FPÖ kritisiert Orientierungsklassen als "Placebo-Maßnahme" und Symptombekämpfung
Zugewanderte, quereinsteigende Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter, die keinerlei Vorerfahrung aus einem beständigen Bildungssystem haben, sollen ab September für die Dauer von maximal sechs Monaten in Orientierungsklassen auf den Unterricht im österreichischen Schulsystem vorbereitet werden. Dies wurde heute im Nationalrat mehrheitlich mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen beschlossen. Die FPÖ stimmte gegen die Einführung der Orientierungsklassen und kritisierte die Maßnahme als "Symptombekämpfung".
Neben der Schaffung der Orientierungsklassen sieht die beschlossene Gesetzesnovelle auch die Einführung digitaler Studierendenausweise an Pädagogischen Hochschulen vor. Zudem wurden in das Anstellungserfordernisse-Grundsatzgesetz neue Ausbildungsangebote für Elementarpädagog:innen aufgenommen. Abgelehnt wurde ein mit diesem Thema zusammenhängender Antrag der Grünen. Darin plädierte die Oppositionsfraktion insbesondere dafür, dass gruppenführende Elementarpädagog:innen in Zukunft auf tertiärer Ebene ausgebildet werden sollen.
Keine Mehrheit gab es für drei während der Debatte eingebrachte Entschließungsanträge der FPÖ. Mit diesen forderten die Freiheitlichen die Umsetzung ihres 9-Punkte-Maßnahmenkatalogs für eine gewaltfreie Schule, Sofortmaßnahmen gegen Mobbing und Gewalt an Schulen sowie ein Verbot des Tragens von Kopftüchern oder Verschleierung für Lehrerinnen und Schülerinnen in öffentlichen Pflichtschulen.
Wiederkehr: Orientierungsklassen sind Stärkung der Schulen
Bildungsminister Christoph Wiederkehr bezeichnete die Einführung der Orientierungsklassen als eine "Stärkung der Schulen". Denn diese würden Entlastung schaffen mit eigenen Angeboten für Kinder, die noch keine Vorläuferfertigkeiten im Schulbereich haben. Wie viele Plätze in den Orientierungsklassen gebraucht werden, wisse man heute noch nicht, doch man sei nun vorbereitet für die Zukunft, so der Bildungsminister.
Zudem sah Wiederkehr im heutigen Beschluss einen Paradigmenwechsel in der Elementarpädagogik, da erstmalig in Österreich ein grundständiges Studium für Elementarpädagogik rechtlich ermöglicht werde. Dies stelle laut Wiederkehr zum einen eine gesellschaftliche Aufwertung der Elementarpädagogik dar und schaffe zusätzliche Ausbildungswege, um mehr Personen für einen Beruf im Bereich der Elementarpädagogik zu gewinnen.
FPÖ sieht in Orientierungsklassen "Placebo-Maßnahme"
Hermann Brückl (FPÖ) bezeichnete die Einführung der Orientierungsklassen als eine "Placebo-Maßnahme" sowie als Symptombekämpfung. Denn laut Brückl gehe es dabei nicht um Bildung, sondern um "Integrationsmaßnahmen in Reinkultur", die nicht Aufgabe der Schule seien. Er kritisierte, dass seit Jahren die Lösung "aller gesellschaftlichen Probleme" auf Schulen und Lehrer:innen übertragen werde. Dies hätte dazu geführt, dass das Bildungsniveau "massiv gesunken" sei. Zudem hätten Gewalt und Konflikte in den Schulen überhandgenommen. Brückl forderte daher mit einem Entschließungsantrag die Umsetzung eines 9-Punkte-Maßnahmenkatalogs für eine gewaltfreie Schule.
Ricarda Berger (FPÖ) ortete in den Orientierungsklassen eine verfehlte Integrationspolitik, die nur das "permanente Durchwinken von Parallelgesellschaften" im Fokus habe. Lisa Schuch-Gubik (FPÖ) kritisierte, dass die Orientierungsklassen trotz Lehrkräftemangels zusätzliches Lehrpersonal binden würden, für "Personen, die gar nicht bei uns sein sollten". Christoph Steiner (FPÖ) meinte, dass das Konzept der Orientierungsklassen nicht funktionieren werde, da keine Bereitschaft zur Integration seitens der Eltern der betroffenen Schüler:innen bestehen würde. Mit einem Entschließungsantrag forderte er ein Kopftuch- und Verschleierungsverbot für Lehrerinnen und Schülerinnen an Pflichtschulen. Auf Mobbing in Schulen ging Katayun Pracher-Hilander (FPÖ) ein und forderte mit einem Antrag Sofortmaßnahmen gegen Mobbing und Gewalt an Schulen.
