• 17.05.2017, 15:34:02
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Regierungsumbildung: Kern stellt Abgeordneten neues Team vor

Neuer Vizekanzler Wolfgang Brandstetter sieht sich als "Brückenbauer"

Utl.: Neuer Vizekanzler Wolfgang Brandstetter sieht sich als
"Brückenbauer" =

Wien (PK) - Nur einen Tag nach seiner Erklärung zur Situation in der
Bundesregierung hat Bundeskanzler Christian Kern dem Nationalrat das
neue Regierungsteam vorgestellt. Nicht der neue ÖVP-Chef Sebastian
Kurz, sondern Justizminister Wolfgang Brandstetter hat die Funktion
des Vizekanzlers übernommen. Als neuen Wirtschafts- und
Wissenschaftsminister hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen
heute Morgen den bisherigen Staatssekretär Harald Mahrer angelobt.
Brandstetter sieht sich, wie er in der Plenardebatte sagte, als
"Brückenbauer" und hofft in diesem Sinn, dass die Regierungsparteien
bis zu den Wahlen noch etliche Reformvorhaben umsetzen können. Auch
Kern geht von einer guten Zusammenarbeit mit Brandstetter aus.
Wichtig sei ihm, dass Verantwortung im Vordergrund steht und nicht
Taktik.

Auslöser für die Regierungsumbildung war der Rücktritt von Reinhold
Mitterlehner, dem nicht nur Nationalratspräsidentin Doris Bures für
seine langjährige Tätigkeit im Dienste der Republik dankte. Auch von
Seiten der Abgeordneten gab es wiederholt Lob. Mitterlehner sei
jemand gewesen, mit dem man sachpolitische Lösungen erarbeiten
konnte, sagte etwa SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter. Auch
die Umweltsprecherin der Grünen Christiane Brunner hob dessen
Sacharbeit - trotz etlicher inhaltlicher Differenzen - als
vorbildhaft hervor. Die Debatte musste nach den Erklärungen von Kern
und Brandstetter kurz unterbrochen werden, weil der neue
Wirtschaftsminister im Stau stecken geblieben war, was für einige
spöttische Kommentare sorgte.

In den Mittelpunkt ihrer Wortmeldungen stellten die Abgeordneten die
aus ihrer Sicht wichtigsten offenen Reformvorhaben. Von Seiten der
Opposition gab es allerdings auch viel Kritik an der Regierung.
Besonders unter Beschuss war neuerlich ÖVP-Chef Kurz, auch SPÖ-
Abgeordneter Josef Cap hinterfragte dessen Vorgehensweise.

Kern: Regierung wird für geordneten Übergang bis zu Wahlen sorgen

Die Erklärung von Bundeskanzler Kern fiel mit Verweis auf die
gestrige Debatte kurz aus. Er betonte, dass ein geordneter Übergang
bis zu den Wahlen im Zentrum der Regierungsarbeit der nächsten
Monaten stehe. Die Regierung werde ihre internationalen
Verpflichtungen wahrnehmen und das Tagesgeschäft ordentlich
abwickeln, versicherte er.

Bei Brandstetter bedankte sich Kern ausdrücklich, dass dieser das Amt
des Vizekanzlers übernommen habe. Er ist überzeugt, dass es in den
verbleibenden Monaten eine gute Zusammenarbeit geben wird. Wichtig
sei ihm, dass Verantwortung im Vordergrund stehe und nicht Taktik.

Brandstetter selbst sieht sich als "Brückenbauer" und hofft in diesem
Sinn einen Beitrag zur noch offenen Reformarbeit leisten zu können.
Er habe immer das Gemeinsame vor das Trennende gestellt, diesen
Grundsatz wolle er auch als Vizekanzler beibehalten. Es sei
ungewöhnlich, dass gerade er als Vizekanzler angelobt wurde, räumte
Brandstetter ein, er freue sich aber auf seine schwierige und
verantwortungsvolle Aufgabe und wolle sich bei Kurz für das ihm
entgegengebrachte Vertrauen bedanken.

Er könne nur mit voller Rückendeckung beider Regierungsparteien
agieren, hob Brandstetter hervor, wobei er zuversichtlich ist, dass
sich beide Seiten der Sachlichkeit verpflichtet fühlen. Brandstetter
will sich vor allem auf jene offenen Projekte konzentrieren, die in
der kurzen Zeit bis zu den Wahlen noch machbar sind. Offenbar hat er
allerdings noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten, seine
Bemerkung, dass die Zeit des Taktierens vorbei sei, sorgte für
heitere Reaktionen in den Bänken der Abgeordneten.

