Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 25. Juli 2016; Leitartikel von Peter Nindler: "Der große Goldrausch ist vorbei"
Innsbruck (OTS) - Der Kriterienkatalog für die Wasserkraftnutzung in Tirol wurde vielfach belächelt. Doch hätten sich einige Kraftwerks-entwickler daran gehalten, würde es jetzt kein böses Erwachen geben. Denn die Kleinwasserkraft plätschert im Minus.
Manchmal muss man die Gemeinden vor sich selbst schützen, und sei es mit Tabuzonen an Flüssen und Bächen. Obwohl am jüngsten Verordnungsentwurf der schwarz-grünen Landesregierung mit 108 Tabuzonen einige politische Deals haften, damit es im wahrsten Sinne des Wortes grünes Licht für die Erweiterung des Kraftwerks Sellrain/Silz gibt, sollte wahrlich nicht jeder Bach in Tirol verbaut werden. Der Goldrausch ist außerdem längst vorbei, weil die Strompreise im Keller sind und die Kleinwasserkraft deshalb zur Sparbüchse wird. Dennoch hatte man in der (jüngsten) Vergangenheit das Gefühl, dass trotz nachvollziehbarer Wasserkraftkriterien – auch für die Wirtschaftlichkeit – Gemeinden und Projektentwickler nicht auf die Wasser-Nuggets verzichten wollten. Viele hofften wahrscheinlich auf einen selbsterfüllenden Energierausch.
So darbt der 2011 beschlossene Kriterienkatalog für die Kleinwasserkraft dahin. So vielschichtig die Gewichtung von Naturschutz, Energiewirtschaft, Gewässerökologie, Raumplanung und Wasserwirtschaft auch sein mag, der damalige Energiereferent Toni Steixner wollte damit vorausschauend die Wassernutzung in geregelte Bahnen lenken. Was als Unterstützung für die Gemeinden gedacht war, damit sie sich nicht mit Übereifer in finanzielle Abenteuer stürzen, wurde vielfach jedoch nicht ernst genommen.
Starrsinnig wurde an den Planungen festgehalten, Kritik an den überbordenden Naturschutzrichtlinien geübt und politisch gegen die im Landhaus getrommelt. Dass sich bereits mehr als die Hälfte der Tiroler Fließgewässer durch (Klein-)Kraftwerke und Verbauungen in ihrem ökologischen Zustand verschlechtert haben, nahm man achselzuckend zur Kenntnis. Seit die Energiepreise im Keller sind, macht sich jedoch Ernüchterung unter den kommunalen Wasserkrafterzeugern breit. Die Investitionen in die Zukunft erweisen sich als massive Belastung für die Gegenwart.
Die umweltschonende Nutzung der Wasserkraft in Tirol ist ein wichtiges Kapital, doch vielleicht führt die aktuelle Strompreissituation zu einem Umdenken. Die
Tabuzonen sind notwendig, gleichzeitig sollte in Kooperationen und in die Erneuerung sowie die Modernisierung von Kleinwasserkraftwerken investiert werden, um eine bessere Energieleistung zu ermöglichen. Zu gewinnen gibt es derzeit ohnehin nichts. Aber zumindest bei bestehenden Anlagen macht es durchaus Sinn, ökologische Weichen für die Zukunft zu stellen. Weil es auch naturbelassene Bäche in Tirol benötigt.
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