- 26.02.2021, 14:34:35
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BMJ bringt umfassende Reform des Unterbringungsgesetzes auf den Weg
Stärkung der Kinder-und Erwachsenenrechte und Optimierung der Abläufe
Utl.: Stärkung der Kinder-und Erwachsenenrechte und Optimierung der
 Abläufe =
Wien (OTS) - Mit heutigem Tag startet das Bundesministerium für
 Justiz die Begutachtung des Gesetzesentwurfs zur Reform des
 Unterbringungsgesetzes. Die Begutachtung wird sieben Wochen dauern. 
 Mit dieser Novelle gelingt es, lang überfällige, strukturelle
 Verbesserungen vorzunehmen, klarere Regelungen zu schaffen und die
 Unterbringung patient*innengerechter zu gestalten, vor allem für
 Minderjährige. Ziel ist es, neben der besseren Vorbeugung von
 Selbst- und Fremdgefährdung, die Rechte von psychiatrischen
 Patient*innen zu stärken und ihre Betreuungssituation nachhaltig zu
 verbessern.
 Der Gesetzesentwurf wurde in einem mehrjährigen Prozess unter breiter
 Einbindung von Stakeholder*innen in 40 Sitzungen erarbeitet. Auch die
 Empfehlungen der 2016 eingesetzten „Brunnenmarktkommission“ wurden
 mit der Reform umgesetzt. So etwa die bessere Vernetzung der
 Einrichtungen, klare Zuständigkeiten der Sicherheitsbehörden und
 damit eine durchgängige Betreuung psychisch Kranker in der
 Unterbringung. Damit soll Fällen wie dem Brunnenmarktmord in Zukunft
 besser vorgebeugt werden.
Mehr Informationsaustausch und Kooperation
Nach der bisherigen Gesetzeslage konnte es passieren, dass
 Patient*innen aus psychiatrischen Abteilungen entlassen wurden,
 obwohl sie nicht wussten, wohin sie sich mit ihren Problemen wenden
 sollen. Auch wurden Patient*innen nach einer Operation in einer
 „somatischen“ Abteilung wieder auf die psychiatrische Abteilung
 gebracht, obwohl dort eine post-operative Versorgung nicht
 gewährleistet werden kann.
 Diese Erfahrungen zeigten, dass es eine Reihe von Mängeln,
 Missverständnissen und Informationsverluste gab. Im neuen Entwurf
 wird auf den ununterbrochenen und vollständigen Informationsaustausch
 sowie die Kooperation der beteiligten Stellen besonderes Augenmerk
 gelegt. Künftig muss für jede Berufsgruppe genau geregelt werden,
 wann wer welche Daten mit welchem Zweck weitergibt. Der/Die Ärzt*in
 soll sich im Zuge der Aufhebung der Unterbringung um die weitere
 angemessene soziale und psychiatrische Betreuung kümmern. Der dafür
 nötige Austausch sensibler Daten wurde nun gesetzlich geregelt.
Abhilfe für den Mangel an Amtsärzten und neues Weisungsrecht des
 Bundes
Künftig soll stärker auf lokale Gegebenheiten Rücksicht genommen
 werden. Dazu wurde dem/der Landeshauptmann/-frau das Recht
 eingeräumt, Ärzt*innen zu ermächtigen, eine Bescheinigung nach dem
 Unterbringungsgesetz auszustellen. Das können auch Ärztepools sein. 
 Eine wichtige Funktion kommt dabei dem/der Bundesminister*in für
 Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu. Er/sie legt
 per Verordnung die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für
 die ärztliche Ermächtigung bzw. die Entziehung fest. Außerdem wurde
 sein/ihr Aufsichts- und Weisungsrecht gesetzlich verankert. Denn
 Psychiatrien sind mit der Befugnis ausgestattet, Rechte und
 Freiheiten von Erkrankten zu beschränken. Damit kommt die Reform
 einer langjährigen Kritik nach.
Unterbringung von Minderjährigen – Stärkung von Kinderrechten
Ein wichtiges Ziel der Reform war es, besondere Bestimmungen für die
 Unterbringung Minderjähriger zu schaffen, um frühzeitig erkennbare
 Probleme abzufangen. Da das derzeitige Unterbringungsgesetz als
 Erwachsenenpsychiatrie-Gesetz angelegt ist, enthält es nur sehr
 vereinzelt Bestimmungen für Minderjährige. Das soll sich nun im Sinne
 der Rechte von Kindern ändern.
 Neu und ein Paradigmenwechsel in der Unterbringung ist, dass
 Minderjährige selbst bestimmen, ob sie auf freiwillig untergebracht
 werden und nicht mehr der Vater oder die Mutter. Gleichzeitig soll
 Elternrechten ein gebührender Stellenwert eingeräumt werden, etwa
 durch besondere Kooperationsmodelle.
Stärkung der Patient*innenrechte
Entscheidungsfähige Patient*innen dürfen künftig nur mit ihrer
 Einwilligung einer Behandlung unterzogen werden. Fehlt die
 Entscheidungsfähigkeit, so müssen behandelnde Ärzt*innen Personen
 beiziehen, die Patient*innen bei Entscheidungen unterstützen können.
 Auf Verlangen der Patient*innen oder ihrer Vertreter*innen muss das
 Gericht über die Zulässigkeit einer medizinischen Behandlung
 entscheiden. Das gilt auch, wenn die Patient*in nicht
 entscheidungsfähig ist und wenn keine Vertreter*in vorhanden ist. Nur
 in diesem Fall und bei Gefahr im Verzug darf der Patient ohne
 Einwilligung und Zustimmung behandelt werden. Damit wird den von der
 UN-Behindertenkonvention geprägten Regelungen des
 Erwachsenenschutzgesetzes entsprochen. 
 Neu im Entwurf ist außerdem die Möglichkeit der Beiziehung einer
 Vertrauensperson. Die Patient*in kann diese namhaft machen und muss
 auch auf dieses Recht hingewiesen werden. Diese Person darf zur
 Erstanhörung und zur mündlichen Verhandlung mitgenommen werden. Neben
 einer selbstgewählten Vertretung soll im Sinn des Grundrechtsschutzes
 die Vertretung der Patientenanwaltschaft immer bestehen bleiben. 
 Im Zuge der Aufhebung der Unterbringung hat der Arzt mit der
 Patient*in ein Gespräch zu führen, in dem die Unterbringung
 reflektiert werden soll und sich bei Bedarf um die weitere
 angemessene soziale und psychiatrische Betreuung zu bemühen.
 Mit der Reform sollen die Aufgaben aller Berufsgruppen noch klarer
 als bisher geregelt und die Bedürfnisse der Praxis aufgegriffen und 
 eine ausgewogene Lösung bezüglich der notwendigen Beschränkungen, der
 Selbstbestimmung der Patient*innen und der Gefahrenprävention
 gefunden werden.
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