Verzerrte Darstellung einer Gefahrenanalyse der Polizei auf „wochenblick.at“
Wien (OTS) - Der Senat 1 beschäftigte sich in seiner letzten Sitzung mit dem Artikel „Aktuelle Ausgabe: Alarmstufe Linz“, erschienen am 20.10.2016 auf „wochenblick.at“ und stellte einen Verstoß gegen Punkt 2 (Genauigkeit) des Ehrenkodex für die österreichische Presse fest.
Im Artikel wird davon berichtet, dass eine linke Demonstration gegen den „rechten Kongress ‚Europäisches Forum Linz‘“ für Randale missbraucht werden könnte, dass die Polizei sogar vor „einer Gewalttat durch geistig abnorme Rechtsbrecher“ warne und dass die Mainstream-Medien dennoch über die Warnung der Sicherheitsbehörden schweigen würden. Es gebe eine Gefahrenanalyse der Polizei, wonach aufgrund zurückliegender Erfahrungswerte auch Angriffe auf die Exekutive befürchtet würden. Brisant sei auch der Satz (der Polizei): „Die Möglichkeit einer Gewalttat durch religiös, politisch, ethnisch oder anderweitig fanatisierte Einzelaktivisten oder durch geistig abnorme Rechtsbrecher kann grundsätzlich nicht völlig ausgeschlossen werden und stellt ein nicht quantifizierbares Risikopotential dar.“
Ein Leser kritisiert den Artikel als Angstmache. Es gebe keine Meldung der Polizei, dass es zu Ausschreitungen kommen könnte.
Zunächst hält der Senat fest, dass für den Artikel offenbar Teile der Gefährdungseinschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) vom 28.09.2016 verwendet wurden. Nach Meinung des Senats wurde diese Gefährdungseinschätzung in Hinblick auf die konkret geschilderten Befürchtungen so verzerrt widergegeben, dass für die Leserinnen und Leser ein unzutreffendes Bild entstanden ist.
Der Senat war daher der Ansicht, dass der Artikel gegen Punkt 2 des Ehrenkodex (gewissenhafte und korrekte Wiedergabe von Nachrichten) verstößt. Die betroffene Medieninhaberin wurde aufgefordert, die Entscheidung freiwillig auf „wochenblick.at“ zu veröffentlichen.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall führte der Senat 1 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob die Artikel den Grundsätzen der Medienethik entsprechen. Die Medieninhaberin von „www.wochenblick.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberin der Wochenzeitung „Wochenblick“ hat sich der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht unterworfen.
Rückfragen & Kontakt:
Tessa Prager, Sprecher des Senats 1, Tel.: 01/21312-1169