• 19.12.2025, 11:00:03
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  • OTS0059

Schwerwiegende Intimsphärenverletzung gegenüber Frau, die Kind anonym zur Welt gebracht hat

Wien (OTS) - 

Der Senat 3 des Presserats bewertet den Artikel „Emotionaler Kampf um anonym geborenes Kind“ (veröffentlicht in der „Neue am Sonntag“) und dessen Onlineversion sowie die Verknüpfung des Vor- und Nachnamens der Beschwerdeführerin mit der Onlineversion als schwerwiegenden Eingriff in den Persönlichkeitsschutz und ihre Intimsphäre (Punkte 5 und 6 des Ehrenkodex für die österreichische Presse).

Im Artikel wird über die anonyme Geburt der Beschwerdeführerin in Vorarlberg berichtet. Zudem wird festgehalten, dass kurz vor Ablauf der dafür vorgesehenen 6-Monats-Frist, nach der das Kind zur Adoption freigegeben werde, die Beschwerdeführerin die Obsorge für ihr Kind beantragt habe. Des Weiteren kommen die vorübergehenden Pflegeeltern des Kindes ausführlich zu Wort, die gegenüber den Behörden Vorwürfe erheben und die gesetzliche 6-Monats-Frist für die Übernahme der Obsorge durch die leibliche Mutter als zu lang kritisieren.

Der Online-Artikel war ursprünglich mit dem Tag „***“ (Anm. dem Vor- und Nachnamen der Beschwerdeführerin) versehen. Zum Tag gab es auf „neue.at“ die Unterseite „#***“ (Anm. der Vor- und Nachname der Beschwerdeführerin), auf der der Online-Artikel zu finden war. Nach einem Gespräch mit der Geschäftsstelle des Presserats wurden diese Verknüpfungen gelöscht.

In der Verhandlung hielt die Beschwerdeführerin fest, es sei für sie schockierend gewesen, dass man zum Artikel gelangen konnte, wenn man ihren Namen googelte. Sie habe vorher nicht davon erfahren und war äußerst bestürzt, als sie das entdeckte.

Die Rechtsanwältin der Medieninhaberin entschuldigte sich für den groben Fehler des Redakteurs. Sie betonte, dass dem Autor hier ein großes Missgeschick unterlaufen sei; auch dieser entschuldige sich noch einmal bei der Beschwerdeführerin.

Nach Auffassung des Senats ist es offenkundig, dass hier die Persönlichkeitssphäre der Beschwerdeführerin gravierend beeinträchtigt wurde. Durch die Verknüpfung des Vor- und Nachnamens der Beschwerdeführerin mit dem Online-Artikel wurde ihre Identität einer unbestimmten Öffentlichkeit offenbart und ihre Intimsphäre in gravierender Weise verletzt. Ihre zunächst anonyme Geburt sowie ihre Entscheidung, kurz vor Ablauf der gesetzlichen Frist die Obsorge für ihr Kind doch in Anspruch zu nehmen, wurden mit ihrer Person in Verbindung gebracht und online publik gemacht. Dabei handelt es sich um Angaben höchstpersönlicher Natur, die dem unantastbaren Kernbereich des Persönlichkeitsschutzes zuzurechnen sind.

Dem Autor des Artikels hätte ein derartiger Fehler nicht unterlaufen dürfen; die besondere Schutzwürdigkeit der Beschwerdeführerin war evident. Dass der Autor sich für sein Fehlverhalten entschuldigt hat, begrüßt der Senat grundsätzlich. Angesichts der Schwere der Persönlichkeitsverletzung hat dies jedoch keinen Einfluss auf die Beurteilung.

Berichte über anonyme Geburten, die geltende Rechtslage und die Situation von Pflegeeltern sind prinzipiell für die Öffentlichkeit relevant (Punkt 10 des Ehrenkodex). Bei einem derartig heiklen Thema müssen Journalistinnen und Journalisten jedoch ganz besonders auf den Persönlichkeitsschutz der Betroffenen achten.

Vor diesem Hintergrund vertritt der Senat die Ansicht, dass der Artikel – auch ohne Nennung ihres Namens – zu viele Details zur Beschwerdeführerin enthält, die ihre Identifizierung in einem beschränkten Personenkreis ermöglichen. Insbesondere die Angaben zu ihrem Beruf, die Art ihres Bachelorabschlusses, ihre Wohnverhältnisse und die Anzahl ihrer weiteren Kinder bewertet der Senat als überschießend.

Der Senat stellt fest, dass der vorliegende Artikel und dessen Online-Version sowie das Versehen des Onlineartikels mit einem Tag mit dem Vor und Nachnamen der Beschwerdeführerin und das Veröffentlichen einer Online-Unterseite auf „neue.at“ mit dem Vor- und Nachnamen der Beschwerdeführerin samt Verlinkung zu der Onlineversion des Artikels auf schwerwiegende Art und Weise gegen die Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz) und 6 (Intimsphäre) des Ehrenkodex verstoßen.

Da es sich hier um ein Schiedsverfahren handelt, muss die Entscheidung von der Beschwerdegegnerin in der „Neue am Sonntag“ sowie auf „neue.at“ veröffentlicht werden.

BESCHWERDEVERFAHREN

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Beschwerde einer Betroffenen ein Verfahren durch (Beschwerdeverfahren). In diesem Verfahren ist der Presserat ein Schiedsgericht iSd. Zivilprozessordnung.

Die Beschwerdeführerin sowie die Medieninhaberin der „NEUE am Sonntag“ und von „neue.at“ haben die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt.

Rückfragen & Kontakt

Österreichischer Presserat, Sprecherin des Senats 3
Christa Zöchling
Telefon: +43 - 1 - 23 699 84 - 11
E-Mail: info@presserat.at

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