- 12.12.2025, 14:46:33
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Nationalrat spricht sich einstimmig für Schritte zur Stärkung der digitalen Souveränität Österreichs aus
Grüne warnen vor "digitaler Abhängigkeit" der österreichischen Verwaltung
Anknüpfend an eine Initiative der Grünen hat sich der Nationalrat heute einhellig für Maßnahmen zur Stärkung der digitalen Souveränität Österreichs ausgesprochen. In einer Entschließung werden die Bundesregierung und insbesondere der Bundeskanzler ersucht, die im Ministerratsvortrag vom 12. November 2025 angeführten Vorhaben unter Berücksichtigung der Inhalte der vor Kurzem von allen EU-Mitgliedsstaaten unterzeichneten Erklärung zur Europäischen Digitalen Souveränität umzusetzen. Die Umsetzung solle innerhalb der nächsten sechs Monate beginnen. Zudem wünscht der Nationalrat halbjährliche Berichte über die Fortschritte.
Keine Mehrheit erhielt der ursprüngliche Antrag der Grünen. Darin warnen sie, dass die digitale Souveränität der EU und auch Österreichs an einem Kipppunkt stehe. Die österreichische Verwaltung bezahle jährlich Millionen Euro an Tech-Konzerne außerhalb der EU für deren proprietäre Systeme und habe sich damit in eine "veritable Abhängigkeit gebracht", kritisieren die Grünen.
FPÖ: Bundesregierung wird an der Umsetzung gemessen werden
Aus Sicht des FPÖ-Abgeordneten Gerhard Deimek benennt der Antrag der Grünen die Schwachstellen in der digitalen Souveränität der österreichischen Verwaltung und zeigt die richtigen Maßnahmen auf. Wer sich von ausländischen Anbietern abhängig mache, sei im Ernstfall erpressbar, warnte er. Was die Entschließung der Koalition betreffe, so werde seine Fraktion ihr zustimmen, weil sie zumindest einige formale Festlegungen enthalte. Die Bundesregierung werde aber letztlich nicht an ihren Willenserklärungen, sondern an dem, was tatsächlich umsetzt wird, zu messen sein.
SPÖ: Müssen demokratische Regeln auch im digitalen Raum durchsetzen
Petra Oberrauner (SPÖ) sah digitale Abhängigkeit als reales Risiko für Souveränität, Demokratie und Rechtsstaat. Die jüngsten internationalen Entwicklungen würden das sehr deutlich zeigen. Um diesen Gefahren entgegenzutreten, brauche es europäische Zusammenarbeit und einen starken Binnenmarkt. Die österreichische Bundesregierung habe in diesem Sinn auf europäischer Ebene die Erklärung zur Europäischen Digitalen Souveränität initiiert und mit dem Digital Austria Act 2.0 den notwendigen Rahmen für eine gemeinsame Digitalisierungsstrategie der Republik geschaffen. Der Staat sei der größte IT-Kunde des Landes und könne daher maßgeblichen Einfluss auf digitale Innovationen nehmen. Der Antrag der Koalition ziele darauf auf, diesen Hebel konsequent zu nützen.
Auch Peter Harrer (SPÖ) wies auf die aktuellen geopolitischen Herausforderungen für die Europäische Union hin. Europa und Österreich würden vor der Entscheidung stehen, ihre digitale Zukunft selbst zu gestalten, oder sich in weitere Abhängigkeiten zu begeben. Digitale Souveränität sei kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für den Schutz der eigenen Werte und Sicherheitsinteressen. Besonders wichtig sei dabei der Schutz sensibler Daten. Die Digitalisierung müsse für Wirtschaftswachstum, gesellschaftliche Teilhabe und effiziente öffentliche Dienstleistungen genützt werden, forderte Harrer.
Heinrich Himmer (SPÖ) sagte, ein "digitaler Humanismus" müsse dafür sorgen, dass die Digitalisierung dem Menschen diene und nicht umgekehrt. Das bedeute, der Staat müsse im digitalen Bereich handlungsfähig bleiben und für digitale Gerechtigkeit sorgen. In dieselbe Kerbe schlug auch Antonio Della Rossa (SPÖ). Die zentrale Frage sei, wem der digitale Raum gehöre, sagte er. Europa habe daher Regeln geschaffen, die die Grundrechte schützen und von digitalen Plattformen Verantwortung einfordern sollen. Ein großes Problem sei es, wenn jene, die den digitalen Raum dominieren, autoritäre Muster forcieren. Dagegen müsse sich Europa schützen und auch hier die Einhaltung demokratischer Regeln durchsetzen. Es sei positiv, dass Österreich hier eine Vorreiterrolle einnehme. Nun müssten aber auch entsprechende Handlungen folgen.
Grüne warnen vor Aufweichung der Digitalgesetzgebung der EU
Digitale Souveränität sei eine wichtige Sicherheitsfrage, und die Grünen würden nicht aufhören, darauf zu drängen, dass sie ernst genommen werde, betonte Süleyman Zorba (Grüne). Er danke dem Bundeskanzler für seine Initiative auf europäischer Ebene, doch gelte es nun, auch in Österreich "die Hausaufgaben zu machen". "Irritierend" sei dabei aus seiner Sicht, wenn nach wie vor amerikanische High-Tech-Konzerne als Partner Europas gesehen würden, obwohl gerade diese immer wieder versuchen würden, die europäischen Bestrebungen in der Digitalgesetzgebung zu untergraben. Leider hätten sie dabei auch die Unterstützung der aktuellen US-Administration.
