• 17.07.2025, 11:30:04
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"Österreich-Preisaufschlag": HV & GPA fordern im Schulterschluss EU-weites Verbot territorialer Lieferbeschränkungen!

Interessenvertretungen für sofortiges Aus jeglicher Diskriminierung in der Beschaffung. Einsparpotenzial für europäische Konsument:innen liegt bei 14 Milliarden Euro jährlich.

Rainer Will & Barbara Teiber im Schulterschluss
Wien (OTS) - 

Seit vielen Jahren kämpfen der Handelsverband und die Gewerkschaft GPA für ein freies und faires Warenangebot im europäischen Binnenmarkt. Ein Verbot territorialer Lieferbeschränkungen zählt daher zu den Kernforderungen im PLAN H des österreichischen Handels.

Anfang Mai 2025 war es dann – fast – so weit: In einer geleakten Version der neuen EU-Binnenmarktstrategie stand schwarz auf weiß, die Kommission werde bis Ende 2026 einen Gesetzesvorschlag erarbeiten, um territoriale Lieferbeschränkungen der globalen Nahrungsmittelindustrie in Europa zu verbieten.

EU-Kommission verwässert Binnenmarktstrategie – auf Kosten von 450 Millionen Konsument:innen

In der am 21. Mai veröffentlichten finalen Version der Binnenmarkstrategie war jedoch völlig überraschend nur noch die Rede davon, dass die EU-Kommission bis Ende 2026 „Instrumente zur Bekämpfung ungerechtfertigter territorialer Lieferbeschränkungen“ erarbeiten werde, um jene Praktiken zu erfassen, „die über die vom Wettbewerbsrecht erfassten hinausgehen.“

Warum kam es im letzten Moment zu dieser Aufweichung – in einem für die europäische Handelsbranche und für die 450 Millionen europäischen Konsument:innen so zentralen Punkt? Es darf vermutet werden, dass Vertreter der multinationalen Markenindustrie ihre Finger im Spiel hatten.

Territorial Supply Constraints multinationaler Industriekonzerne halten Preise künstlich hoch

Territoriale Lieferbeschränkungen (sogenannte Territorial Supply Constraints, kurz TSCs) sind von bestimmten großen Herstellern auferlegte Beschränkungen, die es Einzelhändlern sehr schwer oder unmöglich machen, Produkte in einem Mitgliedsstaat zu kaufen und in einem anderen weiterzuverkaufen.

Die TSCs erlauben es internationalen Produzenten bislang, Produkte in unterschiedlichen Märkten zu unterschiedlichen Preisen anzubieten. „Diese länderspezifischen Vertriebsstrategien – gerade im Lebensmittelbereich – treffen den österreichischen Handel mit voller Wucht. Unsere Unternehmen dürfen nicht dort einkaufen, wo es am günstigsten wäre. Die Zeche zahlen letztlich die Konsument:innen, die für Alltagsgüter wie Lebensmittel, Kosmetik oder Reinigungsmittel deutlich mehr zahlen müssen als beispielsweise in Deutschland“, erklärt Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA.

Österreichische Händler müssen in der Beschaffung um bis zu 60% höhere Preise bezahlen

„Tatsache ist, dass über 90 Prozent der Beschaffung im Lebensmitteleinzelhandel im EU-Binnenmarkt nach wie vor national erfolgt. Das liegt vor allem an den Praktiken der multinationalen Nahrungsmittelindustrie, den EU-­Binnenmarkt entlang nationaler Grenzen künstlich zu segmentieren und so den internationalen Einkauf faktisch unmöglich zu machen“, bestätigt Rainer Will, Geschäftsführer des freien, überparteilichen Handelsverbands.

Wenn beispielsweise ein österreichischer Händler den Haarspray eines multinationalen Produzenten einkaufen möchte, geht das nur über die nationale Vertriebsgesellschaft des jeweiligen Multis. Der Haarspray kostet für den österreichischen Händler in der Beschaffung 3,20 Euroein deutscher Händler zahlt für denselben Haarspray nur 2 Euro als Einkaufspreis.

