- 07.05.2019, 10:41:16
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Spitalsärzte-Umfrage: Hilferuf der Ärzteschaft in Wiens Spitälern
Mehr Arbeitszeit, weniger Personal in Spitälern – Weismüller: „Auch das Krankenhaus Nord wird nicht zur Entlastung beitragen“
Utl.: Mehr Arbeitszeit, weniger Personal in Spitälern – Weismüller:
„Auch das Krankenhaus Nord wird nicht zur Entlastung
beitragen“ =
Wien (OTS) - Wiens Spitäler sind in Gefahr. Diese Schlussfolgerung
bestätigt eine im April 2019 durchgeführte Umfrage unter allen Wiener
Spitalsärzten, um zu eruieren, wie prekär die Lage in den Wiener
Spitälern tatsächlich derzeit ist. Obwohl das
Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) seit mittlerweile vier
Jahren in Wien umgesetzt wird und seitdem die Einführung
entsprechender Begleitmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der
medizinischen Versorgung versprochen wurde, gibt es nach wie vor
große Probleme, welche die Arbeit der Ärztinnen und Ärzte massiv
erschweren und immer weniger Zeit für die Patienten erlauben. ****
Mit der Umfrage wollte die Ärztekammer erfahren, wie die
Ärzteschaft die aktuelle Situation in der Patientenversorgung
einschätzt, ob mittlerweile die gesetzliche Arbeitszeit eingehalten
wird und ob Zeit für die Ausbildung in den Wiener Spitälern überhaupt
noch vorhanden ist. Von der Ärztekammer beauftragt wurde die
unabhängige Beratungsfirma Pitters Trendexpert.
Insgesamt konnten 7102 Kolleginnen und Kollegen telefonisch bzw.
elektronisch und anonym in den Häusern des Wiener
Krankenanstaltenverbunds (KAV), im AKH und in den Wiener
Privatspitälern teilnehmen. Die Beteiligungsquote betrug 23 Prozent,
das entspricht 1612 Ärztinnen und Ärzten. Davon entfielen allein 58
Prozent auf den KAV, das sind fast 27 Prozent aller 3495 dort tätigen
Mitarbeiter.
Arbeitsverdichtung und Personalmangel steigen
Und hier die Ergebnisse: Für 86 Prozent der Wiener Spitalsärzte
hat sich die Arbeit in den letzten Jahren verdichtet, im KAV sehen
das bereits neun von zehn Ärztinnen und Ärzten so. Knapp 82 Prozent
im KAV empfinden, dass sie zu wenig Zeit für ihre Patienten haben,
nur knapp 5 Prozent haben ausreichend Zeit. Folgerichtig gaben etwa
85 Prozent der KAV-Ärzte an, dass es an ihrem Arbeitsplatz zu wenig
Personal gebe.
Für den Vizepräsidenten und Obmann der Kurie angestellte Ärzte der
Ärztekammer für Wien, Wolfgang Weismüller, haben sich damit „unsere
schlimmsten Befürchtungen bestätigt, der Trend geht ganz klar nach
unten. Es muss jetzt gehandelt und mehr Personal zur Verfügung
gestellt werden“.
Die negative Entwicklung sei deutlich aufgezeigt worden, man dürfe
daher „nicht zuwarten, bis es lückenlose 100 Prozent sind, die auf
Fehlentwicklungen hinweisen“.
„Auch das Krankenhaus Nord wird nicht zur Entlastung beitragen“,
erklärt Weismüller und führt weiter aus: „Die
Personalbedarfsberechnung der Generaldirektion des KAV ist
schlichtweg falsch, wichtige medizinische Fächer sowie die Zentrale
Notaufnahme werden in dem neuen Spital von Anfang an hoffnungslos
unterbesetzt sein.“ Der Ärztekammer liegen laut Weismüller
entsprechende – auch dem KAV bekannte – Berechnungen vor, „die
eindeutige Mängel in der Personalplanung des Krankenhauses Nord
aufweisen“.
Problem mit Nachtdiensten als „Dauerbrenner“
Etwa acht von zehn Ärztinnen und Ärzten (81 Prozent) gaben an,
Nachtdienste zu leisten. Brisant wird es, wenn danach gefragt wird,
ob man diese Nachtdienste auch rechtzeitig verlassen kann: Nur knapp
mehr als ein Drittel (37 Prozent) der Ärzteschaft kann demnach ihre
Nachtdienste immer zeitgerecht verlassen.
Das Ergebnis unterscheidet sich kaum nach Alter, Geschlecht und
Arbeitgeber – es betrifft also den KAV und die anderen Spitäler
gleichermaßen. Fast alle derjenigen, die länger nach Nachtdiensten
bleiben müssen (96 Prozent), tun dies einmal pro Monat oder öfter, 57
Prozent sogar mindestens einmal pro Woche. Großteils fallen dabei
zwischen einer Stunde und drei Stunden mehr Zeitaufwand an. Die drei
Hauptgründe dafür sind Dienstübergaben (62 Prozent), administrative
Tätigkeiten (50 Prozent) sowie die Patientenversorgung (40 Prozent,
Mehrfachnennungen möglich).
„Die Situation hat sich seit unserer letzten Erhebung 2018
deutlich verschlechtert“, kommentiert Weismüller und erklärt:
„Letztes Jahr gaben die Kolleginnen und Kollegen noch an, einmal pro
Monat länger bleiben zu müssen. Jetzt passiert das beim Großteil
schon jede Woche. Wenn die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen durch
unnötige Bürokratie von ihrem Arbeitgeber länger als erlaubt
zwangsbeschäftigt wird, dann ist das nicht nur organisatorisch ein
Desaster, sondern schlicht und einfach auch illegal.“
Schlechtes Zeugnis für Ausstattung
Unzufrieden zeigen sich auch viele Ärztinnen und Ärzte mit der
Infrastruktur in den Wiener Spitälern. 41 Prozent sind demnach nicht
zufrieden mit der baulichen Ausstattung. Mit der IT-Ausstattung am
Arbeitsplatz sind sogar 53 Prozent, also mehr als die Hälfte,
unzufrieden.
Bestätigt fühlt sich die Ärztekammer auch in ihrer Forderung zur
Einrichtung von Zentralen Notaufnahmen (ZNA) in allen Wiener
Gemeindespitälern. Weismüller: „Dort, wo die ZNA bereits da sind,
funktioniert die Erstversorgung relativ gut, die Kolleginnen und
Kollegen zeigen sich zufriedener.“ ZNA gibt es derzeit nur im AKH
sowie im Bereich des KAV im Krankenhaus Hietzing und im
Wilhelminenspital.
„Das Ergebnis ist auch hier eindeutig: Die Infrastruktur der in
die Jahre gekommenen Spitäler muss jetzt erneuert werden“, sagt
Weismüller und erneuert seine Forderung nach einer
Infrastrukturmilliarde für die Wiener Spitäler, „denn auch hier wird
das neue Krankenhaus Nord allein nicht ausreichen, um aktuell eine
moderne medizinische Infrastruktur in ganz Wien argumentieren zu
können“. (ast)
(Forts.)
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