- 05.08.2025, 10:28:02
- /
- OTS0038
WKÖ-Prauchner zu Marterbauer-Vorstoß: Symbolpolitik bei Lebensmittelpreisen ist fehl am Platz
Ursachen für Preissteigerungen sind klar zu benennen und wirksam zu bekämpfen – Lebensmittelhandel steht am Ende der Wertschöpfungskette
Christian Prauchner, Obmann des Bundesgremiums Lebensmittelhandel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), spricht sich entschieden gegen staatliche Eingriffe in die Preisgestaltung im Lebensmittelhandel aus. In Richtung Finanzminister Marterbauer appelliert er: „Wir brauchen jetzt keine Symbolpolitik, sondern eine sachliche Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Ursachen der Inflation. Wer die Teuerung bekämpfen will, muss bei den Wurzeln ansetzen – und die liegen nicht im Supermarktregal.“
Preissteigerungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette
Die Preisbildung bei Lebensmitteln beginnt nicht erst im Handel, sondern bereits in den vorgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette – in der Landwirtschaft, der Verarbeitung, der Logistik sowie auf den internationalen Rohstoffmärkten. In all diesen Bereichen kommt es aktuell zu Verwerfungen und Kostensteigerungen. „Der Lebensmittelhandel ist von diesen Entwicklungen betroffen, aber keineswegs deren Verursacher“, betont Prauchner.
Ein aktuelles Beispiel ist der Rindfleischmarkt. In den vergangenen Wochen wurden neue Preisrekorde verzeichnet. Ursachen hierfür sind unter anderem der Rückgang der Tierbestände in Europa, steigende Produktionskosten für Futter, Energie und Transport sowie Krankheitsausbrüche wie Blauzungenkrankheit und Maul- und Klauenseuche. Laut AMA lag der durchschnittliche Auszahlungspreis der Schlachthöfe für Schlachtkühe zuletzt bei 6,23 Euro je Kilogramm – das entspricht einem Anstieg von 52,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Auch bei der Milch setzt sich der Preisanstieg fort: Im Juni 2025 zahlten österreichische Molkereien ihren Lieferanten im Durchschnitt 55,80 Cent pro Kilogramm GVO-freier Rohmilch. Im Vorjahr lag dieser Preis bei 49,20 Cent, vor fünf Jahren noch bei lediglich 36,24 Cent – ein Plus von über 50 Prozent innerhalb eines halben Jahrzehnts.
Internationale Rohstoffmärkte unter Druck
Die Lage bleibt auch global angespannt. Rohstoffe wie Kaffee, Kakao oder Orangensaftkonzentrat haben sich deutlich verteuert. In Brasilien führten Dürreperioden, in Vietnam Hitzewellen zu massiven Ausfällen bei der Kaffeeernte – ein halbes Kilo kostet mittlerweile mehr als einen Euro über dem Niveau der Vormonate. Die Kakaopreise stiegen im Frühjahr 2024 innerhalb von nur zwei Monaten um 280 Prozent, nachdem extreme Hitze die Ernten in der Elfenbeinküste und Ghana massiv beeinträchtigte.
Diese globalen Entwicklungen treffen auch Österreich, da viele Lebensmittelrohstoffe importiert werden. Zwar haben sich manche Rohstoffpreise zuletzt wieder leicht zurückgebildet, doch insgesamt verbleiben sie auf hohem Niveau. Gleichzeitig sind die Produktionskosten im Inland stark gestiegen – bei Energie, Rohstoffen, Personal und Logistik.
Zusätzliche Belastung durch "Österreich-Aufschläge"
Ein erheblicher Preistreiber sind auch die sogenannten territorialen Lieferbeschränkungen internationaler Markenartikelhersteller. Österreichische Handelsunternehmen werden dadurch vom Zugang zu günstigeren Bezugsquellen in der EU ausgeschlossen. Preisvorteile aus dem Ausland können somit nicht an die Konsument:innen weitergegeben werden. Gerade bei bekannten Markenartikeln hat das spürbare Auswirkungen auf die Verkaufspreise.