Die Großhandelspreise in kleinen Ländern wie Österreich sind aufgrund dieser TSC-Praktiken im Regelfall signifikant höher als jene in großen Ländern wie Deutschland. Dies gilt übrigens für die meisten kleineren Länder in Europa, also auch für Dänemark, Belgien oder Luxemburg. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat in ihrer Branchenuntersuchung der gesamten Lebensmittel-Wertschöpfungskette einen "Österreich-Aufschlag" bei Markenartikeln von zumindest 15 bis 20% gegenüber dem deutschen Preisniveau ermittelt, der auf diese Praktik der internationalen Industriekonzerne zurückgeht.

„Unsere österreichischen Händler müssen in der Beschaffung zurzeit je nach Produkt um bis zu 60 Prozent höhere Preise bezahlen als deutsche Händler. Dieser Österreich-Preisaufschlag ist ein reines Körberlgeld der multinationalen Markenartikelindustrie“, sagt Rainer Will.

TSC-Verbot würde faire Einkaufsbedingungen in Europa sicherstellen

„Laut einer EU-Studie könnten Konsument:innen durch die Abschaffung dieser Lieferbeschränkungen bis zu 14 Milliarden Euro jährlich sparen. Gerade in wirtschaftlich fordernden Zeiten wäre das eine spürbare Entlastung für Millionen Menschen in Europa – und ein überfälliger Schritt hin zu faireren Preisen für alle“, so Barbara Teiber.

In den letzten Jahren haben die EU-Behörden immer wieder mit Strafen gegen entsprechende Verstöße reagiert. Der Nahrungsmittelmulti Mondelez wurde beispielsweise im Mai 2024 zu einem Bußgeld von 334 Mio. Euro wegen der Behinderung des grenzüberschreitenden Handels verurteilt. Anheuser-Busch InBev (AB InBev), die größte Brauereigruppe der Welt, wurde bereits 2019 mit 200 Mio. Euro Bußgeld bestraft. Gegen Procter & Gamble (P&G) laufen zurzeit Ermittlungen der EU-Wettbewerbskommission wegen des Verdachts auf unzulässige Marktabschottung.

GPA & HV fordern rasche Umsetzung der EU-Binnenmarktstrategie

Aber: Bei weitem nicht alle Praktiken fallen unter den Schirm des EU-Kartellrechts. Der Handelsverband und die Gewerkschaft GPA begrüßen deshalb, dass die EU-Kommission künftig gegen alle TSCs vorgehen will – auch jene, die bislang nicht vom Wettbewerbs- bzw. Kartellrecht erfasst sind. Sowohl GPA als auch HV fordern daher eine rasche gesetzliche Umsetzung der Binnenmarktstrategie – auf EU-Ebene und in der nationalen Anwendung.

„Die Ankündigung der EU-Kommission in der Binnenmarktstrategie ist noch nicht das Gelbe vom Ei, aber zumindest ein erster Schritt Richtung Fairness für den österreichischen Einzelhandel und die heimischen Konsument:innen. Es ist ein Gebot der Stunde, endlich für gleiche Einkaufsbedingungen für Händler in allen Mitgliedstaaten zu sorgen und die künstlichen Preisdifferenzen zwischen den europäischen Ländern zu reduzieren, für die der heimische Handel oft zu Unrecht kritisiert wird“, ist Handelssprecher Rainer Will überzeugt.

Territoriale Lieferbeschränkungen befeuern hohe Inflation in Österreich

Gerade in Zeiten hoher Inflation – die Inflationsrate in Österreich liegt im Juni laut Statistik Austria bei 3,3% und damit erneut deutlich über dem Niveau Deutschlands sowie der Eurozone – wäre die Beendigung derartiger Praktiken ein zentraler Schritt zu mehr Fairness für den österreichischen Einzelhandel und die heimischen Konsument:innen.

„Viele multinationale Hersteller wollen um jeden Preis an ihren länderspezifischen Preisstrategien festhalten – auf Kosten der Konsument:innen. Denn ihre Gewinnmaximierung bedeutet für uns alle höhere Preise im Regal. Es ist höchste Zeit, diese Diskriminierung zu verbieten. Das wäre ein wesentlicher Beitrag zur Senkung der hohen Inflation“, sagt Barbara Teiber.

Rückfragen & Kontakt

Handelsverband
Mag. Gerald Kühberger, MA
Pressesprecher
Telefon: +43 (1) 406 22 36 77
E-Mail: gerald.kuehberger@handelsverband.at

Mag. Manuel Friedl
Senior Communications Manager
Telefon: +43 (1) 406 22 36 80
E-Mail: manuel.friedl@handelsverband.at

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