Zorba warnte auch vor dem geplanten "Digitalen Omnibus" der Europäischen Kommission. Unter dem Vorwand der Vereinfachung wolle dieses EU-Regulierungspaket die europäische Digitalgesetzgebung aufweichen. Damit würde man den großen High-Tech-Konzernen zu sehr entgegenkommen, befürchtete Zorba. Europa müsse vielmehr der Macht dieser Konzerne etwas entgegensetzen. Der Antrag seiner Fraktion benenne die wichtigsten Schritte und konkrete Maßnahmen, die zur Stärkung der digitalen Unabhängigkeit gesetzt werden sollten. Der Antrag der Regierungsfraktionen bleibe dahinter deutlich zurück.
ÖVP: Europa hat die Chance, digitale Freiheit zurückzugewinnen
Die ÖVP-Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli betonte, sie sei nicht grundsätzlich gegen den Antrag der Grünen, doch sei dieser durch neue Entwicklungen teilweise überholt. In der Frage der digitalen Souveränität sehe sie eine breite Übereinstimmung, dass es unumgänglich sei, einen eigenen europäischen Weg zu finden, und eine gute Zusammenarbeit mit den Grünen, aber auch mit der FPÖ. Digitale Souveränität bedeute die Zurückgewinnung von mehr Freiheit. Die von Österreich initiierte Erklärung zur digitalen Souveränität Europas sei ein wichtiges Signal für einen Schulterschluss in dieser Frage. Die Europäische Union könnte als großer Markt weit selbstbewusster auftreten, meinte Jeitler-Cincelli. Sie habe beobachtet, dass viele renommierte Forscherinnen und Forscher im Digitalbereich sehr interessiert daran wären, nach Europa zurückzukehren. Um die besten Köpfe zurückzuholen, bedürfe es aber einer gemeinsamen Anstrengung und eines gemeinsamen europäischen Rechtsrahmens.
Die Entwicklung künstliche Intelligenz, die im Grunde eine "große Illusionsmaschine" sei, benötige für die Durchführung ihre Rechenleistungen "unfassbar große Datenmengen", führte Rudolf Taschner (ÖVP). Das Wesen der digitalen Souveränität bestehe daher darin, die Hoheit über diesen Datenschatz zu bewahren. Darin liege eine große Aufgabe für den Staat, betonte Taschner.
Lukas Brandweiner (ÖVP) sah digitale Souveränität als Frage der Zukunftsfähigkeit des Standortes und der Sicherheit der kritischen Infrastruktur. Entscheidend werde die Herangehensweise sein, denn nationale Alleingänge würden wenig bewirken. Hier gelte es, die Kräfte in Europa zu bündeln und als geeinter Binnenmarkt aufzutreten. Der Digitalisierungsgipfel in Wien habe mit der Erklärung zur Europäischen Digitalen Souveränität in dieser Hinsicht einen Meilenstein gesetzt. Auch Martina Diesner-Wais (ÖVP) begrüßte, dass Österreich mit der Erklärung eine treibende Kraft in einem wichtigen Zukunftsthema geworden sei.
NEOS: Brauchen gesamtstaatliche IT-Konsolidierung
Ines Holzegger (NEOS) betonte, digitale Souveränität bedeute nicht Abschottung, sondern selbstbestimmtes Handeln. Derzeit herrsche bei Schlüsseltechnologien kein echter Wettbewerb. Europa sei zu stark von chinesischen und US-amerikanischen Anbietern abhängig, da nicht genug starke europäische Alternativen auf dem Markt seien. Neben hohen Lizenzkosten stelle der Verlust der Datenhoheit ein echtes Problem dar. In Österreich sei das Bild "relativ durchwachsen", meinte Holzegger. Das Landesverteidigungsministerium setze bereits seit längerem auf One-Source-Lösungen, sei damit in der Verwaltung aber leider noch eher die Ausnahme. Daher gelte es, die öffentliche Beschaffung als wichtigen Hebel einzusetzen. Im Sinne der Reformpartnerschaft sollte eine gesamtstaatliche IT-Konsolidierung erfolgen. Österreich sollte sich auch verstärkt für die Förderung der europäische Cloud- und Dateninfrastruktur einsetzen.
Die Debatte über die digitale Souveränität sollte gelegentlich "weniger aufgeregt" geführt werden, meinte Veit Dengler (NEOS) in Richtung der Grünen. Die Gründe dafür, dass es keine große Tech-Konzerne Europas gebe, seien in den schwierigen Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung in Europa, mangelndem Kapital und dem Fehlen eines einheitlichen Binnenmarktes zu suchen. "Das Problem sind wir selber", meinte Dengler. Ein kleines Land wie Österreich könne zwar keine volle digitale Souveränität, aber zumindest eine gewisse strategische Autonomie erreichen. Dazu müssten aber einige grundlegende Entscheidungen getroffen werden, etwa wenn es um die Auswahl der verwendeten Systeme und um die Beschaffung gehe. Europa müsse zudem wieder ermöglichen, dass große, erfolgreiche Firmen aufgebaut werden können. (Fortsetzung Nationalrat) sox
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