• 10.12.2025, 11:23:33
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Digitaler Reality-Check für Wien: Digitale Selbstsicherheit, reale Wissenslücke

v.l.: Martin Heimhilcher (Obmann Sparte IC der WKW), Markus
Schaffhauser (Präsident Fit4Internet), Petra Postl
(Geschäftsführerin Raiffeisen Digital GmbH), Christoph Becker
(Geschäftsführer ETC)
Wien (OTS) - 

Wien steht im Zentrum der digitalen Transformation. Gleichzeitig zeigt die Sonderauswertung des Digital Skills Barometer 2025/26, dass die digitalen Fähigkeiten der Wiener Erwerbstätigen hinter ihren eigenen Erwartungen zurückbleiben. Wie der von fit4internet gemeinsam mit den Co-Herausgebern Wirtschaftskammer Wien sowie ETC vorgestellte „Vienna Digital Skills InSight“ offenbart, schätzen Wiener Erwerbstätige ihre digitalen Fähigkeiten weit höher ein, als sie tatsächlich sind: Während die Selbsteinschätzung bei 69 von 100 Punkten liegt, erreichen sie im Wissenstest rund um Cloud, Cyber, Data und KI nur 39 Punkte. Dieser Technology Skills Gap von rund 30 Punkten ist exemplarisch für die markante Diskrepanz zwischen Selbstbild und tatsächlichem Wissen.

Signifikante Überschätzung bei digitalen Grundlagen
Besonders kritisch fällt der Umgang mit Informationen und Daten aus: In dieser zentralen Domäne liegt die Differenz zwischen Selbstbild und überprüftem Wissen bei 45 Punkten. Dieser Wert zeigt, dass viele Beschäftigte wesentliche Konzepte rund um Datenqualität, Datenverarbeitung und Datenbewertung nur eingeschränkt verstehen. Ähnlich groß ist die Lücke bei digitalen Grundlagen, hier beträgt sie 42 Punkte.

„Diese Selbstüberschätzung ist ein reales Risiko für Unternehmen und den Wirtschaftsstandort Österreich“, betonte Markus Schaffhauser, Präsident von fit4internet und SVP Atos Group. „Wer glaubt, digital souverän zu sein, tatsächlich aber zentrale Mechanismen nicht versteht, trifft im Zweifel falsche Entscheidungen. Wir brauchen diese ehrlichen Bestandsaufnahmen, um daraus gezielte Maßnahmen für den Aufbau von digitalen Kompetenzen entwickeln zu können.“

Wien ist bei Cybersecurity am stärksten, schwächelt aber bei Cloud und Daten
Zwischen den einzelnen Technologiefeldern bestehen in diesem Kontext wesentliche Unterschiede: Cybersecurity ist mit 57 Punkten am stärksten ausgeprägt, dennoch fehlen vielfach praktische Schutzmechanismen wie Passwortmanager, Sicherheitsrichtlinien oder Verschlüsselungsroutinen. Cloud-Kompetenzen liegen bei 39 Punkten, vor allem in kleineren Unternehmen. Die Künstliche Intelligenz erreicht 35 Punkte, was darauf hinweist, dass – insbesondere generative - KI im Alltag zwar immer häufiger genutzt wird, aber die Mechanismen und Grundlagen nur selten im Detail verstanden werden. Am schwächsten ausgeprägt ist das Verständnis der Daten-Domäne, das nur 27 Punkte erreicht.

„Wer KI sinnvoll einsetzen will, muss zuerst das Prinzip verstehen, nach dem Daten entstehen, verarbeitet und bewertet werden“, erklärte Christoph Becker, Geschäftsführer des ETC. „Solange diese Grundlage fehlt, bleibt das Potenzial neuer Technologien weitgehend ungenutzt.“

Gender Gap und Bildung als prägende Faktoren
Die Studie geht ebenso auf die signifikanten Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen ein: Männer verfügen mit einer hohen Technologieaffinität von 54 Prozent über deutlich bessere Ausgangswerte als Frauen, die hier nur 30 Prozent erreichen. Gleichzeitig zeigt sich, dass der Bildungsgrad stark auf das Kompetenzniveau wirkt: Personen mit höherer formaler Ausbildung liegen je nach Domäne 30 bis 40 Prozent über dem Durchschnitt. Besonders auffällig ist der Generationsvergleich: Die unter 30-Jährigen erzielen die höchsten Werte in Cybersecurity, Daten und KI, während die über 50-Jährigen zurückfallen.