Ausdrücklich gutgeheißen wurden von Brandstetter die erweiterten
Machtbefugnisse für ÖVP-Chef Kurz. Er vertraue darauf, dass der
unkonventionelle Weg, den Kurz gehe, der Weg des Aufbrechens alter
überkommener parteipolitischer Strukturen, der Weg der Öffnung, der
richtige Weg sei, sogar der einzig richtige, sagte er.

FPÖ: Brandstetter ist Masseverwalter der Regierung

Skeptisch reagierte die Opposition auf die Stellungnahmen der
Regierungsspitze. Brandstetter sei eine respektable Persönlichkeit,
erklärte FPÖ-Abgeordneter Walter Rosenkranz, er frage sich aber, ob
dieser es wirklich notwendig habe, den "Masseverwalter der rot-
schwarzen Bundesregierung" zu spielen. Rosenkranz glaubt nicht, dass
es vor den Wahlen noch zu größeren Reformen kommen wird, vielmehr
würden Stillstand und Lähmung prolongiert. Die Regierung mache
ohnehin nur Theater, ist er überzeugt, es gehe lediglich darum, ob
die nächste Bundesregierung rot-schwarz oder schwarz-rot heiße.

Ähnlich argumentierten auch seine FratkionskollegInnen Dagmar
Belakowitsch-Jenewein und Axel Kassegger. Kurz und Kern würden eine
ganz große Show abziehen, nach den Wahlen werde es aber weitergehen
wie bisher, hielt Belakowitsch-Jenewein fest. Das Spiel sei
durchsichtig und durchschaubar.

Dabei gibt es nach Meinung der beiden FPÖ-Abgeordneten genug Probleme
zu lösen. Unter anderem nannten sie die hohe Arbeitslosigkeit, leere
Kassen, Probleme im Bereich der Sicherheit und der Zuwanderung,
Rekordschulden, ein erstarrtes System und überbordende Bürokratie.
Österreich habe seine Wettbewerbsfähigkeit verloren, klagte
Kassegger. Nur die FPÖ könne frischen Wind in die Politik bringen und
verkrustete Strukturen aufbrechen.

Grüne wollen Regierungsbeteiligung der FPÖ verhindern

Grünen-Chefin Eva Glawischnig glaubt, dass die wichtigste Rolle von
Brandstetter sein wird, Mediator zwischen Kurz und Kern zu sein. Dass
es durch das angekündigte Spiel der freien Kräfte im Parlament zu
wirklichen Reformen kommen wird, bezweifelt sie. Schließlich habe die
SPÖ gestern entgegen ihrer Überzeugung den Fristsetzungsantrag der
Grünen zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare
niedergestimmt. Offenbar sei man nicht einmal bereit, die Tür für
Diskussionen aufzumachen.

Ziel der Grünen ist es Glawischnig zufolge, Österreich eine blaue
Regierungsbeteiligung zu ersparen, sei es rot-blau oder schwarz-blau.
Noch immer sei man damit beschäftigt, die seinerzeit von der FPÖ
angerichteten Schäden aufzuarbeiten. Als wichtige Reformthemen
nannten Glawischnig und ihre Parteikolleginnen Ruperta Lichtenecker
und Christiane Brunner unter anderem den Klimaschutz, die
Energiepolitik und eine Modernisierung des Steuersystems. Die
Regierung sei säumig bei der Klima- und Energiepolitik, erklärte
Brunner und appellierte an die Koalitionsparteien, in Bezug auf die
notwendige Änderung des Ökostromgesetzes an den Verhandlungstisch
zurückzukehren. Lichtenecker hält zudem mehr Unterstützung für klein-
und mittelständische Unternehmen sowie für Ein-Personen-Unternehmen
für erforderlich.

NEOS: Kurz geht es nur um "ich, ich, ich"

Er habe noch nie eine so kraftlose Debatte anlässlich des Antritts
neuer Regierungsmitglieder erlebt, kommentierte NEOS-Chef Matthias
Strolz die Erklärungen der Regierungsspitze. Auch generell sieht er
eine Reihe von Widersprüchlichkeiten. Mit den Inszenierungen von ÖVP-
Chef Kurz und Kanzler Kern stimme etwas nicht. Es sei nicht okay,
dass Kurz alle Macht in seiner Partei wolle, aber nicht bereit sei,
Verantwortung zu übernehmen und sich auch weigere, sich der
inhaltlichen Diskussion zu stellen. Gehe es um Österreich oder gehe
es um "ich, ich, ich", gehe es um Arbeiten für die Bevölkerung oder
um Taktieren, fragte er.

