- 16.06.2025, 15:27:32
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- OTS0142
Nationalrat: Breite Mehrheit für Maßnahmenpaket nach Amoklauf an Grazer Schule
Regierung plant Entschädigungsfonds für Betroffene, Verschärfung des Waffenrechts sowie den Ausbau der schulpsychologischen Betreuung
Als Konsequenz des Amoklaufs an einer Grazer Schule vergangene Woche haben die Regierungsspitzen heute im Nationalrat ein Maßnahmenpaket vorgestellt. Ein 21-Jähriger hat in seiner ehemaligen Schule zehn Menschen getötet und sich danach selbst erschossen. Das Paket soll laut den Regierungsspitzen noch diese Woche im Ministerrat beschlossen werden und etwa einen Entschädigungsfonds für Betroffene, den möglichen Verzicht auf die anstehende mündliche Matura, erhöhte Polizeipräsenz vor Schulen sowie die Aufstockung der schulpsychologischen Betreuung in ganz Österreich beinhalten. Zudem soll es zu einer Verschärfung des Waffengesetzes sowie zu einem verbesserten Datenaustausch zwischen den Behörden kommen.
Um diese Schritte zu untermauern, hat sich der Nationalrat mit breiter Mehrheit - ohne die Stimmen der FPÖ - für einen von den Regierungsparteien vorgelegten Entschließungsantrag ausgesprochen. Darin wird die Bundesregierung ersucht, ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Bewältigung der Ereignisse des Amoklaufs vorzulegen. So sollen etwa kurzfristige Unterstützungsmaßnahmen für Betroffene sowie mittel- bis langfristige Vorkehrungen zur Verhinderung vergleichbarer Taten enthalten sein. Die Freiheitlichen sprachen sich gegen "schnelle Lösungen aus". Es gehe darum, das Recht auf Sicherheit und Schutz mit dem Recht auf Freiheit "unter einen Hut zu bringen".
Keine Mehrheit fand ein weiterer Entschließungsantrag der Grünen, die sich für ein generelles Verbot des privaten Waffenbesitzes aussprechen.
Am Beginn der Sitzung hielten die Abgeordneten eine Trauerminute zum Gedenken an die Opfer des Amoklaufs ab.
Rosenkranz: Politik muss ihrer Verantwortung gerecht werden
Ganz Österreich trauere um die Opfer und mit den Familien des Amoklaufs in Graz, hielt Nationalratspräsident Walter Rosenkranz zu Beginn der Sitzung fest. Neun "lebensfrohe Schülerinnen, Schüler" und eine Lehrerin seien "wahllos ermordet" worden. Zudem seien elf weitere Opfer schwer verletzt worden. Der Nationalratspräsident - wie auch zahlreiche folgende Rednerinnen und Redner - dankte den Einsatz- und Rettungskräften, dem medizinischen Personal, den Lehrerinnen und Lehrern sowie allen anderen Menschen, die im Rahmen der Trauerarbeit Trost und Beileid spenden würden. Er höre die Stimmen vieler Menschen in Österreich, die nach dieser Tragödie klare Forderungen an die Politik stellen würden, so Rosenkranz weiter. Dieser Verantwortung müsse und werde man nun gerecht werden.
Stocker: Müssen die richtigen Lehren ziehen, um solche Taten bestmöglich zu verhindern
Bundeskanzler Christian Stocker sprach von einer "nationalen Tragödie", die eine Zäsur in Österreich darstelle. Neun junge Menschen und eine Lehrerin seien "auf brutalste Art und Weise aus dem Leben gerissen worden". Es handle sich um Tage der Trauer für das ganze Land. Auch der Bundeskanzler, genauso wie danach Vizekanzler Andreas Babler und Außenministerin Meinl-Reisinger, sprach seinen Dank an alle rund um den Amoklauf beteiligten Kräfte aus. In einer solchen Situation zeige sich, was Österreich ausmache: "eine Gesellschaft der Verantwortung, des Respekts und der Menschlichkeit", zeigte sich Stocker beeindruckt.
Nun gehe es darum, die richtigen Lehren zu ziehen, um künftig ähnliche Vorfälle bestmöglich zu verhindern. Die Bundesregierung komme dieser Verantwortung nach, indem man noch diese Woche ein "umfangreiches Maßnahmenpaket" im Ministerrat beschließen wolle. Dieses soll laut dem Bundeskanzler unmittelbare unbürokratische Unterstützung für die Betroffenen in Form eines Entschädigungsfonds zur Abdeckung von Begräbniskosten, für psychologische Betreuung sowie für gezielte Maßnahmen an der Schule beinhalten. Weiters soll den Schüler:innen ein möglicher Verzicht auf die anstehende mündliche Matura ermöglicht und die Polizeipräsenz vor Schulen erhöht werden. Stocker nannte die Aufstockung der schulpsychologischen Betreuung in ganz Österreich einen weiteren Schwerpunkt. Diese dürfe künftig nicht mehr die Ausnahme, sondern müsse die Regel sein. Zudem soll es zu verpflichtenden Beratungsgesprächen mit Schulabbrecher:innen und zur Stärkung der Sicherheits- und Präventionskonzepte der Schulen kommen.
