- 10.12.2010, 11:00:14
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Gute Industriekonjunktur in Österreich, zunehmende Unsicherheit in der Weltwirtschaft
Wien (OTS/WIFO) - In Österreich setzte sich die von Export und
Sachgütererzeugung getragene Konjunkturerholung im Herbst fort, das
BIP stieg im III. Quartal gegenüber dem Vorquartal real um 0,9% und
gegenüber dem Vorjahr um 2,4%. Ein selbsttragender
Investitionsaufschwung kam bislang allerdings nicht in Gang. Die
Konsumnachfrage der privaten Haushalte wird weiterhin mäßig
ausgeweitet. Vor allem aufgrund der guten Industriekonjunktur sinkt
die Arbeitslosigkeit anhaltend, der Anstieg der Verbraucherpreise
wird von den Rohstoffpreisen bestimmt.
Österreichs Wirtschaft war von der internationalen Finanzmarkt-
und Wirtschaftskrise vor allem durch den Einbruch in der
exportorientierten Industrie und seinen Folgen betroffen. Seit dem
Frühjahr 2009 expandiert die Produktion wieder. Mittlerweile wurde
mehr als die Hälfte des Produktionsrückgangs wettgemacht: Im
September 2010 lag der Produktionsindex in der Sachgütererzeugung
saisonbereinigt um 11% über dem Tiefstand vom Mai 2009. Gemäß dem
WIFO-Konjunkturtest hielt die gute Industriekonjunktur auch im Herbst
2010 an: Im Oktober und November verbesserten sich sowohl die
Produktionserwartungen der befragten Unternehmen als auch die
Einschätzung der Auftragsbestände und der Geschäftslage in sechs
Monaten nochmals deutlich.
Die heimische Wirtschaft profitiert dabei vor allem vom kräftigen
Aufschwung in den asiatischen und lateinamerikanischen
Schwellenländern. Sie ist daran meist über Zulieferbeziehungen zur
weltmarktorientierten deutschen Wirtschaft beteiligt. Seit dem
Frühjahr 2010 schwächte sich die Dynamik der Importe in Asien
allerdings etwas ab, damit verlor der Aufschwung des gesamten
Welthandels an Kraft. Innerhalb der EU verstärkt sich die Zweiteilung
in eine exportorientierte Ländergruppe um Deutschland mit kräftiger
Konjunkturerholung und eine Gruppe von Ländern, die wegen anhaltender
Strukturprobleme und der notwendigen Budgetkonsolidierung in einer
Rezession verharren.
Der österreichische Güterexport erhöhte sich im III. Quartal 2010
gegenüber dem Vorquartal real um 5,5% und lag damit saisonbereinigt
bereits um 22% über dem Tiefstand vom II. Quartal 2009. Die kräftige
Zunahme von Warenexport und Produktion in der Sachgütererzeugung
brachte den Einbruch der Ausrüstungsinvestitionen zum Stillstand, zog
bislang allerdings noch keine kräftige Belebung der
Investitionstätigkeit nach sich. Die Bauinvestitionen sind seit dem
Frühjahr 2008 rückläufig, auch weil der öffentlich beeinflusste
Wohnbau weiter schwächelt.
Übersicht 1: Ergebnisse der vierteljährlichen Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnung - auf der WIFO-Website
(http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?&fid=12)
Die Konsumnachfrage der privaten Haushalte erwies sich während der
Rezession als wichtiger Stabilisierungsfaktor, sie ging als einzige
Nachfragekomponente nicht zurück. Auch 2010 wächst sie mäßig, aber
stetig und wird pro Quartal real um etwa 1/4% ausgeweitet. Da die
Pro-Kopf-Einkommen real nicht steigen, wird dies vor allem durch eine
günstige Entwicklung der Beschäftigung ermöglicht: Die Zahl der
unselbständig aktiv Beschäftigten betrug im November mehr als 3,3
Mio. Sie lag damit saisonbereinigt um 69.000 über dem Tiefstand vom
August 2009 und erreichte einen neuen Höchstwert. Dazu trug neben der
stetigen Ausweitung der Zahl der Arbeitsplätze in den
Dienstleistungsbranchen auch die Zunahme der Industriebeschäftigung
bei: Diese lag im Oktober mit 574.000 um 23.000 über dem Niveau zu
Jahresbeginn, allerdings um 56.000 unter dem Höchststand von Mitte
2008. Auch die Zahl der Arbeitslosen verringert sich merklich:
Saisonbereinigt lag sie im November mit 248.000 um 20.000 unter dem
Höchstwert vom September 2009 und noch um 41.000 über dem Tiefstwert
vom März 2008. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote betrug im
November 2010 6,8% der unselbständigen Erwerbspersonen bzw. im
Oktober 4,8% der Erwerbspersonen laut Eurostat.
