- 16.11.2017, 12:45:51
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Pflegestudie: Bedarf an Pflegegeld und Pflegedienstleistungen steigt bis 2025 stark und bis 2050 enorm
Pflegepotenzial in der Familie sinkt – Singlehaushalte bei Älteren steigen - Ausbau der stationären Pflege unumgänglich
Utl.: Pflegepotenzial in der Familie sinkt – Singlehaushalte bei
Älteren steigen - Ausbau der stationären Pflege unumgänglich =
Wien (OTS/SK) - Die Volkswirtin Ulrike Famira-Mühlberger (WIFO)
erläuterte gestern Abend bei der Veranstaltung „Entwicklung der
Pflegevorsorge in Österreich“, moderiert von Michael Rosecker, dem
stv. Direktor des Karl-Renner-Instituts, ihre Forschungsergebnisse.
Vor allem im ländlichen Raum drohen aufgrund der demografischen
Entwicklung drastische Engpässe bei der Pflege zuhause, der
sogenannten informellen Pflege. „Es wird mehr Personen zu pflegen
geben aber weniger Personen, die pflegen können, da das
Pflegepotenzial in der Familie sinkt“, betonte Famira-Mühlberger. Was
die Kostenentwicklung betrifft, sagt Famira-Mühlberger, dass man auf
Basis der Preise von 2015 folgendes berechnet habe: „Beim Pflegegeld
haben wir Steigerungsraten zwischen 2015 und 2025 von 12 Prozent und
zwischen 2025 und 2050 von 67 Prozent.“ Bei den
Pflegedienstleistungen, also bei jenen Kosten, die von Ländern und
Gemeinden getragen werden, „rechnen wir mit Steigerungsraten von 48
Prozent bis 2025 und zwischen 2025 und 2050 von 360 Prozent“,
erklärte Famira-Mühlberger. ****
Grundsätzlich sei eine deutliche Zunahme der Hochaltrigkeit
festzustellen, wobei es ein starkes Ost-West-Gefälle gibt. Die
stärksten Anstiege sind in Vorarlberg, Salzburg, Tirol zu
verzeichnen. Geringste Steigerungsraten seien in Wien, Burgenland,
Steiermark zu verzeichnen. „Das hängt mit den Migrationsströmen in
die Städte zusammen, die das Durchschnittsalter senken, aber auch mit
der Bevölkerungsstruktur. So gibt es in Vorarlberg etwa eine
deutliche Zunahme der Hochaltrigkeit“, sagte Famira-Mühlberger.
Zu bedenken sei, dass es einen „richtig rapiden Anstieg“ aufgrund der
Pflegebedürftigkeit der in den 60er Jahren geborenen
„Baby-Boomer“-Generation geben wird. Das werde 2035-2050 soweit sein.
„Da stellt sich die Frage der Finanzierung beziehungsweise der
Vorbereitung auf diese Zeit“, sagte Famira-Mühlberger.
Im internationalen Vergleich gesehen ist Österreich bei den
Gesamtausgaben im Mittelfeld der europäischen OECD-Länder. In
Österreich gibt es eine hohe Verbreitung der Pflege zuhause. Auch ist
der Versorgungsgrad mit professionellen Pflegediensten
unterdurchschnittlich, sowohl was den mobilen als auch den
stationären Bereich betrifft. „Ein höheres Gewicht wird in Österreich
auf Geldleistungen statt Sachleistungen gelegt. In anderen Staaten
gibt es einen größeren Ausgabenanteil für stationäre Pflege“, so
Famira-Mühlberger. „Angesichts der Daten wird in Österreich auch beim
politischen Ansatz ‚mobil vor stationär‘ ein Ausbau der stationären
Pflege unumgänglich sein.“ Das hänge damit zusammen, dass ca. 50
Prozent der Männer und 2 von 3 Frauen der „Baby-Boomer“-Generation
mindestens 85 Jahre alt werden.
Auch müsse man die Pflegeberufe attraktivieren und die
Organisationsstrukturen in diesem Bereich verbessern, um einem
bevorstehenden Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken.
Kosteneinsparungen bei der mobilen Betreuung im Vergleich zur
stationären sind für Famira-Mühlberger „eher marginal“ im Vergleich
zu den Kosten durch den demografischen Anstieg. Für besonders wichtig
hält die Studienautorin den Ausbau alternativer und teilstationärer
Betreuungsformen und eine Harmonisierung der Leistungsstandards der
Bundesländer. „Die föderalen Strukturen können hier Ineffizienzen
begünstigen“, sagte Famira-Mühlberger. Auch führen die intransparente
Datenlage und die mangelnde Vergleichbarkeit zu einem erschwerten
Lernprozess durch Best-Practice-Beispiele.
Die Forscherin würde sich „ein Gesamtpaket der künftigen
Finanzierungsmöglichkeiten“ wünschen und warnt vor der Diskussion und
Umsetzung von Einzelmaßnahmen als „nicht zielführend“. Notwendig sei
eine langfristige Strategie „jenseits kurzfristiger
Gegenfinanzierungsmaßnahmen“. Die Abschaffung des Pflegeregresses sei
„eine richtige Maßnahme, für die wir uns immer ausgesprochen haben“,
die fehlende Gegenfinanzierung wurde aber bemängelt. Diese und
generell die Ausgaben für die Pflege sollten eingebettet sein in
„eine breite Diskussion über die Gestaltung des österreichischen
Abgabensystems“.
Famira-Mühlberger erklärte auch, dass der Sektor der Pflegedienste
bei Ausgaben von 3,4 Mrd. Euro eine Wertschöpfung von 5,9 Mrd. Euro
aufweise und dass man bei direkten, indirekten und induzierten
Effekten von 115.000 Beschäftigten ausgehen könne. Allerdings betonte
die Forscherin auch, dass Effekte alternativer Mittelverwendung
hierbei unberücksichtigt bleiben müssen. „Die Daten zeigen nicht,
dass die Wertschöpfung in Österreich um 5,9 Mrd. geringer wäre, wenn
es die Mittelverwendung für die Pflege nicht gäbe. Weil natürlich
sonst die Mittel für etwas anderes verwendet würden. Es handelt sich
also um mit der Pflege verbundene Effekte und nicht mit der Pflege
erzeugte Effekte“, legte Famira-Mühlberger dar. (Schluss) up/sc
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