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TIROLER TAGESZEITUNG "Leitartikel" Dienstag, 12. April 2011, von Floo Weißmann: "Ein EU-Land putzt sich am anderen ab"
Wenn es um Flüchtlinge geht, bleibt vom europäischen Geist aus den Sonntagsreden nichts übrig.
Innsbruck (OTS) - In welcher Welt leben die europäischen
Innenminister eigentlich? Nordafrika erlebt historische Umbrüche und
Krieg, Hunderttausende sind deswegen in der Region unterwegs. Dazu
kommen die ungelösten Probleme im Nahen Osten. Millionen
palästinensische, irakische und andere Flüchtlinge belasten dort die
schwachen Volkswirtschaften. Die EU aber, deren halbe Milliarde
Bürger im Vergleich in Frieden und Wohlstand leben, hat im Zuge der
jüngsten Umwälzungen gerade einmal 25.000 Flüchtlinge abbekommen. Und
schon liegen einander die vermeintlichen Partner in den Haaren.
Einerseits sollte Italien über die Kapazität verfügen, vorerst
alleine mit den Boat People zurechtzukommen. Tunesier werden ohnehin
rasch zurückgeschickt. Schwieriger dürfte es werden, wenn auch
libysche Kriegsflüchtlinge auf EU-Boden landen. Denn die können auf
absehbare Zeit wohl nicht abgeschoben werden.
Andererseits widerspricht der Umgang Europas mit Flüchtlingen dem
europäischen Geist und vor allem der Vernunft. Europäische Standards
prägen immer mehr Lebensbereiche, wir zahlen mit Euro, stellen
EU-Truppen auf und stützen Bankrotteure. Aber wenn es um die
Abschottung von Flüchtlingen geht, dann putzt sich ein EU-Land am
anderen ab. Mit dem Ergebnis, dass sich die Südeuropäer alleine
gelassen fühlen. Speziell Griechenland ist schlicht überfordert.
Das Kalkül hinter der Nicht-Solidarität ist in vielen Fällen ein
innenpolitisches. In Zeiten des Rechtspopulismus wollen die
Regierungen damit punkten, dass sie die nationalen Schotten dicht
machen. Auf der Strecke bleibt eine zukunftsfähige europäische Asyl-
und Migrationspolitik. Der Streit um die Boat People in Italien kann
sogar dazu führen, dass an Tirols Grenzen wieder Ausweise vorzuzeigen
sind. Und das hat weniger mit den Umwälzungen in Nordafrika zu tun
als vielmehr mit dem Versagen der europäischen Politik.
Rückfragehinweis:
Tiroler Tageszeitung, Chefredaktion , Tel.: 05 04 03 DW 610
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