• 11.12.2025, 09:26:32
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Jahrestagung Bau 2025

Klimafit, digital, leistbar: Wie Standards den Wandel im Bausektor vorantreiben

Hier geht es zur Bildergalerie der Jahrestagung Bau 2025 vom 4.
Dezembei 2025.
Wien (OTS) - 

Am 4. Dezember 2025 lud Austrian Standards, die österreichische Standardisierungs-Organisation, im Rahmen der Jahrestagung Bau 2025 zum Austausch über die neuen Herausforderungen im Bausektor und die entscheidende Rolle von Standards bei deren erfolgreicher Bewältigung ein. Renommierte Expert:innen aus unterschiedlichen Bereichen diskutierten, wie der Bausektor angesichts wachsender Anforderungen wie Klimaneutralität, Ressourcenschonung und Digitalisierung zukunftsfähig gestaltet werden kann.

Als Abschluss des WE NORM THE FUTURE | Summit 2025 zeigte das große Interesse an der Jahrestagung Bau 2025 – einer Kooperation von Austrian Standards und der Bundesinnung Bau der WKÖ, moderiert von Gudrun Ghezzo –, wie bedeutend dieses Thema für den Bausektor ist. Angesichts wachsender Nachhaltigkeitsanforderungen und zunehmenden Preisdrucks arbeitet der Bausektor daran, wirtschaftliche Erfolge weiter auszubauen. Denn klimafreundliches und dabei leistbares Bauen wird immer öfter gefordert, und das in einem heißumkämpften Markt. Valerie Höllinger, CEO von Austrian Standards, betonte in ihrer Eröffnungsrede, dass Bauen immer ein Wert für Generationen sei und unter dem Aspekt der Leistbarkeit und Wirtschaftlichkeit gesehen werden müsse. „Was wir heute errichten, wird das Leben kommender Generationen prägen. In einer Welt, die stark vom Klimawandel geprägt sein wird, ist Klimaneutralität wichtig, aber sie reicht nicht mehr: Wir brauchen Klimaresilienz. Dazu gehören Planungsinstrumente, die Extremereignisse realistisch abbilden, Bauprodukte, die langfristig robust sind, und Standards, die Klimarisiken systematisch berücksichtigen. Ohne Standards wird der Übergang in eine klimafitte, digitale und leistbare Bauwelt nicht gelingen“, so Höllinger.

Kreislaufwirtschaft im Bausektor: Ressourcenschonung statt -verschwendung

Weniger Vergeudung wertvoller Materialien ist ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht, Bauen zukunftsfit zu gestalten. Unter dem Gesichtspunkt der Kreislaufwirtschaft werden Bauabfälle nicht als Müll angesehen, sondern als Wertstoff, der weiter verwendet werden kann. In dem ersten Deep Dive wurde untersucht, wie Normen und Standards diesen Prozess unterstützen können.

Anna-Vera Deinhammer von der FH Wien der WKW, Stiftungsprofessur für Sustainable Real Estate Development, bestärkte zu Beginn dieses Deep Dives den Aufruf von Valerie Höllinger, in der Standardisierung mitzuarbeiten: „Kreislaufwirtschaft und zirkuläres Bauen schaffen wir nur zusammen. Denn eine Immobilie vereint viele Perpektiven, und nur wenn wir unsere Datenlücken schließen und sie in verlässliche Standards übersetzen, können wir Unsicherheiten reduzieren und unsere gebaute Umwelt klima- und ressourcenschonend weiterentwickeln.“

Otto Handle, Vorsitzender der CEN/CENELEC/JTC 24 WG4 Digital Product Passport - Interoperability, eröffnete seinen Deep Dive zu den Themen EN 15804, Materialpässe und der EU-Kreislaufstrategie mit einer Einschätzung zum Green Deal: „Der Green Deal geht nicht wieder weg – genauso wenig wie das Internet. Er ist kein bürokratisches Monster, sondern ein Schutzinstrument für die europäische Umwelt und Wirtschaft: Durch Kreislaufwirtschaft halten wir knappe Rohstoffe im europäischen Markt und schaffen mit dem digitalen Produktpass Markttransparenz und Fairness.“ Über den Digitalen Produktpass DPP führte er weiter aus: „Der Digitale Produktpass ist wie ein Führerschein: Er dokumentiert die Erfüllung der europäischen Anforderungen an Nachhaltigkeit und Klimaschutz, begründet diese aber nicht. Nur wenn konformes Produktdesign, Produktdokumentation und Zertifizierungen gemäß der Ökodesign-Verordnung (ESPR) vorliegen, darf ein DPP publiziert und das Produkt verkauft werden.“

