Ärzteschaft vom Aufbau des Pilotprojekts E-Medikation enttäuscht
Rechtswidrige Vergabepraktiken und mangelndes Interesse
Wien (OTS) - "Das Pilotprojekt E-Medikation war aus unserer Sicht ein einziges Desaster", resümiert Johannes Steinhart, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer. Vor allem in Hinblick auf die "bescheidenen Zahlen" der Teilnehmenden zeigt sich Steinhart von der "Selbstbeweihräucherung des Hauptverbands" anlässlich des Endes der Pilotphase irritiert.****
Denn von den angestrebten 50.000 Patientinnen und Patienten haben in den Pilotregionen gerade einmal 8.000 die Einverständniserklärung zur Teilnahme unterschrieben. Nur 3.000 davon haben auch tatsächlich Medikamente in den teilnehmenden Apotheken bezogen. Ebenso weit hinter den ursprünglichen Vorgaben blieb die Beteiligung der Ärztinnen und Ärzte: Nur 83 Mediziner konnten für eine Beteiligung am Pilotprojekt gewonnen werden, geplant waren 250. Weder die Ärzte noch die Patienten konnten in der Pilotphase von der E-Medikation überzeugt werden.
Erfreut zeigt sich Steinhart daher über die Aussage des Vorsitzenden des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger, Hans Jörg Schelling, dass die Akzeptanz bei Ärzten, Apothekern und Patienten davon abhänge, dass gesetzliche Rahmenbedingungen praxistaugliche Lösungen erlauben. "Wenn der Hauptverbandvorsitzende diese Aussage ernst meint, gehört die gesamte E-Medikation, wie sie in der Pilotphase erprobt wurde, in den 'E-Müll'. Das Projekt gehört von Grund auf neu durchdacht beziehungsweise mangels Erfolgsaussicht gar nicht realisiert", so Steinhart.
Dass der Chef des Hauptverbands gleichzeitig eine rasche Implementierung des ELGA-Gesetzes fordert, weil er den österreichweiten Rollout der E-Medikation so schnell wie möglich umgesetzt wissen möchte, ist für Steinhart mit Schellings Aussage nicht in Einklang zu bringen und in Hinblick auf den "bisher katastrophalen Verlauf" des Pilotprojekts "unbegreiflich".
Evaluierung der E-Medikation vor ELGA-Umsetzung abwarten
Steinhart fordert deshalb eine lückenlose Evaluierung des Pilotprojekts E-Medikation, deren Ergebnisse für April 2012 erwartet werden, bevor weitere Umsetzungsschritte für die elektronische Gesundheitsakte ELGA erfolgen. "Es kann doch nicht sein, dass man ein Pilotprojekt derart in den Sand setzt und im gleichen Atemzug ein noch viel größeres Projekt wie ELGA einfordert", bringt es der Obmann der Kurie niedergelassene Ärzte auf den Punkt. Hier gelte es innezuhalten und vernünftige Politik für die Menschen zu machen anstatt mit "nicht durchdachten Hauruck-Aktionen" zu handeln.
Bestätigt sieht der Vizepräsident die Haltung der Wiener Ärztekammer, die genau wegen dieser Vorgangsweise des Hauptverbands im Sommer 2011 aus dem Pilotprojekt ausgestiegen ist. "Das Bundesvergabeamt hat den Hauptverband aufgrund rechtswidriger Vergabepraktiken im Pilotprojekt neuerlich verurteilt und unsere Position bestätigt. Schön langsam sollte man im Hauptverband darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoller wäre, rechtskonform vorzugehen, anstatt mit Gewalt Gesetze zu biegen", macht Steinhart deutlich.
Der Kurienobmann zieht Fazit: "Die Verurteilungen des Hauptverbands haben uns mehr als einmal gezeigt, was passiert, wenn ein Projekt dieser Größenordnung schlampig aufgesetzt ist. Sowohl ELGA als auch die E-Medikation müssen daher einwandfrei aufgestellt sein, bevor an eine Umsetzung nur zu denken ist".
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