DER STANDARD Kommentar "Das Schweigen der Hirten"
Die Kirche manövriert sich mit ihrem Konfliktmanagement in eine Autoritätskrise (von Markus Rohrhofer) - Ausgabe vom 28.05.2008
Wien (OTS) - Krisenmanagement bezeichnet den systematischen Umgang mit Krisensituationen. Es beinhaltet das Erkennen und die Analyse von Krisensituationen, die Entwicklung von Strategien zur Bewältigung derselben sowie die Einleitung und Verfolgung von Gegenmaßnahmen - so sieht es zumindest die einschlägige Fachliteratur. Und so sieht es sicher nicht die katholische Kirche in Österreich.
"Hände falten, Goschn halten" ist in schweren Zeiten stets das Gebot der Stunde. Dies hat sich in der Vergangenheit gezeigt, wird in der Gegenwart praktiziert und wohl auch künftig allerheiligstes Mittel zum Krisenzweck sein. Exemplarisch für den Umgang mit innerkirchlichen Problemen steht auch 13 Jahre danach vor _allem ein Name: Kardinal Hans Hermann Groër. Die Missbrauchsvorwürfe eines ehemaligen Groër-Schülers entfachten einen Flächenbrand in der gesamten österreichischen Kirche, der über Jahre durch das Schweigen sowohl von Groër als auch vonseiten des Vatikans genährt wurde. Man kehrte unter den klerikalen Teppich, mauerte und versuchte den Vorfall still und leise auszusitzen. Wie wenig erfolgreich dies war, ist bekannt: Der Skandal-Kardinal Groër stolpert über den eigenen Scherbenhaufen und muss am 14. August 1995 abdanken. Doch es sollte noch drei weitere Jahre dauern, bis die Bischöfe Schönborn, Eder und Kapellari "zur moralischen Gewissheit" gelangten, dass die _Vorwürfe gegen Groër im "Wesentlichen zutreffen". Gelernt hat man nichts aus der tiefen Kirchenkrise. Im Herbst 2003 mäht der Skandal in der Diözese St. Pölten das Gras, das zart über die Affäre Groër zu wachsen begann, wieder ab. Kinderpornografische Fotos, homosexuelle Beziehungen im Priesterseminar - vom damaligen Bischof Kurt Krenn als "Lausbubenstreiche" und "Bubendummheiten" belächelt.
Wieder hatte man zu lange zugesehen oder es nicht gewagt, den vielkritisierten Bischof rechtzeitig einzubremsen. Wohl auch vor dem Hintergrund, dass der medienaffine Krenn stets beste Kontakte nach Rom hatte und vor allem beim damaligen Privatsekretär von Johannes Paul II., Stanislaw Dziwisz, aus und ein ging.
Doch um den Umgang der Kirche mit Krisen zu beleuchten, braucht es keinen Ausflug in die Vergangenheit. In der Diözese Linz wird eine immer stärker aufkeimende Zölibatsdebatte totgeschwiegen, besorgte Protestschreiben der Basis landen in der bischöflichen Rundablage. Die Rechte der Laien werden sukzessive eingeschränkt, Theologiestudenten gehen dagegen auf die Straße. Doch der Linzer Bischof hüllt sich in Schweigen. Ähnlich die Situation in der Diözese Gurk: Die Probleme mit Diözesanbischof Alois Schwarz sind dort mittlerweile so massiv, dass innerhalb kürzester Zeit engste Mitarbeiter des Bischofs mehr oder eher weniger freiwillig abgedankt haben. In Wien rührt sich dazu zumindest bis dato kein (Kardinals-)Ohr.
Das Krisenmanagement der katholischen Kirche scheint somit klar:
Gehandelt wird, wenn gehandelt werden muss. Gelöscht wird erst, wenn das Feuer am Kirchendach weithin sichtbar ist. Dass dieser Weg einen massiven Autoritätsverlust mit sich bringt, wird dabei übersehen oder eher wissentlich in Kauf genommen.
Das Klammern an Unfehlbarkeit gefährdet die vielgelobte Einheit der Christen. Nicht der Skandal treibt die Menschen aus der Kirche, sondern der Umgang damit. Und jene, die der Institution Kirche nicht den Rücken kehren wollen, formieren sich neu. Die Basis hat ihren Glauben auf eigene Beine gestellt, bedingungsloser Gehorsam und absolute Loyalität waren einmal. Vor allem in Krisensituationen.
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