Alois Fürnkranz, Geschäftsführer von Saubermacher und Betreiber des ersten Gips zu Gips Recylingswerkes Österreichs, hob die Bedeutung von Rückbau- und Demontierbarkeits-Vorgaben für zukunftsfähige Planungen hervor: „Mit klaren, praxistauglichen Standards können wir aus Abfall wieder Rohstoff machen und so unlauteren Wettbewerb sowie illegale Entsorgung wirksam eindämmen.“ Als ein Ziel nannte er unter anderem die Kombination unterschiedliche Vorteile der einzelnen Werkstoffe im Endwerkstoff mit gleichzeitiger Ausschließung der Nachteile.

Klimaresilientes Bauen – intelligente Lösungen für herausfordernde Zeiten

Verändertes Klima und damit einhergehende Extremwetterverhältnisse wie Starkregen, Hagel oder Hitze stellen die Baubranche vor neue Herausforderungen, die smarte Lösungen erfordern – etwa für das Regen- bzw. Wassermanagement oder hitzeresistente Bauten und Städteplanung. Welche Rolle Standards und Versicherungen dabei spielen, etwaige Risiken zu senken, Schutzbedürfnisse zu erfüllen und zukunftsfähige Bauweisen zu etablieren, waren Thema des zweiten Deep Dive.

Alexander Sieh, Bauphysiker, Hochschule Campus Wien, nannte in seinem Vortrag konkrete Zahlen: „2024 zählten wir in Wien an der Messstation Innere Stadt 52 Hitzetage, zahlreiche Tropennächte und auch vereinzelte Wüstentage. Damit stoßen unsere bisherigen, rein passiven Konzepte für sommerlichen Wärmeschutz an ihre Grenzen. Wenn wir unsere Städte auch in Zukunft lebenswert halten wollen, müssen wir Gebäudephysik und Haustechnik konsequent mit grüner und blauer Infrastruktur verbinden: mit begrünten Dächern und Fassaden, Bäumen, Wasserflächen und kühlen Freiräumen, die die Umgebung nachweislich um mehrere Grad absenken. Standards für klimaresiliente Stadt- und Gebäudeplanung werden damit zum Schlüssel.“

Peter Tschemer, Head of Reinsurance and Underwriting P&C Generali, sprach zum Thema, ob unsere gebaute Umwelt noch versicherbar sei: „Die durch Naturkatastrophen verursachten Kosten steigen seit Jahrzehnten ungebremst. Die Versicherungswirtschaft kann davon zwar viel abfedern, aber sie deckt immer nur einen Teil des Gesamtrisikos ab, den Rest tragen Konsument:innen, Unternehmen und die öffentliche Hand. Deshalb beginnt wirksame Prävention für mich bereits beim Bau: mit der Wahl geeigneter Standorte, widerstandsfähiger Materialien und einem Objektschutz, der Klimarisiken von Anfang an mitdenkt.“ Er betonte, dass sich die Versicherungswirtschaft in einem neu verstandenen Risikomanagement künftig noch stärker in die Entwicklung neuer Bauteile, innovativer Verfahren und in die Standardisierung einbringen will.

Susanne Formanek, Geschäftsführerin GRÜNSTATTGRAU und RENOWAVE.AT, führte zum Abschluss dieses Deep Dives die Bedeutung von Grünflächen am Dach aus: „Gründächer helfen nicht nur, die Stadt zu kühlen. Wichtig für uns ist immer die Messbarkeit, mit der wir die Wirkung nachweisen und somit die passive Maßnahme darstellen können.“ Weiters führte Formanek aus: „Gründächer sind auch ein sehr guter Schutz gegen Hagel, Starkregen und Wind. Mit der neuen ÖNORM B 1131 bekommen Planer:innen und Städte 2026 ein klares Begrünungsziel und ein Pflegekonzept an die Hand und damit die Sicherheit, dass Dachbegrünung im Klimawandel genau das leistet, was sie soll.“