Was den Bereich des Waffengesetzes betrifft, sprach sich Stocker für strengere Eignungsvoraussetzungen für den Waffenbesitz und für Einschränkungen für Risikogruppen aus. Ergänzend müsse der Datenaustausch zwischen den Behörden verbessert werden. Ihm sei klar, dass nichts von all dem die Ermordeten zurückbringen und das Leid der Familien lindern werde, unterstrich der Bundeskanzler. Die große Welle der Solidarität gebe aber Hoffnung, dass die Gesellschaft zusammenhalte, wenn es darauf ankomme.
Babler: Werden deutliche Verschärfung des Waffengesetzes in die Wege leiten
Das ganze Land trauere "in diesen dunklen Zeiten" mit den Eltern, Angehörigen und Freund:innen der Opfer, erklärte Vizekanzler Andreas Babler. Er spüre einen starken Zusammenhalt in der Gesellschaft, das habe vor allem Graz in den letzten Tagen bewiesen, so Babler. Es sei die Pflicht des Staates, seine Kinder zu schützen und Sicherheit in den Schulen zu gewährleisten. Deshalb werde die Bundesregierung in den kommenden Tagen eine deutliche Verschärfung des Waffengesetzes in die Wege leiten und durch die Einrichtung eines Entschädigungsfonds versuchen, bestmöglich für die Betroffenen da zu sein. Zudem werde es eine "massive Aufstockung" der Schulpsychologie geben müssen, so Babler. Auch der Vizekanzler betonte, dass damit Geschehenes nicht rückgängig gemacht werden könne, die Bundesregierung damit aber Verantwortung übernehme.
Meinl-Reisinger: Werden die Opfer des 10. Juni nicht vergessen
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich fassungslos und von der "tiefen Trauer und vom Mitgefühl des ganzen Landes" der vergangenen Tage beeindruckt. Die Bundesregierung werde "die Opfer des 10. Juni" nicht vergessen, so Meinl-Reisinger weiter. Es sei ihre Aufgabe, die Tat vollständig aufzuklären und die Konsequenzen daraus zu ziehen. Mit dem nun angekündigten Maßnahmenpaket handle man "entschlossen" um rasch unbürokratische Unterstützung für akut Betroffene zu ermöglichen, "dringend notwendige Verschärfungen von Gesetzen" vorzunehmen sowie Schritte für ein verstärktes Präventionsnetz zu setzen, so die Außenministerin. Man nehme als Bundesregierung die Verantwortung wahr, Sorge zu tragen, dass sich solch "schreckliche Taten" nicht wiederholen.
FPÖ: Vernünftige statt schnelle Lösungen
Die Folgen der Tat in Graz seien "das Schlimmste" was einem Menschen als Angehörigem geschehen könne, betonte FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Er sei mit seinen Gedanken und Gebeten bei den Opfern und Hinterbliebenen. Die Politik könne das Leid nicht ungeschehen machen, es sei aber ihre Aufgabe, es ein wenig zu lindern. Auch Kickl dankte allen Einsatzkräften, die alle einen Beitrag dazu geleistet hätten, so rasch wie möglich einzugreifen. Bei der Frage, was zu tun sei, um solche Ereignisse zu verhindern, steht man laut dem FPÖ-Klubobmann vor der Herausforderung, das Recht auf Sicherheit und Schutz mit dem Recht auf Freiheit "unter einen Hut zu bringen". Für Kickl ist es daher noch nicht an der Zeit, mit Maßnahmen Lösungen zu versprechen. Er forderte "sorgfältige Überlegungen" und in der Folge "entschlossenes Handeln".
Dem schloss sich FPÖ-Mandatar Gernot Darmann an. Es gehe nicht um schnelle, sondern um vernünftige Lösungen. Emotionen seien nachvollziehbar, die Politik müsse aber die Sachlichkeit in den Vordergrund stellen. Darmann plädierte zudem dafür, Budgetkürzungen im Sicherheitsbereich zu überdenken. Für neue polizeiliche Aufgaben brauche es zusätzliche Mittel.
ÖVP: Dürfen nicht zulassen, dass sich Menschen radikalisieren und isolieren
Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) sprach von "einer der traurigsten Stunden des Parlaments". Es handle sich um "einen Angriff auf das friedliche Zusammenleben, auf unsere Werte und auf unsere Schulen". Der Amoklauf sei ein "Weckruf" für die Politiker:innen und für die Gesellschaft, es nicht zuzulassen, dass sich Menschen radikalisieren und isolieren würden. Der Schlüssel dazu sei Prävention. Die ÖVP-Abgeordnete begrüßte die nun von der Bundesregierung vorgestellten "faktenorientierten Maßnahmen".
