Presserat: „Österreich“ zeigt falsche Person als mutmaßlichen Verdächtigen
Wien (OTS) - Der Senat 2 des Presserats bewertete den Artikel "Hockey-Crack prügelt Polizisten ins Spital", erschienen auf Seite 12 der Tageszeitung "Österreich" vom 23.03.2015, und stellte einen Verstoß gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse fest. In dem Artikel wird behauptet, dass der Südtiroler Eishockeytormann "Roland F." in einer Arrestzelle einen Wiener Polizisten brutal zusammengeschlagen haben soll. Neben dem Artikel wird ein Foto von Roland F. gezeigt. Sein Gesicht ist zwar mit einem schwarzen Balken versehen, der Betroffene ist jedoch trotzdem - insbesondere wegen seiner markanten Gesichtszüge - für sein Umfeld erkennbar.
Die Leserinnen und Leser, die den Presserat eingeschaltet haben, behaupten, dass nicht Roland F. den Polizisten attackiert habe, sondern ein anderer Eishockeyspieler, der so wie Roland F. 22 Jahre alt sei und aus demselben Ort in Südtirol stamme.
Der Senat stellte fest, dass der mutmaßliche Täter in anderen Medien mit "M. G." abgekürzt wurde.
Eine Anfrage des Presserats beim Bundesministerium für Inneres hat ergeben, dass die Initialen des Verdächtigen tatsächlich "M.G." lauten und dass kein Tatzusammenhang zu einer Person "Roland. F." besteht.
"Roland. F." wurde in der Tageszeitung "Österreich" mit abgekürztem Nachnamen als Verdächtiger genannt und - wenn auch mit einem schwarzen Balken versehen - abgebildet, ohne dass er mit der Straftat irgendetwas zu tun hat. Zudem wurde sein Heimatort in Südtirol angeführt.
Darin erkennt der Senat zum einen eine Persönlichkeitsverletzung iSd. Punktes 5 des Ehrenkodex. Der Senat merkte auch noch an, dass es aufgrund der Angaben im Artikel verhältnismäßig einfach ist, Roland F. im Internet ausfindig zu machen.
Zum anderen liegt aber auch ein grober Verstoß gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex vor, wonach Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten oberste Verpflichtung von Journalistinnen und Journalisten sind. Aufgrund des gleichen Alters, der gleichen Herkunft und des Umstandes, Eishockeyspieler zu sein, hat der Verfasser des Artikels den unbeteiligten Roland F. fälschlicherweise für den von der Polizei festgenommenen Verdächtigen gehalten.
Ein Gegencheck der vermutlich im Internet recherchierten Informationen über Roland F. erfolgte nicht.
Der Senat fordert die Medieninhaberin der Tageszeitung "Österreich" auf, die vorliegende Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND MEHRERER MITTEILUNGEN VON LESERINNEN UND LESERN
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.
Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats aufgrund mehrerer Mitteilungen von Leserinnen und Lesern ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob ein Artikel oder ein journalistisches Verhalten den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der Tageszeitung "Österreich" hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.
Die Medieninhaberin der Tageszeitung "Österreich" hat sich der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht unterworfen.
Rückfragen & Kontakt:
Andreas Koller, Sprecher des Senats 2, Tel.: 01-53153-830