Staatlich verursachte Kosten belasten zusätzlich
Die angespannte Situation wird durch Maßnahmen der öffentlichen Hand weiter verschärft. Zahlreiche Gemeinden haben in den vergangenen Monaten die Gebühren für Wasser, Kanal, Müll und Parkraumbewirtschaftung erhöht. Zu den bereits hohen Energiekosten kommen zusätzlich stark gestiegene Netzentgelte und Belastungen durch die CO₂-Bepreisung.
Eine besonders kostenintensive Herausforderung stellt die geplante nationale Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie dar. Diese verpflichtet die Handelsunternehmen, auf ihren Supermarktparkplätzen tausende E-Ladepunkte zu errichten – oft ohne tatsächlichen Bedarf oder Verfügbarkeit entsprechender Netzkapazitäten. Der dadurch entstehende Investitionsaufwand geht in die hunderte Millionen Euro und wird sich letztlich auch auf die Preise auswirken. Prauchner betont: „Wir sehen hier ein perfektes Beispiel dafür, wie überbordende Bürokratie am Ende auch die Inflation treibt. Noch ist es nicht zu spät, auf überzogene nationale Vorgaben und einen Flickenteppich unterschiedlicher Landesregelungen zu verzichten, zugunsten einer bedarfsgerechten, bundesweit einheitlichen Lösung.“
Erschwerend kommt die aktuelle Lohn-Preis-Dynamik hinzu: Steigende Löhne führen insbesondere in der personalintensiven Handelsbranche zu höheren Kosten, die sich zwangsläufig in Form steigender Preise niederschlagen.
Handel unter wirtschaftlichem Druck – trotz niedriger Margen
Die immer wieder geäußerte öffentliche Kritik am Lebensmittelhandel entbehrt einer sachlichen Grundlage. Die durchschnittliche Gewinnmarge im österreichischen Lebensmittelhandel liegt bei unter 1,5 Prozent. Bereits 2022 stellte die Bundeswettbewerbsbehörde im Rahmen einer umfassenden Branchenuntersuchung klar, dass es keinerlei Hinweise auf Übergewinne oder Margenerhöhungen im Zuge der Teuerung gab.
Spanien kein Vorbild für Österreich
Minister Marterbauer hat Spanien als Beispiel für erfolgreiche Preispolitik genannt. Dieser Vergleich hält einer genaueren Betrachtung jedoch nicht stand. Spanien hat nicht in Lebensmittelpreise eingegriffen, sondern lediglich die Mehrwertsteuer auf rund 40 Grundnahrungsmittel befristet ausgesetzt. Wesentliche Entlastungen ergaben sich in erster Linie durch Maßnahmen im Energiesektor, etwa durch die Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis. Die Rahmenbedingungen des spanischen Energiemarkts unterscheiden sich allerdings deutlich vom österreichischen.
Hinzu kommt: Spanische Haushalte geben einen erheblich größeren Teil ihres Budgets für Lebensmittel aus als österreichische. Laut Eurostat lag dieser Anteil 2022 in Spanien bei nahezu 20 Prozent, in Österreich hingegen nur bei 12 Prozent. Damit zählt Österreich weiterhin zu den vier Ländern mit den geringsten Lebensmittelausgaben innerhalb der EU.
Fazit: Preisstabilität braucht Strukturreformen, keine Symbolpolitik
„Wer Lebensmittelpreise dauerhaft stabilisieren will, muss an den tatsächlichen Ursachen ansetzen – auf den globalen Rohstoffmärkten, in der Energiepolitik und bei den regulatorischen Rahmenbedingungen“, betont Prauchner. „Pauschale Eingriffe in Preise sind nicht nur wirkungslos, sondern auch langfristig schädlich. Wir brauchen tragfähige Lösungen statt kurzfristigen Aktionismus.“ (PWK305/DFS)
Rückfragen & Kontakt
Wirtschaftskammer Österreich
Digital Media & Communication
Pressestelle
Telefon: T 0590 900 – 4462
E-Mail: dmc_pr@wko.at
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PWK