- 25.11.2025, 19:19:32
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- OTS0177
Justizausschuss bringt neues Vergaberechtsgesetz auf den Weg
FPÖ-Initiative zur Neuregelung der Befangenheit von Richterinnen und Richtern abgelehnt
Die Regierungsparteien stimmten im Justizausschuss heute für ein neues Vergaberechtsgesetz, das die Transparenz in Vergabeverfahren stärken und die Rechtssicherheit beim Abschluss von Rahmenvereinbarungen erhöhen soll. Zugleich ist die Anhebung der Schwellenwerte für Direktvergaben vorgesehen. Die Aktualisierung des Vergaberechts sei längst überfällig, meinte Justizministerin Anna Sporrer. Sie erwartet sich dadurch weniger Bürokratie und mehr Praxisnähe. Die Vergabeverfahren sollen ihr zufolge einfacher, übersichtlicher und rechtssicherer werden. Die beiden Oppositionsparteien stimmten der Novelle nicht zu. Die Freiheitlichen befürchten einen erhöhten Dokumentationsaufwand, die Grünen Intransparenz.
Ein Initiativantrag der FPÖ zur Neuregelung der Befangenheit von Richterinnen und Richtern fand keine Mehrheit. Die restlichen zur Debatte stehenden Oppositionsanträge wurden vertagt. Die Themen reichten von Gleichstellung und Kindesunterhalt über Gewaltschutz und Sexualstrafrecht bis zum Umgang mit Deepfakes.
Anhebung der Schwellenwerte für Direktvergaben
Mit dem "Vergaberechtsgesetz 2026" (302 d.B.) wird auch unionsrechtlichen Vorgaben nachgekommen. So sollen bei nationalen Vergabeverfahren künftig elektronische Formulare ("eForms") und im Rechtsschutz ein neues Pauschalgebührensystem implementiert werden. Die "eForms" kommen bei der öffentlichen Auftragsvergabe auf europäischer Ebene bereits zum Einsatz und sollen den Auftraggebern größtmögliche Flexibilität ermöglichen und den technischen Aufwand minimieren. Die Umstellung auf Gebührenkategorien, die sich am (geschätzten) Auftragswert orientieren, soll der Transparenz dienen, da die Gebührenhöhe für Antragsteller im vorhinein ersichtlich wird. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs.
Gemäß der Regierungsvorlage sollen die nationalen Schwellenwerte für Direktvergaben aus der Schwellenwerteverordnung als Dauerregelungen in die gesetzlichen Grundlagen aufgenommen werden. Laut Justizministerin Anna Sporrer werde eine Struktur geschaffen, die nun nicht mehr alle paar Jahre angepasst werden müsse. Sie wertet das als einen wichtigen Schritt zur Entbürokratisierung. Die Erhöhung einzelner Schwellenwerte im Unterschwellenbereich sorge ihr zufolge für mehr Praxistauglichkeit. So soll laut Regierungsvorlage etwa bei Bauaufträgen künftig eine Direktvergabe bis unter 200.000 Ꞓ zulässig sein. Aktuell liegt dieser Schwellenwert bei 143.000 Ꞓ.
Bei der Vergabe sollen künftig auch Nachhaltigkeitskriterien eine Rolle spielen. Die Justizministerin betonte, dass wichtige Impulse für innovative und nachhaltige Beschaffung gesetzt werden. Es entscheide nicht der niedrigste Preis über das beste Angebot. Es soll nicht nur günstig, sondern auch zukunftsfähig sein.
Laut Manfred Sams (SPÖ) handle es sich um notwendige Anpassungen. Johanna Jachs (ÖVP) ging insbesondere auf die Bedeutung der Anhebung der Schwellenwerte angesichts der Preissteigerung ein. Bei Direktvergaben gehe es darum, möglichst flexibel und effizient zu arbeiten.
Trotz einiger positiver Elemente sehen die Freiheitlichen die Novelle eher kritisch, wie Harald Stefan (FPÖ) ausführte. Er geht von einem erhöhten Dokumentationsaufwand aus, der vor allem für kleine Unternehmen viel bedeute. Der Wirtschaft werde man mit dem Gesetz seiner Meinung nach nichts Gutes tun, sagte er.
