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TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: "Wir sind Titel-Weltmeister" von Peter Nindler
Ausgabe vom Donnerstag, 22. Juni 2023
Die Affäre um den zu Unrecht verwendeten „Wasserstoff-Doktor“ birgt Zündstoff. Weil sie zur Unzeit die Glaubwürdigkeit des Direktors der Zillertalbahn erschüttert, aber auch ein schiefes Licht auf die wissenschaftliche Integrität wirft.
Es ist eine hochexplosive Mischung zur Unzeit: auf allen Ebenen. Da wird gerade der Grundsatzbeschluss der Landesregierung für die ohnehin kostenintensive Umrüstung der Zillertalbahn auf Wasserstoff beschlossen, die von den regionalen Vertretern seit Jahren unermüdlich forciert wird. Aber derjenige, der das Projekt und die Wasserstoffregion Zillertal endgültig auf Schiene bringen soll, steckt plötzlich knietief in einer wissenschaftlichen Wasserstoff-Affäre. Und das in mehrfacher Weise.
Zum einen, weil der Vorstandsdirektor der Zillertalbahn Helmut Schreiner jegliche akademische Integrität vermissen lässt und bis Mittwoch offensiv einen Doktortitel zur Schau getragen hat, der ihm ganz und gar nicht zusteht. Warum? Ist es lediglich Titelgier? Nicht verwunderlich in einem Land, wo es junge, wirkliche oder vortragende Hofräte gibt. Und den angeheirateten Professoren- und Doktortitel. Wir sind schließlich ungekrönte Titelweltmeister.
Der Chef der Zillertalbahn machte sich darüber hinaus zum Handlanger der Politik. Er hat sich unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Erkenntnisse mit den Mächtigen verbündet und ihnen seine „Dissertationsschrift“ über die Wasserstoffbahn verkauft, die er später einstampfen musste. Sie quasi auf dem Altar des türkisen Wahlkampfs 2019 präsentiert und damit die Unabhängigkeit von Wissenschaft und Forschung geopfert. „Bergauf mit Wasserstoff für die Zillertalbahn“, frohlockte damals die ÖVP bei der Bergauf-Tour mit Ex-Kanzler Sebastian Kurz in Seefeld. Schreiner erweckt damit unweigerlich den Eindruck, ein Auftragsschreiber für die Wasserstoff-Lobby zu sein. Dass es hier zu Konflikten mit der notwendigen Gewährleistung von nachvollziehbaren Forschungsergebnissen kommen musste, liegt auf der Hand. Also ist die Doktorarbeit versandet, die geforderte Wasserstoffinitiative im Zillertal wurde hingegen in das schwarz-grüne Regierungsprogramm aufgenommen. Mission erfüllt. Politisch, aber sicher nicht wissenschaftlich.
Am Ende hat sich der als Fachmann anerkannte Zillertalbahn-Chef selbstverschuldet desavouiert und seine Glaubwürdigkeit untergraben. Von der Technik wechselte er zur Wirtschaft, um an der Universität im lettischen Riga den Wasserstoff-Doktor zu erhalten. Doch so weit ist es noch nicht, trotzdem lässt es erkennen, worum es Helmut Schreiner geht. Vorerst musste er einmal seinen Doktortitel streichen. Von seinen Visitenkarten und seinem Direktorensessel in der Zillertalbahn.
Wenn er ihn dann einmal offiziell verliehen bekommt, wird der Titel immer einen schalen Beigeschmack haben. Und das ist bitter – nicht nur für ihn.
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