Erste Nagelprobe für Kurz wird nach Meinung von Strolz die Reform der
Gewerbeordnung sein. An die Bevölkerung appellierte er: "Schauen Sie
genau hin und glauben sie diesen Inszenierungen nicht." Sein
Parteikollege Nikolaus Scherak kritisierte vor allem die Einmischung
der Regierung in parlamentarische Prozesse, er fühlt sich durch so
manche Aussagen von der Regierungsbank verhöhnt.

NEOS-Abgeordneter Josef Schellhorn nutzte die Debatte, um auf eine
liberale Wirtschaftspolitik zu drängen. Es brauche ein
Entlastungsprogramm für Unternehmen, eine Senkung der Steuerquote
unter 40%, einen effizienteren Einsatz von Steuergeld, eine
"Bürokratiebremse" und einen Energie-Masterplan. Zudem hält es
Schellhorn im Sinne der Notwendigkeit neuer Arbeitswelten für
unabdingbar, von der Sozialpartnerschaft wegzukommen. Ein klares
Bekenntnis legte er auch zu einem echten, freien Handel ab.

Team Stronach: ÖVP geht es ausschließlich um Kanzleramt

Seitens des Team Stronach äußerte Robert Lugar die Vermutung, dass
die von der ÖVP forcierten Neuwahlen nur einen einzigen Zweck haben,
nämlich "den Kanzler wieder heim ins ÖVP-Reich zu holen". Die von
Kurz propagierte Schließung der Grenzen ist für ihn reiner
"Etikettenschwindel", in Wahrheit sei die ÖVP dafür, Zuwanderung zu
fördern. Es gehe um Umsetzung "und nicht um Bla-bla", mahnte er
konkrete Taten ein. Lugar appellierte zudem an Kurz, sein Programm
auf den Tisch zu legen, damit die ÖsterreicherInnen bei den Wahlen
nicht "die Katze im Sack" kaufen. Sein Parteikollege Leopold
Steinbichler sprach sich dafür aus, sich stärker der Sorgen, Ängste
und Nöte der Bevölkerung anzunehmen.

Die Bestellung von Justizminister Brandstetter zum Vizekanzler wurde
von Christoph Hagen (T) ausdrücklich begrüßt. Er hofft, dass dieser
"etwas Ruhe in den zerstrittenen Flohhaufen hineinbringen wird".
Schließlich sei Brandstetter der ruhende Pol in der Regierung. Hagen
hofft, dass es tatsächlich gelingt, noch einige wichtige
Reformvorhaben vor den Wahlen umzusetzen.

Eine klare Positionierung der Regierung, was die Zukunft der EU
betrifft, erwartet sich der fraktionslose Abgeordnete Marcus Franz.
Eine gemeinsame Sozial- und Fiskalunion ist für ihn jedenfalls der
falsche Weg, es brauche keinen "unsäglichen Superstaat". Franz
forderte überdies Maßnahmen gegen Massenzuwanderung und wandte sich
vehement gegen Frauenquoten. "Bitte lassen wir diesen Unsinn." Der
Feststellung, dass es für Frauenquoten kein einziges valides Argument
gibt, widersprach SPÖ-Abgeordnete Elisabeth Grossmann allerdings mit
Hinweis auf Studienergebnisse heftig.

SPÖ fordert inhaltliche Positionierung von Kurz

Mit Kritik an Kurz hielt auch SPÖ-Abgeordneter Josef Cap (S) nicht
hinterm Berg. Ihn würde interessieren, warum Mitterlehner gehen und
stattdessen Sebastian Kurz kommen musste, meinte er. Was hätte Kurz
im Jänner anderes mit Kern vereinbart als Mitterlehner, was werde
jetzt besser für die ÖsterreicherInnen? Es gebe keine Antworten von
Kurz auf inhaltliche Fragen, die Antwort laute stets nur "ich". Cap
vermisst außerdem eine Diskussion über die Rolle Sobotkas in der
Regierung, dieser sei einfach kein Teamspieler.

Die Frage werde bleiben, warum Kurz zwar Kanzler werden will, aber
sich weigere, Verantwortung als Vizekanzler zu übernehmen, äußerte
sich auch Christoph Matznetter (S) kritisch. Er selbst hält die
Regierungspolitik für durchaus erfolgreich. Das zeige sich nicht
zuletzt am beginnenden Wirtschaftsaufschwung. Als wichtige
Reformanliegen der SPÖ nannte Klubobmann Andreas Schieder unter
anderem die Anhebung der Studienförderung, den Ausbau der Forschung
und eine Frauenquote in Kapitalunternehmen. Seine Klubkollegin Andrea
Kuntzl hob auch die Notwendigkeit der Bildungsreform hervor.

