• 01.12.2025, 09:40:02
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„Das letzte Urteil“ – Symposion über Justiz und NS-Verbrechen

Am 2.12. jährt sich das letzte Urteil gegen NS-Täter in Österreich zum 50. Mal. An der Universität Wien findet ein Symposion zum Thema statt, Justizministerin Anna Sporrer begrüßt.

Wien (OTS) - 

Am 2. Dezember 1975 fällten Geschworene am Landesgericht für Strafsachen Wien einen Freispruch für Johann Vinzenz Gogl. Der bis wenige Jahre zuvor unbehelligt als Uhrmacher in Oberösterreich lebende ehemalige Angehörige der Waffen-SS war ab Herbst 1940 im KZ Mauthausen und den Außenlagern Loiblpass und Ebensee als Aufseher eingesetzt. Er musste sich wegen der Misshandlung und Ermordung von KZ-Häftlingen verantworten.

Einer von Simon Wiesenthal bereits 1964 erstatteten Anzeige war nicht Folge geleistet worden, erst 1971 – nachdem deutsche Behörden der österreichischen Justiz Unterlagen über Gogls Verbrechen zur Verfügung gestellt hatten – wurde er verhaftet. Im Mai 1971 erhob die Staatsanwaltschaft Linz Anklage. Nach einem Freispruch durch das Linzer Straflandesgericht 1972 hob der Oberste Gerichtshof das Urteil auf und verwies den Fall an das Wiener Starflandesgericht. Der neuerliche Freispruch vom 2. Dezember war das letzte Urteil eines österreichischen Gerichts in einem Prozess gegen einen NS-Täter.

„Der Prozess um Johann Vinzenz Gogl und das Urteil vom 2. Dezember 1975 stehen gewissermaßen paradigmatisch für den österreichischen Umgang mit NS-Tätern“, sagt Claudia Kuretsidis-Haider vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. „Nach zahlreichen Prozessen mit teilweise durchaus strengen Strafen in den ersten Nachkriegsjahren ist die Strafverfolgung bald zunehmend weniger geworden. Wenn es ab den 1960er Jahren doch einmal zu Verfahren gekommen ist, endeten diese oft mit milden Urteilen oder sogar Freisprüchen.“ Der Jahrestag des Freispruchs Gogls ist nun Anlass für die am DÖW ansässige Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz gemeinsam mit dem Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte sowie dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien das Symposion „Das letzte Urteil. Über Justiz und NS-Verbrechen“ zu organisieren.

Justizministerin Anna Sporrer spricht eröffnende Worte, danach stehen Vorträge zu Verfahren gegen mutmaßliche Täter und „Funktionshäftlinge“ im KZ-Komplex Mauthausen sowie gegen den „Euthanasie“-Arzt Heinrich Gross ebenso wie zu den Ermittlungen zu den Verbrechen am Peršmanhof und zu den späten Prozessen in Italien auf dem Programm. „Der transnationale Vergleich zeigt Erklärungen für die vielen Freisprüche in der österreichischen Nachkriegsjustiz klarer. Die Verfahren nach 1955 sind eine wichtige Quelle, weil sie belegen, wie detailliert das Wissen um den Holocaust und die Verbrechen österreichischer Täter schon war, und wie wenig davon im öffentlichen Bewusstsein ankam“, sagt Kerstin von Lingen, Vorständin des Instituts für Zeitgeschichte. „Österreich stand als Nachfolgestaat des Deutschen Reichs zunächst vor den gleichen Problemen wie die Bundesrepublik Deutschland: Eine riesige Anzahl an Fällen, Schwierigkeiten bei den Ermittlungen und viel zu wenig Personal, um Gewaltverbrechen enormen Ausmaßes zu verfolgen.“

Zum Abschluss des Symposions findet eine Podiumsdiskussion zu der Frage statt, welche Lehren aus dem justiziellen Umgang mit NS-Verbrechen für gegenwärtige Konflikte gezogen werden können. „Die letzte Phase der österreichischen Nachkriegsjustiz zeigt deutlich die Grenzen der Geschworenenjustiz als Mittel von Transitional Justice auf: Aufgrund der gesellschaftlich dominanten Schlussstrichpolitik und Verdrängungsmentalität wurden die Täter geschützt und die Opfer erneut marginalisiert“, sagt Ilse Reiter-Zatloukal, Vorständin des Instituts für Rechts- und Verfassungsgeschichte. „Fälle wie jener Gogls dienen nicht nur als Bezugspunkt rechtsgeschichtlicher Erinnerungskultur, sondern bieten auch Anlass für eine kritische Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Instrumenten und Strategien von Transitional Justice.“

Das Symposion „Das letzte Urteil. Über Justiz und NS-Verbrechen“ findet am 2. Dezember 2025 von 13 bis 20 Uhr in der Aula am Campus der Universität Wien (Altes AKH, Hof 1, Spitalgasse 2, 1090 Wien) statt. Die Teilnahme ist kostenlos möglich, eine Anmeldung auf https://www.doew.at/termine/das-letzte-urteil-ueber-justiz-und-ns-verbrechen erforderlich.

Kontakt Organisation
Claudia Kuretsidis-Haider, Stv. Wissenschaftliche Leiterin des DÖW (claudia.kuretsidis@doew.at)

Rückfragen & Kontakt

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
Jakob Rosenberg
Telefon: +42 1 228 94 69 /201
E-Mail: jakob.rosenberg@doew.at
Website: https://doew.at

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