- 26.11.2025, 12:12:02
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Anti-Folter-Komitee des Europarats prüfte Pflegeheime in Österreich
VertretungsNetz begrüßt Empfehlungen zur Sicherung von Grundrechten für Heimbewohner:innen
Das „Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ (CPT), eine Institution des Europarats, hat Pflegeheime in Niederösterreich und der Steiermark überprüft. Nun liegt der Bericht über die Erkenntnisse und die Stellungnahme der Bundesregierung dazu vor.
Wenn es um Menschenrechte für Heimbewohner:innen geht, gibt es in Österreich mehrere Schutzmechanismen: Die Volksanwaltschaft und das CPT kontrollieren Einrichtungen auf präventiver, systemischer Ebene – national und international. Die Bewohnervertretung überprüft die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen an betroffenen Bewohner:innen.
Die CPT-Delegation lobt im Bericht ausdrücklich die Bewohnervertretung als äußerst wirksame Schutzmaßnahme für Menschen, die in Institutionen leben. „Die internationale Anerkennung für die Tätigkeit der Bewohnervertretung freut uns sehr“
, sagt Grainne Nebois-Zeman, Fachbereichsleiterin bei VertretungsNetz.
Personalmangel wirkt sich negativ aus
Ein großes Problem bleibt jedoch aus Sicht des CPT der Personalmangel in Wohn- und Pflegeeinrichtungen. Bewohner:innen erzählten der Besuchskommission, sie würden auf persönliche Bedürfnisse wie Spaziergänge in den Garten oder häufigeres Duschen verzichten, um den Druck auf das Personal nicht noch zu erhöhen. Das CPT empfiehlt Österreich dringend, seine Bemühungen zu verstärken, mehr Personal zu rekrutieren. Bewohner:innen sollten nicht auf ihre Grundbedürfnisse verzichten müssen.
Nebois-Zeman stellt dazu klar: „Auch eine unterlassene Mobilisierung, auf die ein:e Bewohner:in angewiesen ist, ist eine Freiheitsbeschränkung“
. Seitens der Bewohnervertretung beobachtet man, dass wieder mehr mechanische Freiheitsbeschränkungen wie Bett-Seitenteile oder Sitzhosen im Einsatz sind. Dies, obwohl es mittlerweile schonendere Alternativen gibt, welche die Bewegungsfreiheit der Bewohner:innen weniger stark einschränken. Auch sedierende Medikamente werden schneller eingesetzt. Der hohe Druck, unter dem Pflegepersonen arbeiten, erschwert die Suche nach individuellen Lösungen. Zusätzlich geht durch die hohe Personalfluktuation viel erworbenes Wissen über das Heimaufenthaltsgesetz verloren.
Das CPT empfiehlt außerdem, dafür Sorge zu tragen, dass Freiheitsbeschränkungen durch Medikamente einheitlich gemeldet und dokumentiert werden. Nebois-Zeman erklärt, warum eine lückenlose Dokumentation nicht nur als bürokratischer Aufwand gesehen werden soll:
„Es geht um Menschen, die selbst nicht mehr entscheiden, sich vielleicht nicht einmal mehr äußern können. Sie haben das Recht, dass zumindest nachvollziehbar festgehalten wird, welche Handlungen aus welchem Grund an ihnen durchführt werden.“
Lücken im Rechtsschutz beseitigen
Wenn es um medizinische Behandlungen geht, wird das Einverständnis von Heimbewohner:innen oder ihren Erwachsenenvertreter:innen oftmals nur mündlich eingeholt. Das CPT empfiehlt, dass in allen stationären Pflegeeinrichtungen vor Beginn oder Änderung einer medizinischen Behandlung das Einverständnis schriftlich vorliegt. VertretungsNetz begrüßt diese Empfehlung.
„Auch Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder einer intellektuellen Beeinträchtigung sind immer in Behandlungsentscheidungen einzubeziehen, selbst dann, wenn sie vermeintlich nicht mehr selbst entscheiden können. Bei Zweifeln, ob eine Person noch entscheidungsfähig ist, sollten Ärzt:innen die Behandlung in einfacher Sprache erklären und einen Unterstützer:innenkreis beiziehen. Dies passiert in der Praxis leider viel zu selten. Oft wird ausschließlich mit Angehörigen oder Erwachsenenvertreter:innen gesprochen und über den Kopf der betroffenen Person hinweg entschieden“
, berichtet Martin Marlovits, stv. Fachbereichsleiter Erwachsenenvertretung bei VertretungsNetz.
Das CPT empfiehlt, dass in allen Einrichtungen, in denen Menschen die persönliche Freiheit entzogen wird, nach unerwarteten Todesfällen eine Autopsie gemacht wird. Angehörige und Erwachsenenvertreter:in sollten über die Ergebnisse informiert werden.
„Wir würden das sehr begrüßen. Denn derzeit kann die Information an den:die Erwachsenenvertreter:in, unter welchen Umständen ein:e Klient:in verstorben ist, verweigert werden, mit dem Argument, dass die Erwachsenenvertretung mit dem Tod erlischt“
, sagt Marlovits.
In vielen Fällen ist der:die Erwachsenenvertreter:in jedoch die einzige verbliebene Bezugsperson. Marlovits fordert, dass man als Erwachsenenvertreter:in bei einem unerwarteten Todesfall die Überprüfung der Umstände beantragen können soll und in die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft eingebunden wird. Auch sollte es ein Antragsrecht auf Verfolgung geben, wenn die Todesumstände bedenklich sind.
Erwachsenenvertretungen automatisch verlängern?
Noch ein kritischer Punkt: Einige Heimbewohner:innen berichteten der CPT-Kommission, dass ihre gerichtliche Erwachsenenvertretung „automatisch“ verlängert worden sei.
Seit Juli 2025 werden gerichtliche Erwachsenenvertretungen maximal für fünf Jahre bestellt anstatt bislang für drei Jahre. Manche Gerichte verlängern nun diejenigen Erwachsenenvertretungen, die nach drei Jahren ablaufen würden, einfach um zwei Jahre auf die neue Höchstfrist – ohne Anhörung der betroffenen Person und ohne neues Verfahren.
Marlovits: „Wir halten das Vorgehen für verfassungsrechtlich bedenklich, weil damit in bestehende Rechtsverhältnisse ohne Durchführung eines Verfahrens rückwirkend eingegriffen wird. Mittlerweile haben zwei Landesgerichte in drei Fällen eine solche Verlängerung wieder aufgehoben. Das Thema liegt auch beim OGH zur Entscheidung.“
Über VertretungsNetz
VertretungsNetz ist ein Erwachsenenschutzverein. Wir vertreten, beraten und unterstützen Menschen mit intellektuellen oder psychischen Beeinträchtigungen: einerseits wenn es um eine Erwachsenenvertretung geht, andererseits, wenn ihre persönliche Freiheit auf psychiatrischen Stationen oder in Wohn- und Pflegeeinrichtungen eingeschränkt wird.
Rückfragen & Kontakt
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