• 27.12.2009, 17:55:49
  • /
  • OTS0028 OTW0028

DER STANDARD-Kommentar: "Kein Patentrezept gegen Terror" von Eric Frey

"Der internationale Luftverkehr bleibt trotz aller Sicherheitsmaßnahmen verwundbar"; Ausgabe vom 28.12.2009

Wien (OTS) - Der Flugzeuganschlag am Weihnachtstag wurde
vereitelt - ebenso wie der Attentatsversuch des
"Schuhbombers"?Richard Reed vor genau acht Jahren und das Komplott
britischer Extremisten, die 2006 mit Flüssigsprengstoff gegen
USA-Flüge vorgehen wollten. Seit dem Massaker am 11. September 2001
haben international agierende Terroristen immer nur abseits des
Flugverkehrs Erfolg gehabt: mit Bomben in Zügen, U-Bahnen oder
Discotheken oder einfach mit Schüssen auf Menschenmassen.
Dennoch bleibt die Luftfahrt die Achillesferse des westlichen
Anti-Terror-Kampfes. Nirgendwo fühlen sich Menschen so verwundbar wie
10.000 Meter über dem Boden, eingepfercht in einen Blechbüchse, aus
der es kein Entkommen gibt. Und anders als im Bahnverkehr bleiben
nach Anschlägen auf Flugzeuge die Passagiere weg, mit dramatischen
finanziellen Folgen.
Doch trotz aller Sicherheitsinvestitionen auf Flughäfen und neuen
Vorschriften, die viele Passagiere als Schikane empfinden, ist die
absolute Sicherheit in der Luft eine Illusion. Wie der jüngste
Vorfall zeigt, gibt es fast immer einen Weg, Sprengstoff an Bord zu
schmuggeln. Möglicherweise war am Amsterdamer Flughafen auch
Nachlässigkeit im Spiel. Aber kein Flughafen der Welt ist in der
Lage, tausende Fluggäste in einer vernünftigen Zeit so zu
kontrollieren, dass jede Eventualität ausgeschlossen wird.
Nach jedem Anschlag wird mit neuen Sicherheitsmaßnahmen auf das
letzte Versäumnis reagiert - nach 9/11 kam das Messerverbot, nach dem
Schuhbomber das obligatorische Schuhausziehen, wegen der
Flüssigsprengstoff-Verschwörer die Beschränkung der Flaschengrößen im
Handgepäck. Stets wird der Brunnen zugedeckt, nachdem das Kind
hineingefallen ist. Die Terroristen hecken dann bereits den nächsten
Plan aus, gegen den die Verschärfung wenig nützt.
Das gilt auch für das nun von einigen Fluglinien verkündete Verbot,
in der letzten Stunde vor der Landung vom Sitzplatz aufzustehen - als
ob Terroristen nicht auch schon vorher ihre Vorbereitungen treffen
könnten.
Nacktscanner, mit dem der Sprengstoff am Körper des Nigerianers
vielleicht entdeckt worden wäre, wurden hingegen auf öffentlichen
Druck in der EU nicht eingeführt. Das könnte sich jetzt ändern und
wäre ein sinnvoller Schritt. Denn durch die sekundenlange
Durchleuchtung vor Sicherheitsbeamten wird viel weniger in die
Privatsphäre eingegriffen als etwa mit einem einstündigen
Toilettenverbot.
Aber auch der Nacktscanner ist hilflos gegenüber
Selbstmordattentätern, die Sprengstoff im eigenen Magen verbergen -
wie jüngst bei einem Attentatsversuch auf einen saudischen Prinzen.
Auch die Anti-Terror-Listen der Amerikaner erweisen sich als löchrig.
Der junge Nigerianer stand nach einer Warnung seines Vaters auf einer
Liste, dennoch schlug niemand am Flughafen Alarm. Dafür geraten jedes
Jahr tausende völlig arglose Flugreisende durch Verwechslung in die
Fänge der Sicherheitsbehörden.
Irgendwann in den nächsten Jahren wird ein fanatisierter
Flugzeugattentäter wohl Geschick und Glück auf seiner Seite haben und
sein blutiges Werk vollenden. Weder Scanner noch Listen können das
völlig verhindern - genauso wenig wie der "Krieg gegen den Terror"
des früheren US-Präsidenten. Auch gegen die Fanatisierung gebildeter
junger Menschen in London oder Hamburg gibt es kein Patentrezept. Und
der jahrelange teure Kampf gegen Al-Kaida in Afghanistan hat offenbar
nur zur Folge, dass nun der Jemen, ein weiterer gescheiterter Staat,
zur neuen Hochburg des Terrornetzwerks wird.
Bei allen notwendigen Bemühungen wird die Welt auch im neuen
Jahrzehnt mit der Terrorgefahr leben müssen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | PST

Bei Facebook teilen.
Bei X teilen.
Bei LinkedIn teilen.
Bei Xing teilen.
Bei Bluesky teilen

Stichworte

Channel