- 10.03.2006, 17:48:19
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DER STANDARD-Kommentar "Der Ball liegt bei der Hamas" von Alexandra Föderl-Schmid
"Die EU muss auf Erfüllung ihrer Bedingungen für weitere Palästinenserhilfe beharren" (Ausgabe 11.3.2006)
Wien (OTS) - Die EU ist in einem Dilemma: Sie kann die
Palästinenser praktisch nicht mehr unterstützen, solange die Hamas,
die die neue Regierung führen wird, nicht die Bedingungen des
Nahostquartetts anerkennt. Denn die Hamas steht auf der Liste der
EU-Terrororganisationen. Deshalb ist weder eine finanzielle
Unterstützung noch ein direkter Kontakt, wie ihn Moskau unterhält,
möglich.
Die EU ist auch deshalb in einer verzwickten Lage, weil sie bisher
schon hunderte Millionen Euro in den Aufbau der palästinensischen
Autonomiebehörde und in konkrete Hilfsprojekte gesteckt hat. Sie
sieht zu Recht diese Pionierarbeit gefährdet, wenn der Fluss weiterer
Mittel nicht mehr sichergestellt ist. Die laufenden und schon
eingeplanten Mittel für Projekte der EU-Kommission und der 25
Mitgliedstaaten betragen mehr als eine Milliarde Euro.
Es ist auch eine weitere Eskalation der Lage in den
Palästinensergebieten zu befürchten, wenn die Hilfen von heute auf
morgen eingestellt werden. Weiters muss eine weitere Radikalisierung
befürchtet werden, wenn sich die humanitäre Lage derart
verschlechtert, dass einfach nicht mehr das Nötigste zum Leben im
Gazastreifen und im Westjordanland vorhanden ist.
Die EU steckt auch in der Zwickmühle, weil die Hamas aus einer Wahl,
die nach übereinstimmender Einschätzung internationaler Beobachter
demokratischen Regeln entsprochen hat, eindeutig als Sieger
hervorgegangen ist. Ihr Recht, die Regierung zu bilden, kann nicht
angezweifelt werden.
In dem nüchternen Bericht, den EU-Außenkommissarin Benita
Ferrero-Waldner und Javier Solana beim Außenministertreffen in
Salzburg vorgelegt haben, ziehen sie das Fazit, dass nur rund die
Hälfte der humanitären Projekte nicht der Hilfe der
Palästinenserbehörde - die bald in den Händen der Hamas liegt -
bedarf. Selbst Nichtregierungsorganisationen und die UN-
Flüchtlingshilfe sind auf die Kooperation mit der Behörde angewiesen.
Fast die Hälfte der gesamten Mittel werden ohnehin durch die
Palästinenserbehörde verteilt.
Sie kommen deshalb zu dem Schluss, dass viele derzeitige Projekte
suspendiert und die Mittel für rund die Hälfte der zukünftigen
Projekte um 50 Prozent gekürzt werden müssten. Für die Palästinenser
wäre dies eine Katastrophe, da sie auf die Unterstützung der EU
angewiesen sind. Das Defizit der Autonomiebehörde, die auch rund
130.000 Beschäftigte zu bezahlen hat, beläuft sich auf rund 100
Millionen Euro monatlich.
Die finanzielle Unterstützung durch die EU ist umso dringender
erforderlich, da die Israelis den Palästinensern seit dem
Hamas-Wahlsieg rund 60 Millionen US-Dollar pro Monat aus den
gemeinsamen Zoll- und Steuereinnahmen vorenthalten, um
sicherzustellen, dass sie nicht in die Hände der
Extremistenorganisation gelangen. Während die EU mit der
Bereitstellung von 121 Millionen Euro für die Interimsregierung, für
Flüchtlingshilfe und Stromversorgung zumindest für eine Übergangszeit
geholfen hat, haben sich die arabischen Staaten zurückgehalten. Die
USA verlangen sogar Geld zurück.
Bisher hat die Hamas aber keine Bereitschaft erkennen lassen, die
drei Forderungen des Nahost-Quartetts nach Gewaltverzicht,
Anerkennung Israels und der bisherigen Vereinbarungen zu erfüllen.
EU- Chefdiplomat Javier Solana hatte in einem Standard-Interview
erklärt, wenn die Hamas die Bedingungen akzeptiere, werde sie von der
Liste der EU- Terrororganisationen gestrichen. Es ist aber unklar, in
welcher Form diese Anerkennung erfolgen müsste, um von der EU als
solche anerkannt zu werden. Hier sind noch Klarstellungen vonseiten
der EU erforderlich.
Die EU kann und darf nicht verhandeln nach dem Motto: Wenn ihr eine
von drei Bedingungen erfüllt, gibt es künftig ein Drittel des Geldes.
Das Signal der EU ist klar: Bereitschaft zu weiterer Hilfe nur unter
Bedingungen. Nach dem Zugeständnis, noch 121 Millionen Euro
freizugeben, liegt jetzt der Ball bei der Hamas.
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Der Standard
Tel.: (01) 531 70/445
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