr um 10% zu steigern. Angesichts des Zollstreits mit den USA wurde Europa als neues Primärziel auserkoren. Allein im Mai hat Temu bei uns ein Umsatzwachstum von 63% hingelegt. Zeitgleich sind die Ausgaben der amerikanischen Verbraucher um ein Drittel gefallen.
"Die vom Handelsverband prognostizierten Umlenkungseffekte durch die Trump-Zölle und die Abschaffung der NAFTA-Freigrenze sind eingetreten und treffen uns mit voller Wucht. Wir befinden uns mitten in einem globalen Wirtschaftskrieg. Die Bundesregierung muss so schnell wie möglich gegensteuern und das Scheunentor für dubiose chinesische Onlineplattformen schließen", fordert Rainer Will, Geschäftsführer des freien, überparteilichen Handelsverbands.
1 Milliarde an Mehreinnahmen: HV fordert Plattformhaftung für korrekte Warendeklaration
Die Lösung? Fernost-Plattformen müssen haften – so wie jeder europäische Händler auch. Wenn der Kunde 50 Euro zahlt, dürfen nicht 20 auf der Rechnung stehen. Wer als Marktplatz Milliarden Produkte durchschleust, darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Genau das hat Österreich bei der Verpackungsentpflichtung schon gezeigt.
"Seit Plattformen für eine korrekte Entsorgung von Verpackungen ihrer Händler haften, funktioniert das System fairer. Es zahlen nicht mehr nur Händler mit heimischer Betriebsstätte, während die anderen das Geschäft machen, sondern alle Marktteilnehmer. Dasselbe Haftungsprinzip schlagen wir für die korrekte Warendeklaration und Versteuerung vor", so Will.
Warum es das auf nationaler Ebene braucht? Weil wir sonst weiterhin Milliarden an chinesische Plattformen verlieren. Ein weiterer Grund ist die inakzeptabel lange Vorlaufzeit auf EU-Ebene. "Seit 2016 fordern wir die Abschaffung der 150-Euro-Zollfreigrenze, umgesetzt wird sie erst 2028 im Zuge der Zollreform. Selbiges gilt für die angekündigte Bearbeitungsgebühr von zwei Euro pro Paket aus Drittstaaten. Die Wahrheit ist, dass innerhalb der EU nationale Eigeninteressen eine raschere Beschlussfassung verhindern", erklärt Rainer Will.
Die österreichische Bundesregierung kann auf nationaler Ebene eine Plattformhaftung für die korrekte Warendeklarationen direkt umsetzen. Temu & Co sollen künftig als Importeure angesehen werden. Wenn ein gesundheitsgefährdendes Produkt über ihren Marktplatz verkauft wird, müssen sie dafür haften. Wenn wiederholte Verstöße festgestellt werden, sollten als ultima ratio temporäre Plattform-Sperren umgesetzt werden.
Regierung kündigt verstärkte Kontrollen bei irreführenden Rabatten an - auch Temu in die Pflicht nehmen!
In der Regierungsklausur wurden u.a. auch verstärkte Kontrollen bei irreführenden Rabatten und Preisangaben sowie die verstärkte Ahndung bei systematischen Verstößen gegen die Grundpreisauszeichnung angekündigt.
Im Sinne einer Aktion scharf betraut die Bundesregierung die zuständigen Behörden, schnellstmöglich verstärkte Kontrollen durchzuführen und ein stärkeres Bewusstsein für transparente Preisangaben zu schaffen.
Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben im Bereich der Preisauszeichnung ist ganz im Sinne des österreichischen Handels. Allerdings muss diese Pflicht selbstverständlich für alle Akteure gelten, die in Österreich im Verkauf tätig sind – auch für Fernost-Plattformen. Der Handelsverband hat beispielsweise bei Temu zahlreiche mutmaßliche Verstöße gegen das UWG festgestellt, u.a. irreführende Behauptungen zu Preisreduktionen. So werden von Temu offensichtlich willkürlich sog. UVPs, also unverbindlichen Herstellerpreisempfehlungen, angezeigt, die vermeintlich mit dem tatsächlichen Verkaufspreis deutlich unterboten werden.
Der Handelsverband konnte etwa feststellen, dass bei Produkten in der „Überblicksansicht“ teils sehr hohe UVPs ausgewiesen wurden und die dementsprechend angezeigte Preissenkung sehr hoch ausfiel. Bei einem Klick auf „Alle Details“ des entsprechenden Produkts wurde jedoch plötzlich ein deutlich niedrigerer UVP angezeigt, wodurch auch die prozentuelle Preisreduktion deutlich niedriger ausfiel. So wurde eine Ledertasche in der Überblicksansicht als Megaangebot um 21,99 Euro bei einem UVP von 53,49 Euro angepriesen. In der Detailansicht schrumpfte der UVP jedoch auf 24,99 Euro zusammen. Aus einer vermeintlichen Preisersparnis von 58% wurde eine von nur noch 12%. Ebenfalls konnte festgestellt werden, dass der angezeigte UVP zum gleichen Zeitpunkt auf zwei verschiedenen Geräten in gewissen Fällen unterschiedlich hoch ausfällt – eine klare Täuschung der Käufer:innen.
"Es ist nicht hinzunehmen, dass E-Commerce-Plattformen aus Drittstaaten keinerlei Verantwortung für ihre Produkte und ihre Preisauszeichnung tragen, während heimische Händler für jedes einzelne CE-Zeichen und jede Rabattangabe geradestehen müssen. Wir brauchen endlich eine rechtliche Gleichstellung. Die Politik kann und sollte zum Schutz der Bevölkerung und der Arbeitsplätze sofort handeln. Wenn wir heute klare Regeln schaffen und diese exekutieren, bleiben unsere Innenstädte lebendig, unsere Standards hoch und unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig", so Handelssprecher Rainer Will abschließend.
Der Handelsverband steht der Bundesregierung auch weiterhin für konstruktive Gespräche und eine gemeinsame Allianz gegen die hohe Inflation zur Verfügung.
Rückfragen & Kontakt
Handelsverband
Mag. Gerald Kühberger, MA
Pressesprecher
Telefon: +43 (1) 406 22 36 77
E-Mail: gerald.kuehberger@handelsverband.at
Mag. Manuel Friedl
Senior Communications Manager
Telefon: +43 (1) 406 22 36 80
E-Mail: manuel.friedl@handelsverband.at
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