- 15.11.2016, 09:54:28
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- OTS0042
PR-Ethik-Rat: OGH-Urteil leistet Lesertäuschung Vorschub und unterminiert die zentrale Korrektivrolle der Medien
Wien (OTS) - Das am 26.9.2016 gefällte und kürzlich publizierte
Urteil des Obersten Gerichtshofs zum Thema
Gefälligkeitsberichterstattung (Geschäftszahl 4Ob60/16a) wird vom
Österreichischen PR-Ethik-Rat aus mehreren Gründen als sehr kritisch
gesehen:
• Potenziell negative Wirkung auf Kommunikationsbranche: Das Urteil
öffnet Tür und Tor für Koppelungsgeschäfte und damit für die
Täuschung von LeserInnen. Es basiert auf der Annahme, dass für
redaktionelle „Gefälligkeitsartikel“ kein Entgelt bezahlt werde und
sie daher nicht zu kennzeichnen seien. Der PR-Ethik-Rat weiß aber aus
seiner mehr als achtjährigen Praxis, dass dies oft nicht der Fall
ist, d.h. dass oft sehr wohl Geld fließt, und zwar meist in Form von
intransparenten und damit schwer nachweisbaren Koppelungsgeschäften.
Der Oberste Gerichtshof urteilt hier schlicht realitätsfern.
• Vage Grundlage: Die Feststellung, dass LeserInnen heute keinen
Zweifel mehr hätten, dass redaktionelle Artikel subjektiv gefärbt
seien, ist zu hinterfragen: Es wird nicht offengelegt, woher diese
Aussage stammt und auf welchen Untersuchungen sie beruht. Somit hat
sie nach Ansicht des PR-Ethik-Rats den Status einer Behauptung, nicht
den einer gesicherten Grundlage, auf der ein Höchstgericht
entscheiden könnte.
• Legitimierung einer unethischen Praxis: Selbst wenn diese
Feststellung durch repräsentative Studien belegt werden würde, ist
der Rückschluss nicht zulässig, dass damit
Gefälligkeitsberichterstattung legitimiert ist. D.h. nur weil etwas
Praxis ist, bedeutet das nicht, dass es auch normativ richtig ist.
Die vom OGH festgestellte „persönliche Meinung“ der Artikelverfasser
wird mit gekaufter Berichterstattung verwechselt.
• Schwächung der Medien: Dieses Urteil unterminiert den Status von
Medien als kritischem Korrektiv einer demokratischen Gesellschaft –
und damit die Existenzberechtigung von Medien. Das Urteil hebelt die
Gatekeeper-Rolle des Journalismus aus und schwächt damit die Medien
und ihre journalistischen Grundprinzipien, die wir gerade angesichts
der Entwicklung in sozialen Medien mehr denn je brauchen.
• Content Marketing statt Journalismus: Immer mehr Auftraggeber
umgehen (kritische) Journalisten als Ansprechpartner und wenden sich
gleich an die Kooperations-Abteilung von Medien – das OGH-Urteil
birgt die Gefahr, diesen bedenklichen Trend noch mehr zu verstärken.
• Kein Dienst an der PR: Seriöse PR braucht unabhängigen Journalismus
als Gegenüber und keine intransparenten Koppelungsgeschäfte. Beide
Disziplinen – Journalismus und PR – werden nicht umsonst als
Glaubwürdigkeits-Gatekeeper bezeichnet: Journalisten nach außen und
PR-Leute nach innen, in die Unternehmen und Organisationen hinein.
• Kein Anspruch auf Transparenz mehr: In einer Demokratie sind
Transparenz und damit verbunden der Schutz von LeserInnen vor
manipulierten Informationen zentrale Werte – das OGH-Urteil stellt
nicht nur diesen Anspruch auf klar erkennbare, unabhängige
Informationen in Frage, sondern öffnet die Tür für ein freies und
sanktionsloses Verknüpfen von Redaktion und Werbung – dies ist mit
Sicherheit nicht im Sinne der LeserInnen.
Abschließendes Resümee von Gabriele Faber-Wiener, Expertin in
Unternehmensethik und Vorsitzende des PR-Ethik-Rats: „Es ist sehr
bedenklich, wenn ausgerechnet der OGH, der die Interessen Österreichs
im Mittelpunkt haben sollte, ein Urteil fällt, das die zentrale
Korrektivrolle der Medien unterminiert und damit demokratiepolitisch
bedenklich ist. Nach der bisherigen Judikatur wurde unbezahlte
Werbung in Gestalt redaktioneller Berichterstattung zutreffend als
unzulässige Täuschung des Publikums beurteilt. Das Abgehen von dieser
Judikaturlinie ist ein politisch falsches Statement und ein Schlag
ins Gesicht jeder Medienethik.“
Faber-Wiener weiter: „Gerade angesichts solcher Urteile ist die
Selbstkontrolle umso wichtiger – wir müssen bedenkliche Entwicklungen
aufzeigen, benennen und verhindern – und genau das tut der
PR-Ethik-Rat.“
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