„Der digitale Gender Gap ist aber kein altersbedingtes Phänomen, sondern ein strukturelles“, so Martin Heimhilcher, Spartenobmann Information & Consulting der Wirtschaftskammer Wien. „Wir brauchen digitalen Unterricht in allen Schultypen und eine aktivere Heranführung junger Frauen an digitale Themen. Das ist eine zentrale Zukunftsfrage für den Standort Wien und um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.“

Private Nutzung hoch, berufliche Nutzung unterschätzt
Die Nutzungsdaten verdeutlichen, dass digitale Technologien privat deutlich öfter „bewusst“ genutzt werden als beruflich. Während 62 Prozent KI privat einsetzen, sind es im beruflichen Kontext nur 34 Prozent. Für Cloud-Anwendungen gilt ein ähnliches Bild: 65 Prozent privat, 39 Prozent beruflich. Cybersecurity-Anwendungen werden von 75 Prozent privat genutzt, jedoch nur von 48 Prozent am Arbeitsplatz. Die Ergebnisse zeigen, dass viele digitale Technologien in Unternehmen zwar vorhanden sind, aber nicht bewusst als solche wahrgenommen werden.

„In vielen Unternehmen sind digitale Tools längst vorhanden, werden aber entweder nicht bewusst wahrgenommen oder nur teilweise genutzt“, erklärte Petra Postl, Geschäftsführerin der Raiffeisen Digital GmbH. „Im Bereich Data Analytics sehen wir jedenfalls, dass Systeme und Anwendungen bereitstehen, die Nutzung und die Kompetenzen zum aktiven Einsatz aber hinterherhinken. Hier geht viel Innovationskraft verloren.“

Unternehmen auf Transformationskurs, aber ohne klare Orientierung
Rund 47 Prozent der Beschäftigten geben an, die Zielrichtung digitaler Initiativen im Unternehmen zu verstehen. 44 Prozent erkennen Digitalisierung als klaren Transformationsprozess. Dennoch berichten nur 39 Prozent, dass sie im digitalen Wandel den Überblick behalten. Besonders deutlich wird der Nachholbedarf bei KI-Governance: Laut einer aktuellen Erhebung der Statistik Austria verfügen lediglich 43 Prozent der Unternehmen über verbindliche KI-Regeln verfügen. (Anm: Erhebung IKT-Einsatz in Unternehmen 2025).

Wie anhand dieser Zahlen ersichtlich ist, spielen Führungskräfte in diesem Kontext eine entscheidende Rolle – sowohl bei der Priorisierung digitaler Initiativen als auch bei der Unterstützung von Beschäftigten im Erwerb relevanter Kompetenzen.

Hohe Mitgestaltungsbereitschaft als Zukunftspotenzial
Trotz der eklatanten Kompetenzlücken offenbart die Studie ein starkes Zukunftssignal. Mehr als die Hälfte der Wiener Erwerbstätigen (51 Prozent) möchte die digitale Transformation aktiv mitgestalten. Besonders ausgeprägt ist dieser Wunsch bei den 16- bis 29-Jährigen, von denen 67 Prozent aktiv beitragen wollen.

Damit wird deutlich: Wien verfügt über eine digital affine Bevölkerung, deren Kompetenzen allerdings noch nicht in allen Bereichen mit den Anforderungen moderner Technologien mithalten. „Wir haben in Wien enormes Potenzial, aber wir müssen es aktiv heben“, sagte Heimhilcher. „Die Menschen wollen beitragen – wir müssen ihnen die Fähigkeiten geben.“

Wien braucht digitale Grundlagen, Datenkompetenz und klare Leitlinien
Der „Vienna Digital Skills InSight“ zeigt klar, dass Wien die digitale Zukunft gestalten kann – vorausgesetzt, die Grundlagen werden gestärkt: Datenkompetenz, digitales Grundwissen und klare Strukturen in Unternehmen sind entscheidend, um Technologie verantwortungsvoll und wirkungsvoll einzusetzen.

Oder wie es Markus Schaffhauser treffend zusammenfasst: „Digitalisierung ist kein Spitzensport für wenige, sondern eine gemeinsame Aufgabe für viele, die an der Basis bei den Kompetenzen beginnt.“

Grafiken zum Download.

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