ÖVP: Im Sinne der Unternehmen konstruktiv weiterarbeiten

Zufrieden mit der Regierungsumbildung zeigte sich die ÖVP. Beatrix
Karl ist überzeugt, dass Justizminister Brandstetter die in ihn
gesetzten Erwartungen erfüllen wird. Dieser sei, wie Kurz treffend
festgehalten habe, parteiunabhängig und ein konstruktiver
Sacharbeiter. Vielleicht gelinge es ihm als Vizekanzler, mehr Ruhe in
die Koalition zu bringen.

Sowohl Peter Haubner als auch Brigitte Jank sehen jedenfalls durchaus
Erfolge der bisherigen Regierungspolitik. So wies Haubner etwa darauf
hin, dass Österreich Deutschland zuletzt beim Wachstum überholt habe,
die Beschäftigung steige und die Arbeitslosigkeit sinke. Man müsse im
Sinn der österreichischen Unternehmen aber konstruktiv
weiterarbeiten. Wenn es eine stabile Konstante gebe, seien es die
Unternehmen, sagte er. Konkret forderten Haubner und Jank unter
anderem die Erhöhung der Forschungsprämie, die Abschaffung der kalten
Progression und die Abschaffung des Kumulationsprinzips bei
Verwaltungsstrafen. Das Thema Arbeitszeitflexibilisierung und
Mindestlohn soll nach Meinung von Haubner bei den Sozialpartnern
bleiben.

Kritik an der Wortmeldung von SPÖ-Abgeordnetem Cap äußerten sowohl
Jank als auch Karlheinz Töchterle. Offenbar sei nicht nur die
Opposition nervös, sondern auch die SPÖ, meinte Jank und rief zu mehr
Gelassenheit auf.

Abgeordnete einig: Universitäten brauchen finanzielle Sicherheit

Sowohl von Seiten der Opposition als auch von Seiten der Koalition
immer wieder angesprochen wurden die Pläne der Regierung zur neuen
Universitätsfinanzierung. So gab Karlheinz Töchterle (V) zu bedenken,
dass wieder drei Jahre verloren gehen, sollte es nicht gelingen, noch
heuer zu einer Einigung zu kommen. Bei der angestrebten
Studienplatzfinanzierung gehe es nicht darum, Studierende vom Studium
auszusperren, versicherte Töchterle, sondern um eine bessere
Betreuungsqualität.

Auf eine Studienplatzfinanzierung ohne die Zahl der Studierenden zu
reduzieren, drängte Andrea Kuntzl (S). Zudem ist ihr die Ausweitung
der Studienbeihilfe ein wichtiges Anliegen.

Namens der Grünen gab Sigrid Maurer zu bedenken, dass sowohl die
Universitäten als auch der Forschungsförderungsfonds FWF finanziell
"in der Luft hängen". Schließlich gebe es noch keinen neuen
Bundesfinanzrahmen und werde es aufgrund der Neuwahlen auch bis zum
Jahresende wohl nicht geben. Damit bleibe unsicher, ob die
Universitäten die von Reinhold Mitterlehner bereits zugesagten
zusätzlichen 1,35 Mrd. € bekommen. Generell wies Maurer darauf hin,
dass Mahrer bereits der sechste Minister während ihrer
hochschulpolitischen Tätigkeit sei.

Die rechtzeitige Aufstellung eines Budgets für die
Leistungsvereinbarung mit den Universitäten für die Periode 2019 bis
2021 forderte auch Andreas Karlsböck (F).

Mahrer: Offene Punkte ohne Streit abarbeiten

Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Harald Mahrer ist
zuversichtlich, dass man bis zu den Wahlen offene Projekte ohne
Streit abarbeiten kann. Seiner Meinung nach sind alle Beteiligten
aufgerufen, Emotionen so weit wie möglich herauszuhalten.

Ansonsten wurden in der Plenardebatte zur Regierungsumbildung eine
Vielzahl verschiedenste Detailthemen angeschnitten, angefangen von
Strafverfahren gegen einzelne AsylwerberInnen über die Situation in
Pflegeheimen bis hin zu antisemitischen Postings in einer Facebook-
Gruppe der ÖVP-nahen AktionsGemeinschaft. Letztgenanntes Thema sprach
unter anderem Karl Öllinger (G) an. Er wies darauf hin, dass viele
Beteiligte auch Mitglieder der Jungen ÖVP sind. (Fortsetzung
Nationalrat) gs

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