Der Preisauftrieb ist weiterhin verhalten, die Inflationsrate
betrug im Oktober 2%. Der Preisanstieg geht zu etwa einem Drittel auf
die Verteuerung von Mineralölprodukten zurück. Höhere Notierungen für
landwirtschaftliche Erzeugnisse auf den Weltmärkten verstärkten den
Preisauftrieb für Nahrungsmittel und Bekleidung auf Verbraucherebene
etwas. Hingegen entwickeln sich die Preise vieler Dienstleistungen
und dauerhafter Konsumgüter weiterhin sehr gedämpft. Darin spiegelt
sich das Fehlen einer konjunkturbedingten Inflation.
Abbildung 1: Entwicklung des realen Bruttoinlandsproduktes - auf der
WIFO-Website (http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?&fid=12)
Methodische Hinweise und Kurzglossar
Periodenvergleiche
Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem
Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte Effekte bereinigt. Dies
schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl
von Arbeitstagen in der Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im
Text wird auf "saison- und arbeitstägig bereinigte Veränderungen"
Bezug genommen.
Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ."
beschreibt hingegen eine Veränderung gegenüber der gleichen Periode
des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.
Die Analyse der saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung
liefert genauere Informationen über den aktuellen Konjunkturverlauf
und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings
zusätzlichen Revisionen, da die Saisonbereinigung auf statistischen
Methoden beruht.
Wachstumsüberhang
Der Wachstumsüberhang bezeichnet den Effekt der Dynamik im
unterjährigen Verlauf (in saisonbereinigten Zahlen) des
vorangegangenen Jahres (t0) auf die Veränderungsrate des Folgejahres
(t1). Er ist definiert als die Jahresveränderungsrate des Jahres t1,
wenn das BIP im Jahr t1 auf dem Niveau des IV. Quartals des Jahres t0
(in saisonbereinigten Zahlen) bleibt.
Reale und nominelle Größen
Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um
Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden Werte nominell
ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens
angeführt.
Produzierender Bereich
Diese Abgrenzung schließt die NACE-2008-Abschnitte B, C und D
(Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Herstellung von Waren,
Energieversorgung) ein und wird hier im internationalen Vergleich
verwendet.
Inflation, VPI und HVPI
Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise
gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex (VPI) ist ein
Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte
Verbraucherpreisindex (HVPI) ist die Grundlage für die vergleichbare
Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der
Preisstabilität innerhalb der Euro-Zone (siehe auch
http://www.statistik.at/).
WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest
Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund
1.500 österreichischen Unternehmen zur Einschätzung ihrer aktuellen
und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist
eine halbjährliche Befragung von Unternehmen zu ihrer
Investitionstätigkeit (http://www.itkt.at/). Die Indikatoren sind
Salden zwischen dem Anteil der positiven und jenem der negativen
Meldungen an der Gesamtzahl der befragten Unternehmen.
Arbeitslosenquote
Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung
registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot der Unselbständigen.
Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und
unselbständig Beschäftigten (gemessen in
Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei
AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.
Definition gemäß ILO und Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen,
die nicht erwerbstätig sind und aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Als
erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde
selbständig oder unselbständig gearbeitet hat. Personen, die
Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge zählen zu den
Erwerbstätigen, nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die
Arbeitslosenquote ist der Anteil der Arbeitslosen an allen
Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis:
Umfragedaten von privaten Haushalten (Mikrozensus).
Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der
Arbeitslosenquote
Personen in Schulungen: Personen, die sich zum Stichtag in
AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für die Berechnung der
Arbeitslosenquote wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler
berücksichtigt.
Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den "unselbständig
Beschäftigten" zählen auch Personen, die Kinderbetreuungsgeld
beziehen, sowie Präsenz- und Zivildiener mit aufrechtem
Beschäftigungsverhältnis. Zieht man deren Zahl ab, so erhält man die
Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".
Rückfragehinweis:
Mag. Dr. Markus Marterbauer (erreichbar ab 14 Uhr)
Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung - WIFO
Tel. +43 1 798 26 01-303 * Fax. +43 1 798 93 86
mailto:Markus.Marterbauer@wifo.ac.at
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