Die Grünen können dem Gesetz auch einiges Positives abgewinnen, etwa die Transparenzmaßnahmen, stimmen aber grundsätzlich nicht zu. Die Anhebung der Schwellenwerte würde zu Intransparenz beitragen und könnte sich nachteilig auf den Wettbewerb auswirken, meinte Alma Zadić (Grüne).
Keine Mehrheit für FPÖ-Initiative zur Neuregelung der Befangenheitsregel
Die FPÖ sieht Bedarf an einer Neuregelung der Befangenheitsregel für Richterinnen und Richter (143/A(E)), da sie der Ansicht ist, dass die gegenwärtige Regelung erhebliche Mängel aufweise, die das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsprechung nachhaltig beeinträchtigen können. Der Entschließungsantrag, der die Einrichtung einer unabhängigen Instanz zur Entscheidung über Befangenheitsanträge, eine klarere Definition von Befangenheitsgründen, einheitliche Standards und Fristen sowie Transparenzmechanismen vorsieht, wurde vom Justizausschuss allerdings abgelehnt. Es könne nicht sein, dass Richterinnen und Richter über ihre eigene Befangenheit entscheiden, meinte Markus Tschank (FPÖ), der auch den sinkenden Vertrauensindex in die Justiz zur Sprache brachte. In anderen EU-Ländern seien unabhängige Senate üblich.
Selma Yildirim, Muna Duzdar (beide SPÖ) sowie Sophie Marie Wotschke (NEOS) widersprachen der FPÖ-Ansicht und verwiesen auf entsprechende Rechtsmittel beziehungsweise Rechtsbehelfe zur Befangenheit. Es sei nicht sinnvoll und gefährlich, gut bewährte Regelungen in Frage zu stellen, meinte Yildirim. Wotschke missfiel, dass mit dem Antrag der Anschein erweckt werde, die Justiz sei nicht objektiv. Abgeordnete Duzdar problematisierte, dass Richterinnen und Richter immer häufiger bedroht werden.
Jakob Grüner (ÖVP) hielt den Vorschlag grundsätzlich für diskutabel. In dieser Form sei der Antrag aber abzulehnen, da man sich bei der Gesetzgebung keine Fehler leisten könne, meinte er. Auch Agnes Sirkka Prammer (Grüne) sieht bei den Befangenheitsregeln Innovationspotential gegeben. Es wäre gut, die Idee in eine gesamte Prozessrechtsreform einzubetten, meinte sie.
Die Justizministerin ließ wissen, dass sie sich in Form einer Aufgabenkritik mit den Standesvertretungen unter anderem auch mit diesem Thema auseinandersetze. Sie sprach sich gegen die namentliche Nennung von Richterinnen und Richtern aber auch Staatsanwältinnen und Staatsanwälten beziehungsweise sonstigen öffentlichen Bediensteten in den Medien aus, da diese vermehrt bedrohlichen Situationen wie persönlichen Angriffen ausgesetzt seien. Das greife auch die unabhängige Justiz an, gab sie zu bedenken.
FPÖ für Kindesunterhaltsvorschuss und Gewaltschutzpaket
Vertagt wurden hingegen zwei weitere Vorstöße der Freiheitlichen. Sie betreffen die Einführung eines unbürokratischen, verfahrensfreien und kurzfristig auszahlbaren staatlichen Kindesunterhaltsvorschusses (252/A(E)) sowie ein Gewaltschutzpaket mit höheren Strafen für Sexualstraftaten (502/A(E)).
Um zu einem Unterhalt für ihre Kinder zu gelangen, seien betroffene Elternteile in vielen Fällen auf langwierige Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren angewiesen, kritisierte Harald Stefan (FPÖ). Im Fall des Ausbleibens soll bei berechtigtem Anspruch der Staat für die ausstehende Zahlung eintreten und beim unterhaltspflichtigen Elternteil regressieren, so der Vorstoß. Henrike Brandstötter (NEOS) gab zu bedenken, dass es sich anhand aktueller Zahlen um rund 143 Mio. Ꞓ handeln würde. Gudrun Kugler (ÖVP) argumentierte die Vertagung hinsichtlich der Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut im Regierungsprogramm. Agnes Sirkka Prammer (Grüne) hofft auf eine entsprechende Reform.
