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"Die Presse" - Leitartikel: Der Kanzler mit dem Imageproblem, von Martina Salomon
Ausgabe v0m 17. März 2010
Wien (OTS) - Die SPÖ müsste sich weder vor der FPÖ noch vor der
ÖVP fürchten - sondern nur vor ihrer eigenen Schwäche.
Wenn man kein Glück hat, kommt meist auch noch Pech dazu. Was im
Falle von Bundeskanzler Werner Faymann bedeutet: am Sonntag die
Gemeinderatswahlen in drei Bundesländern verloren und am Montag das
am Wochenende geplante Europaforum Lech wegen fehlender Gäste
kurzfristig abgesagt.
Wolfgang Schüssel hat die Einladung - zuerst als Außenminister und
später als Kanzler - groß zelebriert. Sie sollte eine Art Denkfabrik
mit angeschlossenem Freizeitprogramm sein. Ihm gelang es, die
jeweiligen Kommissionspräsidenten Prodi und Barroso, den damaligen
EU-Parlamentspräsidenten Pöttering sowie einige Premierminister
öffentlichkeitswirksam in den Nobelskiort zu holen. Auch unter
Kurzzeitkanzler Alfred Gusenbauer war Barroso noch zu Gast. Sein
Nachfolger Faymann schaffte es zwar (mangels in ausreichender Zahl
vorhandener sozialdemokratischer Staatschefs in Europa?), bei der
Wahl der EU-Führungsposten eine Rolle zu spielen und nebstbei Alfred
Gusenbauer in einer EU-Spitzenposition zu verhindern. Doch seinem
"eigenen" Europaforum versagten die Europäer die Gefolgschaft. War es
schlechte Organisation, mangelnde Anziehungskraft des
österreichischen Regierungschefs - oder ist das Format wirklich
überholt, wie der Kanzler nach dem gestrigen Ministerrat meinte? Klar
ist jedenfalls, dass es damit nun endgültig tot ist.
Klar ist aber auch: Faymann hat ein veritables Imageproblem -
international wie national. Und es sieht nicht so aus, als wäre das
schnell zu reparieren. Das macht seine Parteikollegen hypernervös.
Lassen sich mit "Werner" Wahlen gewinnen, fragen sie sich bange.
Abgesehen von der unspannenden Präsidentschaftswahl heuer wohl kaum,
was allerdings weniger an der mangelnden Strahlkraft des
Bundesparteivorsitzenden liegt als am Wiedererstarken der Blauen. Sie
lagen vor fünf Jahren nach Regierungsbeteiligung und
Haider-Abspaltung am Boden. Jetzt gewinnen sie Terrain auf Kosten der
SPÖ zurück. Diese kann nicht mehr so hemmungslose Oppositionspolitik
wie noch unter Schwarz-Blau betreiben. Dafür ist jetzt wieder die FPÖ
allein zuständig (auf welcher Wiese die Grünen liegen geblieben sind,
weiß man nicht so genau).
Aber die FPÖ ist in Wahrheit nur eine One-Man-Show und außerdem weit
weniger erfolgreich, als es angesichts der Medien (in denen geknickte
rote Nelken gerade Hochkonjunktur haben) und der SPÖ-Angststarre
erscheint. Bei den Gemeinderatswahlen letzten Sonntag kamen die
Blauen in Niederösterreich nur geringfügig vom Fleck, in Vorarlberg
fuhren sie ein Minus ein. Echte Sieger sehen anders aus.
Während vor allem die Wiener SPÖ versucht, die Freiheitlichen ins
unwählbare Nazi-Eck zu drängen, bemüht sich Heinz-Christian Strache
um einen "bürgerlichen" Anstrich. Die Wien-Plakate sind äußerst
samtpfötig. Das kann er sich leisten, weil seine Botschaften ohnehin
längst beim Wähler angekommen sind. Doch mit der Kandidatur von
Barbara Rosenkranz hat die FPÖ ihren politischen Gegnern neue
Munition geliefert. Der Wahlkampfstart war verpatzt und von seltsamen
Formulierungen der Kandidatin samt ungelenker Distanzierung von
NS-Gedankengut überschattet.
Wie Umfragen zeigen, hat das den Blauen geschadet, während Rot und
Schwarz in der Gunst der Bürger wieder gestiegen sind. Die SPÖ konnte
gegenüber der ÖVP sogar aufholen. So schlimm steht es also gar nicht
um Werner Faymann. Er brachte SPÖ-Herzensanliegen wie Bankensteuer
und Mindestsicherung durch; Österreich läuft nicht wie Griechenland
Gefahr pleitezugehen, die Arbeitslosendaten sind im Pensionswesen gut
versteckt, und Josef Pröll wird seine Strahlkraft einbüßen, je länger
er mit glanzloser Budgetsanierung beschäftigt ist.
Warum also diese Hektik in der SPÖ? Es liegt wohl auch daran, dass
nach Wahlniederlagen ein Sündenbock gesucht wird. In der Regel ist
das der Parteichef. Auch ÖVP-Obmänner haben das jahrzehntelang
schmerzhaft am eigenen Leib erfahren.
Aber das ist es nicht allein: Meinungsbildner in der SPÖ befürchten,
dass Faymann das Kanzleramt um eine Schuhnummer zu groß ist. Er wirkt
noch immer nicht weltmännisch, hat einen sehr engen Kreis an Beratern
um sich gezogen, trennt scharf zwischen Freund und Feind, kann und
will seine Politik nicht inszenieren und schafft es nicht, einen
zwanglosen Umgang mit Intellektuellen zu pflegen. Die Absage des
Europaforums in Lech passt da leider wie ein fehlender Puzzlestein
ins Bild eines bisher nicht vom Glück verwöhnten Kanzlers.
Rückfragehinweis:
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