• 19.06.2011, 18:00:07
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DER STANDARD - Kommentar: "Die neue Wiener Langeweile" von Martina Stemmer

Landes-Grüne kommen nicht in Schwung und schaden auch der Bundespartei // Ausgabe vom 20.06.2011

Wien (OTS) - Als die Wiener SPÖ noch allein an der Macht war,
konnte man sich gar nicht vorstellen, dass es eine langweiligere
Regierungsform als eine rote Absolute geben kann. Doch es gibt sie:
Eine rot-grüne Koalition. Denn bevor die Grünen zum Juniorpartner
aufstiegen, holte wenigstens hin und wieder ein kleinerer oder
größerer Skandal - wie um Psychiatrie oder Partervorplatz - die
Genossen aus ihrem Dämmerschlaf. Doch seit Bürgermeister Michael
Häupl Maria Vassilakou zu seiner Vize gemacht hat, sind die Grünen
hauptsächlich damit beschäftigt, nur ja keinen Rathaus-Roten zu
verärgern.
Natürlich ist es als Regierungspartei nicht mehr Aufgabe der Grünen,
Fehler der SP aufzeigen - dafür gibt es eine Opposition. Doch
zumindest im eigenen Zuständigkeitsbereich sollten sie beweisen, dass
sie ein paar ihrer Wahlversprechen ernst nehmen. Denn vor Rot-Grün
präsentierten sie praktisch wöchentlich ihre zum Teil sehr konkreten
Ideen im Planungs- und Verkehrsbereich. Doch seit man selbst
zuständig ist, schweigt sich sowohl die Vizebürgermeisterin als auch
der Rest der Truppe aus. Von den 30 Radwegprojekten, die sich die
Grünen vorgenommen hatten, wurde bisher kein einziges präsentiert.
Und man hatte nicht einmal den Mut, öffentlich zuzugeben, dass man
sich mit der SP vor dem Sommer doch nicht auf eine Öffi-Ticket-Reform
einigen kann. Das durfte der Bürgermeister via Boulevardmedien tun
und die Grünen bestätigten es tags darauf brav. Was ist schon dabei,
von Zeit zu Zeit darauf hinzuweisen, dass die eigenen Konzepte am
Widerstand des Koalitionspartners scheitern oder adaptiert werden
müssen? Gerade wenn es sich, wie bei der Reform, um ein grünes
Kernthema handelt, mit dem man - wenn man es geschickt anstellt -
beim Wahlvolk punkten könnte? Michael Häupl, der derzeit in der
eigenen Partei nicht besonders gut dasteht, wird sich hüten, wegen
kleinerer innerkoalitionärer Irritationen die Zusammenarbeit
aufzukündigen.
Stattdessen versucht Vassilakou offenbar, die bessere Rote zu sein.
Erklärt, sie wolle einen Knigge für Radfahrer herausbringen und
schließe Nummerntafeln für Fahrräder nicht grundsätzlich aus. Weiter
kann man an der eigenen Klientel nicht vorbeiargumentieren.
Die Performance der grünen Landestruppe enttäuscht auch die
Bundespartei. Gerade von den aufmüpfigen Wienern, mit denen man es
intern nicht immer leicht hatte, erwartete man sich ein wesentlich
schärferes Profil als Regierungspartei - das auch Richtung Bund
ausstrahlen sollte. Stattdessen kommt vom Rathaus bestenfalls
Schweigen, schlimmstenfalls ein Vorschlag, bei dem sich ein Gutteil
der Mandatare ans Hirn greift.
Wobei: Am aktuellen internen Aufstand gegen die neue grüne
Verbotspolitik ist auch die Bundesparteichefin schuld. Denn der
Vorschlag, Zigarettenautomaten zu verbieten, stammt nicht von einem
geschmähten Basiswappler aus der letzten Reihe, sondern von Eva
Glawischnig selbst. Der Rest der Welt diskutierte derweil über
Atomausstieg und Griechenland-Pleite.
Sowohl die Bundes- als auch die Landespartei sollten sich auf ihre
Kernthemen besinnen und konkrete Vorschläge liefern. Dann
interessieren sich auch wieder mehr Leute dafür, was die Kleinpartei
zu sagen hat. Und bei Versammlungen für Mitglieder - so wie jener am
Sonntag in Wien - bleiben dann vielleicht auch nicht mehr fast die
Hälfte der Sitze leer.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

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