Digitale Transformation & Energiestandards im Bauwesen

Im Panel „Von BIM zur Bauwahrheit“ diskutieren Expert:innen aus Planung, Technologie, Bauwirtschaft und Normung, wie digitale Standards die Branche verändern – von Building Information Modeling (BIM) und Common Data Environments (CDE) bis hin zu digitalen Produktpässen als Instrumente für Compliance und Transparenz. Im Mittelpunkt standen der Status quo der Implementierung, praktische Hürden in Projekten sowie Effizienzpotenziale entlang des gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks – von der Planung über die Ausführung bis zum Betrieb.

Auf dem Podium: Clemens Neubauer, Head of BIM Excellence, Porr Group; Geschäftsführer pde Integrale Planung, Clemens Horvath, Leitung Kundenbetreuung, A-NULL Bausoftware GmbH, Christoph Eichler, CEO Vie Build GmbH, Julia Weber, Head of Sustainability, Doka, und Thomas Hoppe, Präsident des Verbands der Ziviltechniker- und Ingenieurbetriebe VZI, Geschäftsführer HOPPE architekten ZT-GmbH. Er sagte: „Uns fehlt eine Ausbildung für Geschäftsleitungen und Mittelstand in den größeren Bürostrukturen, die erklärt, warum BIM Sinn macht und wo die echten Mehrwerte und eine interne Wertschöpfung liegen. Erst wenn wir Führungsebenen für eine zweckorientierte Datennutzung gewinnen, wird BIM zum Effizienzhebel. Und wir müssen uns darauf einigen, welche Daten wir nutzen wollen und wie wir sie in nutzbare Informationen umwandeln können.“

Energiepolitik im Gebäudebereich: Von der Richtlinie zur Realität

Im Rahmen der Session zur Energiepolitik im Gebäudebereich bildeten die aktuellen Herausforderungen der Wärmewende den Schwerpunkt. Ein kompakter Faktencheck beleuchtete zunächst neue EU-Richtlinien, nationale Energiestandards und Dekarbonisierungsziele – mit besonderem Fokus darauf, was diese Vorgaben konkret für Planung, Sanierung und Neubau bedeuten.

Christian Pöhn, Magistratsdirektion der Stadt Wien, GB Bauten und Technik, ordnete in einem Faktencheck die regulatorischen Entwicklungen ein: „Wir kommen aus einem fossilen Zeitalter und wollen in eine dekarbonisierte Welt, und der Gebäudesektor spielt dabei eine Schlüsselrolle. Damit der Weg von der Richtlinie zur Realität gelingt, brauchen wir standardisierte Energiekennzahlen, die physikalischen Regeln folgen und Kosten seriös abbilden statt bloßer Wunschwerte.“

Im anschließenden Fachdialog diskutierte Christian Pöhn gemeinsam mit Georg Stadlhofer, Geschäftsführer Drees & Sommer Österreich, Theresia Reiter, geschäftsführendes Vorstandsmitglied Alpenland, Nicole Kirchberger, Abteilungsleiterin „Regionale und Urbane Transformation und Klimawandelanpassung“ im Klima- und Energiefonds, und Fritz Mühlener, Geschäftsführer IfEA Institut für Energieausweis GmbH, wie sich energiebezogene Anforderungen im Gebäudebereich tatsächlich umsetzen lassen. Die Session zeigte auf, wo Planung, Normung und Politik bereits gut ineinandergreifen und wo es noch Anpassungen braucht, damit die Dekarbonisierung des Gebäudebestands schneller und verlässlicher gelingt.

Wieviel Norm ist leistbar? Wie Standards Kosten und Finanzierung beeinflussen

Abschließend nahm das Panel „Wieviel Norm verträgt die Leistbarkeit? Projektkosten, Förderung & Finanzierung im Reality-Check“ die wirtschaftliche Dimension in den Blick. Es wurde analysiert, wie sich technische Standards auf Kosten, Fördermodelle und Finanzierung auswirken können.

