Die Regierung hat in Brüssel Regeln zugestimmt, die sie nun nicht einhalten will "ET 25.10.2014"
Utl.: Die Regierung hat in Brüssel Regeln zugestimmt, die sie nun
nicht einhalten will "ET 25.10.2014" =
Wien (OTS) - Wien stemmt sich gegen EU-Diktat: Diesen Eindruck wollen
offenbar der Bundeskanzler und der neue Finanzminister mit ihren
ersten Reaktionen auf die EU-Rüge hinsichtlich Österreichs Budgets
vermitteln. Die beiden hatten wohl Boulevardzeitungen und das
heimische Publikum im Blick, denn EU-Bashing ist populär.
Informiertere Bürger und die EU-Kommission dürfen sich hingegen
wundern: Denn Österreich war bei den Beschlüssen dabei, auf deren
Einhaltung die EU-Kommission nun pocht. Es waren die Staats- und
Regierungschefs, die bei der Einführung des Euro den Stabilitätspakt
aus der Taufe hoben, der klare Grenzen für das Budgetdefizit und die
öffentliche Verschuldung vorsah. Eine enge Koordinierung ihrer
Wirtschaftspolitik und eine Vergemeinschaftung ihrer Budgetpolitik
lehnten die Mitgliedsstaaten jedoch ab.
Als selbst Deutschland den Stabilitätspakt brach und spätestens ab
2010 allen klar wurde, dass die Schulden in einem Land alle anderen
in der Währungsunion auch betreffen, wurde 2011 wiederum von den
Staats- und Regierungschefs der Fiskalpakt beschlossen. Diese
Vereinbarung sieht noch strengere Budgetregeln vor und vor allem
automatische Sanktionen bei Nichteinhaltung. Demnach haben sich alle
Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, das strukturelle Defizit -
einmalige Effekte wie höhere Ausgaben für Arbeitslose dürfen dort
herausgerechnet werden - von Jahr zu Jahr um 0,5 Prozentpunkte zu
reduzieren. Für dieses wie nächstes Jahr geht die Regierung aber von
einem strukturellen Defizit von einem Prozent aus.
Wird hier provoziert, oder werden Vorgaben bewusst ignoriert? Werner
Faymann war bei den Entscheidungen in Brüssel dabei, hat zugestimmt
und regt sich nun darüber auf, dass die EU-Kommission Österreich und
vier andere Mitgliedsstaaten zu Recht auf eine Verletzung der Regeln
hinweist. Verträge sind einzuhalten.
Gleiches gilt auch für die Ermittlung des Schuldenstandes. Weil die
Kosten für die Kommunalkredit bisher nicht eingerechnet und die
Hypo-Abbaubank auf die lange Bank geschoben wurde, erhöhen diese
Ausgaben die Staatsschulden erst jetzt. Wegen der Kärntner Hypo
dürfte die heimische Schuldenquote zu Jahresende sogar auf rund 87
Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) klettern, womit man vom Wert
Frankreichs nicht mehr weit entfernt wäre. Offiziell weist man solche
Vergleiche empört zurück. Österreich hat sich in den vergangenen
Jahren durchgeschwindelt, wurde dabei von Brüssel erwischt - und nun
schimpft man in Wien auf die in Brüssel.
Dabei ist Österreich beim Schuldenstand inzwischen tatsächlich im
oberen Drittel der EU-Staaten angekommen. Nur neun von 28 Mitgliedern
wiesen im Vorjahr eine höhere Schuldenlast auf.
Nach dem ersten öffentlichen Poltern stellte der Finanzminister in
einem Brief an die Kommission Nachbesserungen in Aussicht. Eigentlich
müsste Hans Jörg Schelling verkünden: Wir müssen unseren Budgetkurs
ändern, also Sparen oder die Einnahmen erhöhen, weshalb sich eine
Steuerreform nicht ausgeht.
Notwendig wären Änderungen nicht nur beim Budgetkurs: beim Umgang mit
Zahlen; indem man in Wien dazu steht, was man in Brüssel beschließt
und den Bürgern ehrlich sagt, was geht und was nicht. Das ist aber
nicht populär.
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