• 02.12.2025, 09:00:33
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Bund und Länder setzen UN-Behindertenrechtskonvention nicht um

Volksanwalt Achitz fordert Strategie für De-Institutionalisierung – Inklusion darf nicht am Geld scheitern

Wien (OTS) - 

„Österreich hat sich verpflichtet, die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) umzusetzen. Dieser Verpflichtung kommen aber weder der Bund noch die Länder nach“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderungen (3. Dezember): „Auch wenn es der Bund ist, der die UN-BRK unterzeichnet hat – sie gilt selbstverständlich auch für die Bundesländer, die hauptsächlich für die Angelegenheiten von Menschen mit Behinderungen zuständig sind.“

Rechte statt Almosen

„Menschen mit Behinderungen brauchen Rechte, nicht Almosen“, so Achitz: „Ziel der UN-BRK ist es, Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang zu einem selbstbestimmten Leben und zu Inklusion zu verschaffen. Inklusion heißt, dass sie so weit wie irgendwie möglich genauso selbstbestimmt leben können wie andere Menschen.“ 2023 stellte der zuständige Fachausschuss im Rahmen der UN-BRK-Staatenprüfung zahlreiche Verfehlungen Österreichs fest und empfahl diverse Maßnahmen, um den völkerrechtlich gebotenen Zustand herzustellen. Achitz: „Menschen mit Behinderungen haben ein Recht darauf, dass diese Maßnahmen so schnell wie möglich umgesetzt werden. Durch die Staatenprüfung ist noch klarer geworden, dass allgemeine Bekenntnisse zu Menschenrechten für Menschen mit Behinderungen nicht ausreichen.“

Mit Österreichs Verstößen gegen die UN-BRK ist die Volksanwaltschaft laufend konfrontiert. Einerseits in der nachprüfenden Kontrolle der Verwaltung, also wenn sich betroffene Menschen an die Volksanwaltschaft wenden, weil ihnen zum Beispiel dringend benötigte Hilfsmittel nicht zur Verfügung gestellt werden, etwa Elektrorollstühle, oder Dienstleistungen wie Persönliche Assistenz.

Andererseits sind die Volksanwaltschaft und ihre Kommissionen für die Präventive Menschenrechtskontrolle zuständig, sie besuchen u. a. Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen unangekündigt. Ihr verfassungsgesetzlicher Auftrag als „Nationaler Präventionsmechanismus“ (NPM) basiert u.a. auf der UN-BRK.

Beispiele aus Behördenkontrolle und präventiver Menschenrechtskontrolle

Die Volksanwaltschaft macht immer wieder auf Verstöße gegen die UN-BRK aufmerksam. Achitz: „Wir versuchen dann, im Kontakt mit dem jeweiligen Land oder der zuständigen Sozialversicherung, eine Einzelfall-Lösung im Sinne des betroffenen Menschen zu finden. Noch wichtiger ist es mir aber, auf systemische Probleme hinzuweisen, wo die Politik gefragt ist.“ Einige Beispiele für UN-BRK-Verletzungen, auf die die Volksanwaltschaft zuletzt aufmerksam gemacht hat:

  • De-Institutionalisierung: Es braucht endlich ausreichende barrierefreie und gemeindenahe Wohnmöglichkeiten, persönliche Assistenz und ambulante Unterstützungsleistungen, damit Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt leben können. Bestehende Großeinrichtungen zu verkleinern ist zu wenig. Erst recht dürfen keine neuen Großeinrichtungen mehr gebaut werden. Art. 19 UN-BRK verbrieft das Recht von Menschen mit Behinderungen auf eine unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft. Die Vertragsstaaten der Konvention haben unter anderem zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben. Achitz: „Was fehlt, ist eine De-Institutionalisierungsstrategie, inklusive Zeitplan und Finanzierung.“

  • Lebensrhythmus: Wenn Menschen nicht selbst entscheiden können, um welche Zeit sie essen und wann sie schlafen gehen, widerspricht das den Vorgaben der UN-BRK. Menschen, die in Heimen betreut werden und auf fremde Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, sollen in gleicher Weise ein Leben führen können wie Menschen, die auf keine solche Unterstützung angewiesen sind. Sie sollten einen ähnlichen Lebensrhythmus wie zu Hause vorfinden.

  • Persönliche Assistenz: Die Volksanwaltschaft hat an einem Bespiel aus Niederösterreich auf die Probleme von Menschen hingewiesen, die auf Persönliche Assistenz angewiesen sind. Persönliche Assistent*innen übernehmen alles, was Betroffene nicht selbst können. Dadurch sollen Selbstbestimmung und individuelle Lebensgestaltung ermöglicht werden – so sieht es die UN-BRK vor.

  • „Strafen“ für Wochenenden bei Verwandten: Menschen aus Wien und Niederösterreich haben sich bei der Volksanwaltschaft beschwert, weil sie viel Geld an ihre Wohneinrichtung zahlen müssen, wenn sie übers Wochenende zu ihren Familien fahren wollen. Volksanwalt Achitz fordert, dass solche Abwesenheitsregelungen ersatzlos abgeschafft werden. Denn auch Menschen ohne Behinderungen dürfen selbst darüber entscheiden, ob sie am Wochenende wegfahren oder zuhause bleiben.

  • Assistenzhunde: In manche Reha-Einrichtungen usw. durften Menschen ihre Assistenzhunde nicht mitnehmen. Aber: Art. 9 UN-BRK garantiert den gleichberechtigten und barrierefreien Zugang zur physischen Umwelt, insbesondere auch zu medizinischen Einrichtungen und Diensten. Art. 20 UN-BRK normiert das Recht auf persönliche Mobilität in größtmöglicher Unabhängigkeit, insbesondere auch mit technologischer, menschlicher und tierischer Hilfe. Nach Einschreiten der Volksanwaltschaft sind Assistenzhunde weitgehend willkommen in den Einrichtungen.

  • Sexuelle Selbstbestimmung: In Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung wird die UN-BRK in Bezug auf die sexuelle Selbstbestimmung teils nicht erfüllt. Sexualpädagogische Konzepte und Bezugspersonen fehlen, teilweise sind Übernachtungsbesuche und das Recht auf Familienleben eingeschränkt.

  • Ferienbetreuung: Einem Mädchen aus der Steiermark wurde keine Assistenz für die Ferienbetreuung gemeinsam mit ihren Klassenkolleg*innen finanziert. Die UN-BRK lehnt Sonderschulen ab, und das gilt auch für die Sommerbetreuung. „Das Mädchen darf nicht an eine Behinderteneinrichtung abgeschoben werden, und sie darf nicht von ihren Mitschüler*innen getrennt werden. Inklusion und damit die Einhaltung der Menschenrechte darf nicht vom Geld abhängig sein.“

Weitere Beispiele finden Sie in den Berichten der Volksanwaltschaft an das Parlament und an die Landtage: https://volksanwaltschaft.gv.at/berichte/berichte-an-das-parlament/

Rückfragen & Kontakt

Florian Kräftner
Mediensprecher im Büro von
Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz
Telefon: +43 664 301 60 96
E-Mail: florian.kraeftner@volksanwaltschaft.gv.at
https://www.volksanwaltschaft.at

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