ÖVP: Auch Mitgabe der österreichischen Lebensart ist Grundziel der Schule
Es sei wichtig, dass Kinder, bevor sie ins Regelschulwesen kommen, dafür fit sind - denn dies entlaste die gesamte Klasse, sagte Nico Marchetti (ÖVP). Als Grundziel der Schule nannte er die Vermittlung der Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen sowie die Mitgabe der österreichischen Lebensart. Als zentral sah er auch das Fördern von Exzellenz und Talenten in der Schule. Ein Kopftuchverbot an Schulen sei laut Marchetti im Regierungsprogramm vorgesehen und werde verhandelt. Er halte es für wichtig, dass Mädchen vor der Geschlechtsreife kein Kopftuch tragen, da dies auch kein Standard der IGGÖ (Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich) sei, so Marchetti.
Agnes Totter (ÖVP) ging darauf ein, dass im Rahmen der Orientierungsklassen vorgesehen sei, die Eltern der Schüler:innen als wesentliche "Bildungspartner" miteinzubeziehen. Diese würden verpflichtet werden, an Informationsveranstaltungen zu schulischer Mitwirkung und gesellschaftlichen Grundregeln teilzunehmen. Eine Nichtteilnahme werde sanktioniert, kündigte Totter an.
SPÖ: Menschen dabei begleiten, Teil der Gesellschaft zu werden
Integration bedeute, Menschen dabei zu begleiten ein Teil der Gesellschaft zu werden, sagte Heinrich Himmer (SPÖ). Das Konzept der Orientierungsklassen sei bereits in Wien und Vorarlberg erprobt worden und werde nun in das Schulprogramm aufgenommen. Für funktionierenden Schulunterricht, brauche es eine Vorbereitung auf diesen, so Himmer.
Auf Herausforderungen im Bereich der Elementarpädagogik ging Silvia Kumpan-Takacs (SPÖ) ein und betonte, dass Kinder eine Vielfalt an Bedürfnissen, Biografien, Familiengeschichten, Sprachen und Entwicklungsständen mitbringen. Das Eingehen auf die einzelnen Kinder, die Gruppendynamik sowie auf die Eltern der Kinder sei für Elementarpädagog:innen eine vielschichtige Aufgabe, die auch komplexe Situationen mit sich bringe, so Kumpan-Takacs. Sie betonte, dass Pädagog:innen Haltung, Fachwissen und Handlungskompetenzen brauchen. Ein Studium könne die Werkzeugtasche von Pädagog:innen vergrößern und ergänzen. Höhere Qualifikation bringe mehr Qualität in die Kindergärten, unterstrich die SPÖ-Abgeordnete.
NEOS: Allen Kindern bestmögliche Unterstützung geben
Martina von Künsberg Sarre (NEOS) betonte, dass mit den Orientierungsklassen Kindern Unterstützung gegeben werden solle, die diese brauchen. So solle bestmöglich für alle Kinder gesorgt werden - für "zugezogene und natürlich auch jene, die schon hier leben". Als "sehr erfreulich" sah von Künsberg Sarre auch die Ausweitung der Ausbildungswege in der Elementarpädagogik. Österreich sei bisher Schlusslicht gewesen, in anderen Ländern sei es bereits Usus, dass man auch im Bereich der Elementarpädagogik ein Bachelor-Studium machen könne.
Janos Juvan (NEOS) unterstich den hohen Wert der Elementarpädagogik und ging darauf ein, dass Elemantarpädagog:innen die ersten Menschen seien, denen ein Kind auf seinem Bildungsweg anvertraut werde. Daher müssten Kindergärten der "beste Ort werden, den wir uns für unsere Kinder vorstellen können", sodass nicht nur Integration funktioniere, sondern auch Chancengleichheit für jedes Kind in Österreich herrsche, so Juvan.
Grüne: Elementarpädagogik-Ausbildung weiterentwickeln
Barbara Neßler (Grüne) kritisierte, dass die Elementarpädagogik nach wie vor "am Rande des Bildungssystems" behandelt werde. Der heutige Beschluss sei ein Schritt in die richtige Richtung, doch es brauche eine Weiterentwicklung, forderte Neßler und sprach sich für eine österreichweite Ausbildung für Leitungspersonen im Kindergarten aus.
Auf den Wert der Mehrsprachigkeit ging Olga Voglauer (Grüne) ein und appellierte dafür, diesen auch Kindern zu vermitteln. Sie verwies auf das zweisprachige Schulwesen in Kärnten und im Burgenland, in dem es sehr gut funktioniere, mit zweisprachigem Unterricht auch sehr gut Deutsch zu lernen. Sie bat Bildungsminister Wiederkehr, sich dafür einzusetzen, pädagogisches Personal zu finden, das mit Freude auch seine Muttersprache einbringen werde. (Fortsetzung Nationalrat) bea
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