Peter Bauer, Vizepräsident, Kammer der Ziviltechniker:innen, begann die Diskussion und nannte ein Bespiel: „Im Straßenverkehr gibt es Mindestanforderungen, die jeder einhalten muss – vom alten VW Käfer bis zum modernen Auto. Ähnlich sollten wir auch im Gebäudebestand Mindeststandards wie Rauchmelder in Treppenhäusern setzen: einfache, kostengünstige Maßnahmen, die die Sicherheit wesentlich erhöhen. Nicht jede Maßnahme muss immer dem neuesten Stand der Normen entsprechen, aber Mindeststandards sollten wir als Gesellschaft klar definieren und umsetzen - dies würde dann auch Haftungsprobleme, die aus der Verkehrssicherungspflicht des ABGB abgeleitet werden, wesentlich entschärfen.“ Wichtig sei die Unterscheidung von Gesetzen und Standards. „Gesetze geben Ziele vor, Standards die Methode“, so Bauer.

Beatrix Rauscher, Gruppenleiterin des Kompetenzzentrums „Bahninfrastruktur, Regulative Bau, Ingenieurservices, Normen“, Baudirektion der Stadt Wien, unterstützte die Aussage, dass es sehr wichtig sei, in der Begrifflichkeit präzise zu sein, und betonte: „Beim Thema ‚Bauen außerhalb der Norm‘ kommt es darauf an, genau zu unterscheiden, was eine klassische Norm, eine EU-Richtlinie oder eine OIB-Richtlinie ist. Genauso wichtig ist zu verstehen, welchen Zweck die Norm erfüllt – geht es um Mindestanforderungen oder Sicherheitsniveaus – und welchen tatsächlichen Einfluss eine Anpassung auf die Baukosten hat.“

Gerhild Bensch-König, Geschäftsführung Raiffeisen Wohnbau, Präsidentin Salon Real, stellte fest, dass es nicht die Normen seien, die die Preise treiben. „Die entscheidenden Kostenblöcke liegen woanders – bei Materialpreisen, der Zinslast aufgrund der langen Genehmigungsverfahren, gestiegenen Löhnen und Baukosten. Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Neubauten nach dem neuesten Stand der Technik gebaut werden. Achten müssen wir darauf, dass wir nicht überdimensionieren."

Auch Doris Molnar, Vorständin GEDESAG, betonte, dass es nicht die Standards seien, die Bauen teuer machten. „Der größte Kostenfaktor im Wohnbau ist die Finanzierung: Ein Prozent mehr Zinsen heißt ein Euro mehr Miete pro Quadratmeter. Am Ende müssen wir uns als Gesellschaft fragen: Wieviel Wohnfläche brauche ich wirklich und was ist mir eine Wohnung wert“, so Molnar.

Den Abschluss der Jahrestagung Bau 2025 bildete ein offenes Plenum und ein Rückblick von Stefan Wagmeister, Teamlead Bau und gremienübergreifendes Community-Management bei Austrian Standards. „Die Jahrestagung Bau zeigt, wie etabliert sie bereits ist und wie vielfältig die Themen sind. Heute wurde erneut deutlich, dass Standardisierung als Ermöglicher wirkt – gerade im Zusammenspiel mit gesetzgebenden Regelsetzern oder in der Digitalisierung, wo wir nur vernetzt weiterkommen. Wir brauchen eine gemeinsame Sprache für das Gebäudedatenmodell: klare Regeln, welche Daten in welcher Qualität, von wem und zu welchem Zeitpunkt übergeben werden, damit sie in Planung, Bau und Betrieb wirklich nutzbar sind. Dafür müssen wir in der Normung vorausschauender und schneller werden – wenn es notwendig ist, müssten wir früher mit guten generischen Lösungen starten und danach zyklisch weiterentwickeln. Gerade in dynamischen Feldern, wie es die Digitalisierung im Bausektor ist, müssen Standards verfügbar sein, wenn sie gebraucht werden und nicht erst, wenn man meint, alles abgedeckt zu haben – 100 % im ersten Wurf ist in manchen Bereichen unrealistisch.“

Hier geht es zur APA-Fotogalerie. Fotocredit: Austrian Standards/APA-Fotoservice/Juhasz

Rückfragen & Kontakt

Austrian Standards
Mirjana Verena Mully

Head of Communications
Telefon: +43 676 897124301
E-Mail: m.mully@austrian-standards.at
Website: https://www.austrian-standards.at/de

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