- 11.08.2013, 18:14:40
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"DER STANDARD"-Kommentar: "Süßlich seichte Slogans" von Gerald John
Die SPÖ und die Pensionen: Der Kanzler traut sich nicht, Klartext zu reden - Ausgabe vom 12.8.2013
Utl.: Die SPÖ und die Pensionen: Der Kanzler traut sich nicht,
Klartext zu reden - Ausgabe vom 12.8.2013 =
Wien (OTS) - Der Titel klang verheißungsvoll programmatisch. Eine
"Rede an die ältere Generation" hatte Kanzler Werner Faymann für das
Wochenende ankündigen lassen. Das roch nach Visionen,
Grundsatzdebatten, großen Ideen - und nicht bloß nach Kaffee und
Kuchen, wie sie für hinterher versprochen wurden.
Dem Regierungschef bot der Auftritt in St. Pölten eine gute
Gelegenheit, sein Image als inhaltlicher Flachwurzler zu entkräften.
Statt die üblichen unverbindlichen Gelöbnisse aneinanderzureihen,
hätte Faymann einen Weg skizzieren können, wie die Nation eine enorme
Herausforderung bewältigen soll: die Sicherung gut dotierter
Pensionen trotz steigender Lebenserwartung und matter
Wirtschaftslage. Doch der SPÖ-Chef konnte nicht aus der Haut des
Wahlkämpfers heraus. Er hat die Chance verpasst.
Es geht nicht darum, in jene Panikmache einzustimmen, laut der das
Pensionssystem knapp vor dem Kollaps stehe und nur durch beinharte
Kürzungen zu retten sei - beides ist Unsinn. Natürlich stellt die
wachsende Gruppe der Alten eine immer größere Last für den
schrumpfenden Anteil der Erwerbstätigen dar, doch die Schieflage ist
laut der Prognosen der Pensionskommission keinesfalls so dramatisch,
als dass sie nicht einigermaßen ins Lot gebracht werden könnte. Dafür
muss allerdings etwas geschehen: Die Österreicher dürfen nicht mehr
so jung in Pension gehen, wie sie das im Schnitt bisher taten - sie
werden ja auch immer älter.
Nicht, dass die aktuelle Regierung dem Boom der Frührenten tatenlos
zugesehen hat. Mit einer Reihe sinnvoller Reformen versucht sie, den
Run in die Invaliditätspension und - spät, aber doch - auch in die
unsägliche Hacklerfrühpension zu bremsen. Doch neue Regeln auf dem
Papier sind nur die halbe Miete. Hehre Gebote wie Rehabilitation
statt Ruhestand für angeschlagene Arbeitnehmer greifen nur dann, wenn
die Akteure sie auch leben wollen, statt wieder nach Schlupflöchern
zu suchen. Für diese Bewusstseinsbildung wäre gerade auch der
Regierungschef zuständig. Wenn nicht einmal er Klartext spricht, wird
der Kulturbruch kaum stattfinden.
Faymann hätte seine Seniorenrede zum Beispiel für ein Plädoyer nutzen
können: gegen die Unsitte, die Frühpension als Patentlösung für
altersbedingte Probleme am Arbeitsplatz - Frust, Krankheit,
Kostendruck, Qualifizierungsdefizite - zu missbrauchen. Er hätte
Arbeitnehmer mahnen können, sich auf ein Berufsleben über das Alter
von 60 Jahren hinaus einzustellen, und Unternehmen warnen,
Bedienstete in den Fünfzigern - wie angesichts der Wirtschaftsflaute
wieder besonders beliebt - auf Kosten der Allgemeinheit
abzuservieren. Eine sozialdemokratische Vision hätte der Parteichef
entwerfen können - einer Arbeitswelt, aus der ältere Menschen nicht
ausgeschlossen sind.
Faymann tat nichts davon. Statt die Probleme auch nur ansatzweise
anzusprechen, verlor er sich in oberflächlichen Bekenntnissen zu
sicheren Pensionen und eingeübte Klagen über "Superreiche, die immer
reicher werden". Da fällt das Anecken leicht, da tritt man niemandem
auf die Zehen, der einen wählen könnte.
Zu Recht verbittet sich Faymann, dass Alt und Jung gegeneinander
"aufgehetzt" werden. Doch derartiger Stimmungsmache muss ein Kanzler
Substanzielleres entgegenhalten als Slogans, die so süßlich sind wie
das nach seiner Rede servierte Gebäck.
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