• 12.12.2025, 16:26:02
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Nationalrat: Kontroverse Debatte über Neutralität und Sicherheitsstrategie

FPÖ legt 5-Punkte-Plan vor, Grüne drängen auf Einbindung des Parlaments

Wien (PK) - 

Mit den Themen Neutralität und Sicherheitsstrategie fand die heutige Debatte über die Ausgestaltung der österreichischen Landesverteidigung ihre Fortsetzung im Nationalrat. Ausgangspunkt dafür war unter anderem eine Initiative der FPÖ mit dem Titel "5-Punkte-Plan zum Schutz der Neutralität", die im Ausschuss jedoch keine Mehrheit fand. Darin forderten die Freiheitlichen die Bundesregierung auf, sich wieder auf die immerwährende Neutralität zu besinnen und sich entsprechend außenpolitisch zu verhalten.

Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und NEOS wurde hingegen ein Entschließungsantrag der Koalitionsparteien angenommen, in dem die Regierung ersucht wird, ihre sicherheitspolitischen Prioritäten rasch in die Überarbeitung der österreichischen Sicherheitsstrategie zu integrieren. Darauf drängten auch die Grünen in einem Antrag, der aber keine Mehrheit fand. Es brauche einen klaren Zeitplan und eine verstärkte Einbindung des Parlaments, forderte David Stögmüller (Grüne).

FPÖ: "Wiederherstellung der Neutralität" auf Basis eines 5-Punkte-Plans

Die österreichische Neutralität, die am 26. Oktober 1955 in einem eigenen Bundesverfassungsgesetz beschlossen wurde, sei nicht mehr und nicht weniger als die "DNA der Republik", zeigte sich der freiheitliche Mandatar Axel Kassegger überzeugt. Um von anderen Ländern als neutraler Staat wahrgenommen zu werden, brauche es aber mehr als Willensbekundungen und Resolutionen, nämlich auch ein entsprechendes Verhalten. Da dies nach Auffassung der Freiheitlichen in den letzten Jahren nicht mehr der Fall gewesen sei, habe seine Fraktion einen 5-Punkte-Plan ausgearbeitet, der das Ziel verfolge, die "Neutralität wiederherzustellen". Dieser umfasse unter anderem das Prinzip "Vermitteln statt Sanktionen", wobei Österreich auf eine jahrzehntelange Tradition zurückgreifen könne, machte Kassegger geltend.

Wichtig sei den Freiheitlichen auch, dass die Wirtschaft nicht "politisiert" und dass kein Kriegsgerät durch Österreich transportiert werden dürfe. Außerdem würden die Daten immer klarer zeigen, dass die Sanktionen gegenüber Russland nur der europäischen Wirtschaft selbst schaden und somit ein "Schuss ins eigene Knie" seien. Kritik übte Kassegger auch daran, dass Österreich nicht die "irische Klausel" nutze und stattdessen alle EU-Maßnahmen mittrage. Im Sinne der militärischen Landesverteidigung sei es zudem notwendig, das Bundesheer mit ausreichenden Mitteln auszustatten. Österreich sollte sich zumindest an den NATO-Standard annähern und 2 % des BIP dafür aufwenden, schlug er im Konkreten vor.

Auch Michael Gmeindl (FPÖ) vertrat die Auffassung, dass die österreichische Neutralität, die das Land seit Jahrzehnten geschützt habe, schrittweise untergraben werde. Er ging noch einmal detailliert auf den 5-Punkte-Plan seiner Fraktion ein und hob vor allem hervor, dass es "weniger EU-Gefolgschaft und mehr Selbstbestimmung" brauche. Das "Geschwurbel" der Einheitspartei zur Neutralität "bereite ihm körperliche Schmerzen", konstatierte FPÖ-Abgeordneter Christofer Ranzmaier, der abermals auf die Beachtung der "irischen Klausel" pochte. Volker Reifenberger (FPÖ) vermisste eine glaubwürdige Neutralitätspolitik und warf der Außenministerin vor, schon öfters in Kiew zu sein als im österreichischen Parlament. Außerdem übte er Kritik an der mangelnden Einbindung des Parlaments bei der Ausarbeitung der Sicherheitsstrategie.

ÖVP: Sicherheitsstrategie schafft Klarheit in den Bereichen Verteidigungs-, Sicherheits- und Außenpolitik

Die Neutralität sei fest in der Identität der Österreicherinnen und Österreicher verankert, betonte auch Friedrich Ofenauer (ÖVP). Durch den Beitritt zur Europäischen Union vor 30 Jahren seien Anpassungen notwendig gewesen, um den außen- und sicherheitspolitischen Verpflichtungen nachzukommen und um an der GASP mitzuwirken. Der freiheitliche Plan zur Neutralität stehe hingegen für Isolation, Ablehnung der Europäischen Union und der internationalen Zusammenarbeit. Ausgenommen davon sei nur die Partei von Putin, zumal es den mit ihr abgeschlossenen Freundschaftsvertrag noch immer gebe, zeigte Ofenauer auf. Zudem bestünden fragwürdige Kontakte mit "patriotischen Parteien", die möglicherweise einzelne Länder aus der EU herauslösen wollten. Die FPÖ negiere auch ständig die Tatsache, dass die österreichische Neutralität eine militärische sei und keine politische. Was die sogenannte irische Klausel angehe, so könnten natürlich im Einzelfall die Maßnahmen an die Neutralität angepasst werden.

