• 23.12.2025, 15:00:32
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  • OTS0056

Offener Brief an die Bundesregierung

Wien (OTS) - 

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung!

In meiner Funktion als Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich wende ich mich an Sie. Anlass sind die gegenwärtige politische Kommunikation sowie die gesetzgeberischen Debatten zu Integrationsfragen und zum Kopftuchverbot für Schülerinnen bis zum 14. Lebensjahr. Diese Entwicklungen werden in der muslimischen Bevölkerung mit wachsender Sorge wahrgenommen.

Politische Sprache und gesetzgeberische Signale dieser Tragweite bleiben nicht folgenlos. Sie prägen gesellschaftliche Debatten, beeinflussen öffentliche Wahrnehmungen und wirken sich unmittelbar auf das Sicherheitsgefühl, das Vertrauen in staatliche Institutionen sowie auf die Bereitschaft zur gesellschaftlichen Teilhabe aus. Dies gilt in besonderem Maße für Minderheiten, deren Zugehörigkeit immer wieder öffentlich infrage gestellt wird.

Die jüngsten Ergebnisse des Integrationsbarometers zeigen, dass MuslimInnen in der öffentlichen Wahrnehmung besonders negativ beurteilt werden. Diese bilden subjektive Einstellungen ab, nicht jedoch objektive Integrationsleistungen oder das tatsächliche Zusammenleben im Alltag. Werden solche Daten ohne ausreichende Differenzierung kommuniziert oder politisch zugespitzt, entsteht der Eindruck pauschaler Zuschreibungen. Dies verstärkt bei vielen MuslimInnen das Gefühl der Stigmatisierung und Ausgrenzung. Diese Entwicklung fällt in eine Zeit, in der Angriffe und Drohungen gegen religiöse Einrichtungen zunehmen. Öffentliche Debatten, die ganze Bevölkerungsgruppen problematisieren, tragen zu einem Klima bei, in dem Verunsicherung wächst und gesellschaftliche Spannungen zunehmen. Gerade deshalb ist ein verantwortungsvoller Umgang mit Sprache von essenzieller Bedeutung.

Ich möchte in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hinweisen, dass pauschale Darstellungen gegenüber den Mitgliedern einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft weder dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen noch mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Religionsfreiheit vereinbar sind. Eine demokratische Gesellschaft lebt von Differenzierung, Maß und gegenseitigem Respekt.

MuslimInnen sind ein selbstverständlicher Teil der österreichischen Gesellschaft. Sie leisten tagtäglich wertvolle Beiträge in ausnahmslos allen gesellschaftlichen Bereichen. Österreich ist unsere Heimat. Politische Kommunikation sollte dieser Realität Rechnung tragen und Zugehörigkeit stärken, anstatt Zweifel daran zu nähren. Politische Verantwortung geht mit besonderer Sorgfaltspflicht einher. Worte haben Gewicht, sie prägen Haltungen im positiven wie im negativen. Umso wichtiger ist es, betroffene Religionsgemeinschaften in politische Entscheidungsprozesse einzubinden und auf einen konstruktiven Dialog zu setzen. Die IGGÖ steht für einen Dialog jederzeit zur Verfügung. Wir sind bereit, gemeinsam mit politischen EntscheidungsträgerInnen an Lösungen zu arbeiten, die Herausforderungen klar benennen, zugleich aber die Würde, die Rechte und die Freiheit aller Menschen in Österreich wahren.

Ich ersuche Sie daher diesen offenen Brief als Beitrag zu einem verantwortungsvollen und zukunftsorientierten gesellschaftlichen Diskurs zu verstehen, im Interesse des Zusammenhalts und des Vertrauens in unseren demokratischen Rechtsstaat. Ein respektvolles Miteinander bleibt die Grundlage eines solidarischen und sicheren Österreichs.

Mit freundlichen Grüßen

Mag. Ümit Vural
Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich

Rückfragen & Kontakt

Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ)
Telefon: 0676/840524208
E-Mail: presse@derislam.at
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