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„Abgestimmtes Energiegesetz wäre wünschenswert“

Wiener-Netze-Chef Maderbacher urgiert Gesamtschau auf das Energie-System

Wien (OTS) - Im Energiesystem der Zukunft werden die Sektoren Strom, Gas, Wärme und Mobilität eng miteinander vernetzt und letztlich voll integriert sein. Gesetzgebung und Regulierung müssen auf diese Veränderungen reagieren. Die einzelnen Sektoren sollten nicht getrennt betrachtet und geregelt werden, sondern als zusammenhängende Teile eines einheitlichen Gesamtsystems.

Diese Position vertraten die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit Brigitte Ederer und der Geschäftsführer der Wiener Netze, Thomas Maderbacher, beim Energiepolitischen Hintergrundgespräch des Forums Versorgungssicherheit am Donnerstag, 3. Dezember 2020.

„Es wäre wünschenswert, wenn wir ein einheitliches Energiegesetz hätten“, sagte Maderbacher, „derzeit gibt es getrennte und zum Teil schlecht kompatible Gesetzesmaterien für Strom, Gas und Wärme, dazu kommen jetzt noch ein Energie-Effizienz-Gesetz und ein Gesetz zum Ausbau der Erneuerbaren Energie.“ Ein einziges einheitliches Gesetzeswerk wäre allerdings „gewiss schwierig“, so Maderbacher, weshalb die bestehenden Gesetze stärker aufeinander abgestimmt werden müssten.

Klare gesetzliche Vorgaben sind für die Betreibe der Energienetze deshalb wichtig, weil sie als kritische Infrastruktur vor großen Veränderungen stehen, betonte Brigitte Ederer: „Die Netze brechen gerade ins High-Tech-Zeitalter auf. Sie müssen in neue Technologien investieren, dafür brauchen sie aber ausreichend sichere rechtliche Grundlagen.“ Dass der Beschluss des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG) ins Jahr 2021 verschoben wurde, „hat deshalb auch sein Gutes“, meinte Ederer: „Es gibt da noch viel zu diskutieren, die verbleibenden Monate sollten für intensive Gespräche genutzt werden, um Widersprüche auszudiskutieren und Lücken zu schließen.“

Sektorkopplung stärker berücksichtigen

Vor allem berücksichtigt das EAG derzeit noch zu wenig die Voraussetzungen für Sektorkopplung und Sektorintegration, so Maderbacher. Auf technischer Ebene werden die Grenzen zwischen den Energie-Sektoren Strom, Gas und Wärme immer weiter aufgehoben, wie Maderbacher am Beispiel Wien illustrierte: Dort wird die Abwärme der Stromerzeugung als Fernwärme genutzt. Mobilität nutzt immer stärker Strom als Energieform – die Zahl der Stromtankstellen für private PKWs wächst. Mittels Elektrolyse wird aus Überschuss-Strom Wasserstoff für die Busflotte produziert. Dieses bildet die Grundlage für klimaneutrales Methangas, das wiederum als langfristiger Speicher von Energie dienen und bei Bedarf als Gas genutzt oder zur Stromerzeugung herangezogen werden kann. Durch flexible Verwendung und wechselseitige Umwandlung unterschiedlicher Energieformen wird ein klimanfreundliches und zugleich effizientes Energiesystem überhaupt erst möglich.

„Neunzig Prozent der Energiewende findet im Verteilernetz statt“, rechnete Maderbacher vor. Durch die Umstellung auf erneuerbare Energien wird das System vielfältig und dezentral. Anstelle einiger weniger großer Kraftwerke gibt es viele kleine und mittlere Anlagen, die vernetzt werden müssen. Zudem unterliegt die Produktion vor allem bei Windenergie und Photovoltaik natürlichen Schwankungen (Maderbacher: „Wind und Sonne lassen sich nicht nach Belieben ein- und ausschalten“). Die Netze müssen mit all diesen Herausforderungen fertig werden und trotzdem eine stabile Versorgung garantieren.

Die Netze rüsten technologisch auf

Wie sehr die Energienetze von reinen Leitungen zu High-Tech-Anlagen geworden sind, illustrierte Maderbacher an mehreren Beispielen. So musste in Wien heuer ein 380-kV-Erdkabel erneuert werden, das bei Bauarbeiten beschädigt worden war. Dafür wurde das Kabel an der Baustelle auf -250 Grad abgekühlt, damit der Schaden behoben werden konnte.

Die Temperatur-Isolation spielt bei Fernwärme und Fernkälte eine noch größere Rolle. Die Wiener Netze verwenden dafür seit kurzem ein neu entwickeltes Kunststoffrohr mit besonders hoher Dichte, das sich sehr einfach verlegen lässt.

Schon die Sammlung von Informationen über das Geschehen in den Stromnetzen erfordert hochentwickelte Technik. Maderbacher: „Früher wurde einmal im Jahr der Zähler abgelesen, man erhob eine Verbrauchszahl. Heute entstehen durch die Viertelstunden-Ablesung 36.000 Einzeldaten, die ausgewertet werden müssen, um sichere Prognosen für die Netzstabilität erstellen zu können.“ Auch für das Management der Beziehungen zwischen Marktteilnehmern sind aktuelle Daten wichtig. Intelligente Trafostationen wachen über den viefältigen und komplexen Austausch im Netz.

Um diese Aufgaben zu bewältigen, werden die Wiener Netze bis 2025 rund 1,5 Milliarden Euro in den Ausbau investieren. 346 Millionen Euro sind explizit für Projekte zum Klimaschutz vorgesehen. Damit tragen die Wiener Netze auch maßgeblich zur regionalen Wertschöpfung bei denn 86% aller angekauften Materialien und Dienstleistungen stammen von Unternehmen mit Sitz in Wien.

Die gewandelte Rolle der Energienetze erfordert auch höheren Know-how bei den Mitarbeitern. Die Wiener Netze investieren daher in die Aus- und Weiterbildung. Zum Beispiel konnten seit 2013 insgesamt 244 Lehrlinge ihre Ausbildung erfolgreich abschließen, 70 % davon mit Auszeichnung oder gutem Erfolg.

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