Um in diesen Fragen mehr Klarheit zu schaffen, haben die Regierungsfraktionen in einem Ministerratsvortrag die gemeinsamen Grundsätze in den Bereichen Verteidigungs-, Sicherheits- und Außenpolitik festgelegt, erläuterte er. Neben dem Bekenntnis zur Neutralität enthalte er auch die Beschreibung der Möglichkeiten der Teilnahme an internationaler Konfliktprävention wie etwa im Rahme der UNO und der OSZE. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen sei aber auch klar geworden, dass Europa seine Sicherheit mehr denn je selbst in die Hand nehmen und Abhängigkeiten reduzieren müsse.

SPÖ übt Kritik am Neutralitätsbegriff der Freiheitlichen

Der Titel des freiheitlichen Antrags klinge zwar gut, "verenge die Neutralität aber auf Isolation und Abschottung", urteilte Petra Oberrauner (SPÖ). Diese Initiative gefährde die Sicherheit, die sie angeblich schützen solle. Das sei ihrer Meinung nach weder verantwortungsvoll noch realistisch. Die Sicherheit und der Wohlstand Österreichs beruhe auf drei Säulen, nämlich der aktiven und wehrhaften Neutralität, auf der EU als Friedensunion sowie auf einer Weltordnung, in der das Völkerrecht gelte und nicht das Recht des Stärkeren. Die SPÖ habe unter der Neutralität immer die militärische Neutralität verstanden, unterstrich Oberrauner. Sie bedeute daher nicht, passiv zu bleiben oder wegzuschauen. Deshalb seien alle Ansätze abzulehnen, die Österreich isolieren, wirtschaftlich schwächen oder die Zusammenarbeit mit den Partnern einzuschränken.

NEOS spricht von "orientierungsloser" Opposition



Die Anträge der Opposition würden zeigen, wie orientierungslos sie sei, meinte Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS). So erinnerte er etwa den Abgeordneten Stögmüller (Grüne) daran, dass erst gestern die Ergebnisse der Bürgerforen präsentiert worden seien, die in die Sicherheitsstrategie einfließen werden. Was die Freiheitlichen betreffe, so sei deren Linie sehr inkonsequent, urteilte Hoyos-Trauttmansdorff, der dafür einige Beispiele anführte. Während die FPÖ etwa Sanktionen gegenüber Russland ablehne, habe sie sich im Jahr 2020 für Sanktionen gegenüber der Türkei ausgesprochen. Auch beim Thema Transport von Kriegsgeräten müsse man sehen, dass das entsprechende Gesetz in einer Zeit beschlossen wurde, als die FPÖ an der Regierung war. Schließlich verwies Hoyos-Trauttmansdorff noch auf das Buch von Jörg Haider mit dem Titel "Friede durch Sicherheit", in dem ein klares pro-europäisches Bekenntnis zum Ausdruck komme.

Grüne: Sicherheitsstrategie muss breit aufgestellt und transparent diskutiert werden

David Stögmüller (Grüne) begründete den Antrag der Grünen damit, dass es um die entscheidende Frage gehe, wie resilient und handlungsfähig Österreich in den kommenden Jahren sein werde. Vor allem nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine habe sich die sicherheitspolitische Lage entscheidend geändert. Zudem würden viele Bereiche ineinandergreifen, argumentierte Stögmüller, der die militärische Verteidigungsfähigkeit, die Diplomatie, die Entwicklungszusammenarbeit, die Energiesicherheit sowie die Klimapolitik ins Treffen führte. Er unterstütze es daher ausdrücklich, dass die Sicherheitsstrategie breiter aufgestellt werde. Gleichzeitig müsse sie ganz klare Prioritäten setzen, Risiken deutlich benennen und politische Verantwortlichkeiten sichtbar machen, forderte Stögmüller. Die Sicherheitsstrategie dürfe daher nicht weiter vertagt, sondern müsste noch in diesem Jahr vorgelegt werden.

Tanner: Neutralität muss auch verteidigt werden

Laut einer aktuellen Umfrage stehen 70 % der Österreicherinnen und Österreicher hinter der Neutralität, zeigte Bundesministerin Klaudia Tanner auf. Gleichzeitig würden österreichische Soldatinnen und Soldaten "quer über dem Erdball" in den verschiedensten Missionen eingesetzt, was international im höchsten Maße anerkannt werde. Egal ob bei Erdbeben, Überschwemmungen oder im Rahmen von friedenserhaltenden Aktivitäten - sie würden überall eine großartige Arbeit leisten.

Nach Auffassung von Tanner müsse die Neutralität aber auch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigt werden. Erfreulicherweise konnten in den letzten Jahren deutlich mehr Gelder bereitgestellt werden, um das Bundesheer entsprechend auszustatten und um das angestrebte Ziel von 2 % des BIP erreichen zu können. (Fortsetzung Nationalrat) sue

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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