• 08.09.2020, 22:00:02
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  • OTS0218

TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: "Integration ist keine Einbahnstraße", von Wolfgang Sablatnig

Ausgabe vom Mittwoch, 9. September 2020

Utl.: Ausgabe vom Mittwoch, 9. September 2020 =

Innsbruck (OTS) - Die Zahlen des aktuellen Integrationsberichts
belegen, dass Österreich längst ein Einwanderungsland geworden ist.
Sie zeigen auch auf, wo die Probleme liegen. Die konkreten Antworten
bleibt Ministerin Raab aber schuldig.

Der Sager von Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) ist
knackig, nach dem Geschmack der türkisen Strategen: „Wir wollen kein
Chinatown oder Little Italy.“ Auf Wien gemünzt müsste sie den
Yppenplatz im bunten Ottakring meinen – oder sitzt sie dort selber
gern in einem der In-Lokale?
Raab unterstreicht mit dem Sager ihre Ablehnung von
Parallelgesellschaften. Und tatsächlich zeigt der
Integrationsbericht, den sie gestern präsentierte, Trends auf, die
Besorgnis erregend sind: Viele Zuwanderer – vor allem Asylwerber –
haben den Einstieg in den Arbeitsmarkt noch nicht geschafft. Vor
allem Frauen sind markant weniger erwerbstätig als im Durchschnitt
der Gesamtbevölkerung.
Das Bildungssystem hat es ebenfalls nicht geschafft, den Menschen
aus Zuwandererfamilien Chancengleichheit zu bieten. Zwei Drittel
scheitern mit 14 Jahren zumindest teilweise an den Bildungsstandards
in Lesen und Mathematik.
Jeder und jede Vierte in Österreich hat Migrationshintergrund. In
Wien ist es bald jeder Zweite. Es ist kein Zufall, dass die Parteien
im Wiener Wahlkampf Migration und Zuwanderung wieder ausgepackt
haben. Vor allem rechts der politischen Mitte – von der ÖVP bis hin
zur FPÖ und der neuen Strache-Liste – wollen die Parteien damit
punkten: keine Parallelgesellschaften, kein „Klein Istanbul“, kein
„Bagdad-Town“.
Es ist unabdingbar, den liberalen Rechtsstaat zu predigen. Stärkung
von Frauen: ja, aber konkret! Werte: unbedingt! Ehrenamtliches
Engagement und Vereine: natürlich! Bloß sind es aber vor allem
ländliche Regionen, in denen so der Kitt der Gesellschaft hergestellt
wird. Viele Zuwanderer leben aber in der Stadt. Wir dürfen auf die
Vorschläge des Expertenbeirats gespannt sein, der hier ansetzen soll.
Raab lässt aber eines vermissen: den Respekt und die Achtung vor
dem, was die Zuwanderer mitbringen. Da ist nicht die Unterordnung der
Frauen gemeint. Aber etwa die Sprache: Es ist ein großes Plus, wenn
jemand eine zweite Sprache kann, sei es türkisch, bosnisch oder
arabisch.
Integration ist keine Einbahnstraße, sie kann die
Aufnahmegesellschaft auch bereichern und fordert nicht nur die
Zuwanderer heraus.
Zur Beruhigung sei aber hinzugefügt: Manches, vor dem Raab warnt,
gibt es schon: „Klein Ankara“ etwa, an jedem Kebab-Stand, auch in
Tirol. Und die größte Gruppe der Zugewanderten sind noch immer die
Deutschen.

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