Wirtschaftspolitische Gespräche: Entwicklung der Produktivität ist Fragezeichen in Europa
Feld: Hervorragende Entwicklung am deutschen Arbeitsmarkt, aber negative Produktivitätsentwicklung – Filzmaier: Relevanz von Investitionen bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern hoch
Wien (OTS) - „Wir haben es in Deutschland mit einer Fortsetzung des Aufschwungs zu tun. Deutschland ist in einer Überauslastung, die Beschäftigungsentwicklung in den vergangenen 12 Jahren seit den Arbeitsmarktreformen ist positiv“, so Lars Feld, Mitglied des Sachverständigenrats in Deutschland und heute, Dienstag, zu Gast in der WKÖ im Rahmen der Wirtschaftspolitischen Gespräche, die in Kooperation mit dem IHS veranstaltet werden. Trotzdem zeige sich ein „Produktivitätsparadoxon“, nämlich eine seit Mitte der 2000er Jahre international schwache Entwicklung der Arbeitsproduktivität, die auch in der Deutschland messbar sei. So sank die reale Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigenstunde von 1,9 im Zeitraum 1995-2005 auf 0,8 für 2005-2014. Während in Österreich die Vergleichswerte ähnlich sind (1,8 und 1,0) zeige sich, dass in Österreich der Rückgang im verarbeitenden Gewerbe nicht derart eklatant war wie in Deutschland.
Die Einführung des Niedriglohnsektors spielt hier eine entscheidende Rolle, denn dies hat zu einem Absinken der Produktivität in Deutschland geführt, insbesondere auch im Bereich der Unternehmensdienstleistungen“, so Feld, der auch darauf verwies, dass in Dienstleistungen insgesamt stärker reguliert sind als in Österreich. Hier gelte es, eine zu hohe Regulierung auf den Produkt-und Arbeitsmärkten zu vermeiden, wobei die Daten oft nicht eindeutig seien. Denn auch wenn die USA als Deregulierungsbeispiel herhalte, wisse man zu wenig über die faktische Ausgestaltung und etwa auch in Großbritannien bestünden deutlich mehr Regulierungshindernisse als angenommen.
Zu konstatieren sei auch, so der Experte, dass die Fertigungstiefe seit Ausbruch der Krise nicht mehr abnehme und Betriebe dazu übergingen, Outsourcing-Prozesse zu hinterfragen, sodass ausgelagerte Standorte wieder nach Deutschland gebracht werden. Hier gelte es wirtschaftspolitisch anzusetzen, Globalisierung viel offensiver anzunehmen und auch offener gegenüber Freihandelsabkommen zu sein. Generell komme Forschung und Entwicklung und dem Gesamtbereich der IKT eine besondere Rolle zu. Während in den USA die Marktkapitalisierung von Unternehmen in der IKT Branche an die 5 Bill. Euro beträgt, liegt dieser Wert in Deutschland bei rund 350 Mrd. Euro. „Digitalisierung und die Vernetzung von Wertschöpfungsketten im verarbeitenden Gewerbe mit IKT wird weiter rasant zunehmen, im Gegensatz zum Bereich der Dienstleistungen wird das Gewerbe aber nicht derart stark unter Druck geraten“, so Feld.
Ebenfalls präsentiert wurde eine Studie des Instituts für Strategieanalysen durch Peter Filzmaier zum Thema „Wirtschaftsmotor Investitionen“ – durchgeführt unter Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Die Kernergebnisse: Bürokratie und Steuerbelastungen bremsen die heimischen Betriebe. 63 Prozent der Wirtschaftstreibenden halten das Klima hierzulande für eher bzw. sehr investitionsfeindlich (48 bzw. 15 Prozent). Der Begriff Investitionen ist für Wirtschaftstreibende wir Privatangestellte ein positiver Begriff, Investitionen haben für beide Gruppen eine Notwendigkeit (72 Prozent), sind wichtig und zukunftsträchtig. 90 Prozent der Angestellten meinen, dass Investitionen eine sehr gut überlegte Entscheidung sind. Rund ein Drittel der Wirtschaftstreibenden bezeichnen Investitionen als Chancen, 10 Prozent als Belastung. Chancen werden in der Modernisierung gesehen, in einer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit. Hohe Kosten werden als Belastungen identifiziert. 70 Prozent der Wirtschaftstreibenden meinen, dass es in Österreich zu wenige Anreize für Investitionen gibt. (PWK955/US)
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