Die Parlamentarier:innen als gewählte Repräsentant:innen der Bevölkerung müssten sich die Frage stellen, welche Regeln es zu verändern gebe, um die Wahrscheinlichkeit "für solch unfassbare Taten" so gering wie möglich zu halten, erklärte Ernst Gödl (ÖVP). Der ÖVP-Abgeordnete brachte dazu einen gemeinsam von den Regierungsparteien formulierten Entschließungsantrag ein, der im Wesentlichen die von den Regierungsspitzen angekündigten Maßnahmen beinhaltet und - ohne die Stimmen der FPÖ - breite Zustimmung fand.
SPÖ: Müssen Verschärfung des Waffengesetzes rasch diskutieren
Der Amoklauf habe "Schock, Fassungslosigkeit, Trauer und Mitgefühl hinterlassen", betonte Karin Greiner (SPÖ). Mit dem von der Bundesregierung vorgestellten und von Greiner begrüßten Maßnahmenpaket sei die Bundesregierung aber bereits ins Handeln gekommen. Zur Verschärfung des Waffengesetzes hielt die SPÖ-Abgeordnete fest, dass man diese Diskussion rasch führen werde müsse. Zudem sei der Datenaustausch zwischen den Behörden zu kompliziert und zu langsam. Greiner sprach den Appell aus, nicht bei Gewalt- und Extremismusprävention zu sparen.
Für Verena Nussbaum (SPÖ) gilt es, sich die Frage zu stellen, warum es in Österreich so einfach sei, an eine Waffe zu kommen, egal in welchem Alter. Es gelte generell zu hinterfragen, wozu eine Privatperson etwa eine Schrotflinte brauche. Je mehr Schusswaffen in Umlauf seien, desto mehr Tote würde es dadurch geben, so Nussbaum.
NEOS: Datenschutz darf nicht vor dem Schutz vor Gewalt stehen
Sechs Tage nach den Morden sei es an der Zeit, über Konsequenzen nachzudenken, betonte Veit Valentin Dengler (NEOS). Anfangen könnten etwa auch die Politiker:innen bei sich selbst durch die Abrüstung von Worten in inhaltlichen Auseinandersetzungen. Man dürfe zudem nicht bei Symbolpolitik stehen bleiben. Dengler forderte etwa ein besseres Zusammenspiel der Behörden, da in dem konkreten Fall ein Teil des Staates nicht mit dem anderen kommuniziert habe. Trotz einer Verweigerung des Dienstes mit der Waffe durch das Bundesheer im Rahmen der Stellung, sei es für den Täter möglich gewesen, wenig später zwei Waffen zu kaufen. Es dürfe nicht sein, dass Datenschutz vor dem Schutz vor Gewalt stehe, so Dengler.
Ihre Gedanken seien bei den Eltern, Familien und Freund:innen, die vergeblich darauf warten würden, dass ihre Kinder nach Hause kommen, zeigte sich Fiona Fiedler (NEOS) bestürzt. Man sei in der Verantwortung, rasch etwas zu verändern. Für die NEOS-Abgeordnete geht es etwa darum, psychologische mit körperlicher Gesundheit gleichzusetzen.
Grüne: Freiheit von Waffen, nicht für Waffen
Grünen-Klubobmann Werner Kogler zeigte sich beeindruckt, wie ganz Graz mit der Tat umgehen würde. Auch die Versorgung der Verletzten durch das medizinische Personal in den Krankenhäusern habe "perfekt" funktioniert. Kogler sprach sich in diesem Fall klar für Anlassgesetzgebung aus und plädierte für "die Freiheit von Waffen und nicht für Waffen". Hier müsse man zu einer Umkehr des Prinzips kommen. Genauso wichtig wie schärfere Waffengesetze seien aber auch Maßnahmen zu Gewaltprävention und schulpsychologischer Betreuung.
Ähnlich argumentierte Sigrid Maurer (Grüne). Die Politik müsse den Erwartungen gerecht werden, "mit Mut und Konsequenz" Schritte zu setzen, damit so eine Tat möglichst nie wieder passieren könne. Maurer begrüßte zwar die angekündigten Sonderregelungen zur Matura für die Grazer Schule sowie die psychologische Unterstützung, für die Angeordnete braucht es aber ebenso einen "grundsätzlichen Paradigmenwechsel zur Freiheit von Waffen". Dazu brachte Maurer einen Entschließungsantrag der Grünen ein, in dem ein generelles Verbot des privaten Waffenbesitzes - mit Ausnahmen - gefordert wird. (Fortsetzung Nationalrat) med
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