Neues Volksblatt: "Spielregeln" (von Markus Ebert)

Utl.: Ausgabe vom 21. Juli 2016 =

Linz (OTS) - „Es stellt sich die Frage, warum sie auf die Straße
gegangen sind. Und: Haben Sie etwas falsch gemacht? Gehört es nicht
zu den Bürgerrechten in diesem Land, auf die Straße gehen zu können
und friedlich zu demonstrieren? Darf man das nicht?“
Das sagt der künftige Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft
in Österreich (IGGiÖ), Ibrahim Olgun, im Standard-Interview. Das
klingt, mit Verlaub gesagt, nicht nur reichlich wehleidig sondern
auch naiv — ob bewusst oder unbewusst, sei dahin gestellt. Denn
Tatsache ist, dass es unmittelbar im Zusammenhang mit den
Putschvorgängen in der Türkei in Wien sehr rasch zu
Spontan-Kundgebungen kam, die mehr waren als das bloße „auf die
Straße Gehen“ im Rahmen der Bürgerrechte.
Zu denken geben muss einerseits die politisch-religiöse Gemengelage
der Demonstrationen, anderseits stimmt nachdenklich, wie schnell es
gelingt, Tausende zu nächtlicher Stunde für einen Marsch durch Wien
zu mobilisieren. Jetzt ist es laut Olgun angeblich um Demokratie
gegangen, doch für welches Anliegen schickt der lange Arm von
Präsident Erdogan das nächste Mal die türkische Community auf die
hiesigen Straßen? Dass die Regierung ganz offensichtlich nicht
gewillt ist, diesem seltsamen Treiben untätig zuzuschauen, ist
insofern ein wichtiges Signal, als damit das Feld nicht den rechten
Hetzern überlassen wird. Unsere Spielregeln werden hier gemacht,
nicht in Ankara.

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