Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 20. Mai 2022. Von PETER NINDLER. "Zu viele Verbote, zu wenig Einsicht".
Innsbruck (OTS) - „Gläserne Parteikassen“ bedeuten mehr als Spendenverbote oder Wahlkampfobergrenzen. Sie benötigen die politische Korrektheit als DNA für Parteien und ihre Politiker. Sowie Transparenz und Kontrolle als durchgängigen Kompass.
Unsere Parteien-Demokratie hat den Hang, sich selbst zu kasteien, wenn sie sich wieder einmal peinlich ertappt fühlt. Das war bei den Arbeitslosen-Einkommen für Politiker oder Vielfach-Bezügen von Abgeordneten nicht anders wie bei der jetzt aufgedeckten Querfinanzierung der Vorarlberger ÖVP aus Inseratengeschäften ihres schwarzen Wirtschaftsbundes. Plötzlich wird der Geruch des Geldes, von Spenden und Unterstützungen zum Problem und nicht das politische Handeln, das dahintersteckt. Deshalb soll alles auf null gestellt werden, die handelnden Personen bleiben hingegen dieselben. Und weil der Tiroler Landtagswahlkampf bereits begonnen hat, führt natürlich eine große Portion Populismus Regie.
9,8 Millionen Euro jährlich an Partei- und Klubförderung in Tirol sollten jedenfalls ausreichen, um Strukturen, Partei- und Öffentlichkeitsarbeit mit eigenen Publikationen zu finanzieren. Dass es künftig Landesunternehmen bzw. öffentliche Institutionen untersagt wird, an Parteien zu spenden oder in Parteimedien zu inserieren, ist nachvollziehbar und überfällig. Aber ein generelles Verbot? Die Parteien leisten so einer schleichenden Verbots-Demokratie Vorschub, weil sie sich selbst und natürlich den politischen Mitbewerbern misstrauen. Was ich nicht haben kann, darüber dürfen die anderen ebenfalls nicht verfügen. Wird dadurch möglicher Missbrauch verhindert? Mitnichten!
Entscheidend wäre vielmehr eine funktionierende Kontroll-Demokratie. Der Landtag hat gerade ein Transparenzgesetz beschlossen, jeder Förder-Euro wird damit öffentlich gemacht. Das muss gleichfalls für Parteien gelten wie zeitnahe Rechenschaftsberichte an den Landesrechnungshof. Obergrenzen für Spenden und Wahlkämpfe – passt genauso. Dazu noch harte Sanktionen für diejenigen, die sich nicht daran halten oder sich darüber hinwegschwindeln. Dann wird halt die Parteiförderung empfindlich gekürzt. Nicht nur einmal, sondern für die gesamte Legislaturperiode.
Die populistischen Fairnessabkommen vor Wahlen verkörpern endgültig die Kapitulation vor dem Restvertrauen in die Politik. Freunderlwirtschaft, Begünstigung und Korruption: Die Parteien-Demokratie benötigt Verantwortungsträger mit einer grundehrlichen und hochanständigen DNA, die mit Amtsantritt verinnerlichen, dass die politische Korrektheit über das rechtliche Korsett oder Richtlinien für die Parteiförderung hinausreichen. Kontrolle und Transparenz sollten deshalb ein durchgängiger gesellschaftlicher Kompass wider das Misstrauen und den Vertrauensverlust sein. Aber besonders für die Parteien, die Politik und die öffentliche Verwaltung.
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