Geht es nach der FPÖ, soll das Herunterladen, Hochladen, Weiterleiten oder Veröffentlichen von Pädophilen-Handbüchern und ähnlichen Anleitungen zum sexuellen Missbrauch an Minderjährigen sowie der Verkauf von Kindersexpuppen unter eine umfassende Strafe gestellt werden. Diese sollte ein lebenslanges Tätigkeitsverbot für einschlägig Verurteilte, einen dauerhaften Eintrag im Strafregister und ein Verbot öffentlicher Förderungen für Einrichtungen, die verurteilte Kinderschänder beschäftigen, vorsehen, erklärte FPÖ-Mandatar Stefan. Zum Schutz der Kinder sollten die Gesetzeslücken geschlossen, das Strafmaß enger ausgelegt, und das Netz noch engmaschiger gemacht werden, meinte er. Laut Muna Duzdar (SPÖ) gelte es diesbezüglich eine EU-Richtlinie abzuwarten. Es sei eine Reihe von Maßnahmen in der Pipeline, um Kindesmissbrauch im digitalen Bereich effektiver zu bekämpfen. Johanna Jachs (ÖVP) zufolge werde die Regierung demnächst weitere Schritte im Gewaltschutz setzen.
Konsensprinzip im Sexualstrafrecht in Aussicht
Vertagt wurde auch eine Initiative der Grünen, um den Grundsatz "Nur Ja heißt Ja" im Sexualstrafrecht zu verankern (547/A(E)). Gespräche zwischen den Koalitionspartnern würden dazu bereits laufen.
Die derzeit in Österreich geltende Widerspruchslösung ("Nur Nein heißt Nein") greife zu kurz, da sie etwa Opfer, die in Schockstarre verfallen oder handlungsunfähig gemacht werden, nicht ausreichend schütze, meinen die Grünen. Sexuelle Handlungen sollen aus ihrer Sicht nur dann als einvernehmlich gelten, wenn alle Beteiligten eindeutig zustimmen. Sie sprechen sich dafür aus, dass das Gericht künftig prüfen soll, ob eine Zustimmung vorlag - und nicht mehr, ob sich die betroffene Person gewehrt oder zu erkennen gegeben hat, dass die sexuelle Handlung gegen ihren Willen erfolgte. Es mache die Beweisfindung für das Gericht nicht leichter oder schwerer, aber es mache einen Unterschieb, ob sich das Opfer rechtfertigen müsse, oder ob der Täter begründen müsse, woran das "Ja" abgelesen wurde, sagte Grünen-Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer. Das wäre ein wichtiges Prinzip im Sexualstrafrecht, meinte ihre Fraktionskollegin Alma Zadić. Es sei höchste Zeit, es den Ländern nachzumachen, die entsprechende Regelungen bereits umgesetzt hätten.
Selma Yildirim (SPÖ) sprach von einem "immens wichtigen Antrag" für die Stärkung der sexuellen Selbstbestimmung. Es werde bereits daran gearbeitet, das Vorhaben in ein Gesetz zu gießen, man befinde sich in intensiven Verhandlungen mit den Koalitionspartnern, sagte sie. Gudrun Kugler (ÖVP) sprach sich dafür aus, Personen, die mit der Materie befasst sind, in die Diskussion mit einzubeziehen. Auch Sophie Marie Wotschke (NEOS) betonte die Bedeutung des Anliegens und erklärte, dass es nicht darum gehe, formell "Ja" zu sagen, sondern um das Einvernehmen. Harald Stefan (FPÖ) vertrat die Ansicht, dass der Aspekt des Einvernehmens bereits ausreichend gesetzlich geregelt ist.
Das Thema beschäftige sie und Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner seit Beginn ihrer Amtszeit, sagte Justizministerin Anna Sporrer. Sie hätten beide bereits gesagt, das Konsensprinzip vorantreiben zu wollen. Es sei aber noch einiges zu diskutieren. Der Vorschlag, die Worte "Nein" auf "Ja" zu ändern, klinge nach wenig, bedeute aber viel, sagte sie. Dadurch werde der Fokus vom Opfer zum Täter gelegt und Graubereiche ausgeräumt.
Grüne wollen "Women-on-Boards-Richtlinie" umsetzen und Gesetzeslücken bei Deepfakes schließen
Zwei weitere Anliegen der Grünen wurden heute ebenso vertagt. Ein Vorschlag zur Umsetzung der "Women-on-Boards-Richtlinie" (302/A(E)) kommt von der vormaligen Justizministerin und nunmehrigen Grünen-Mandatarin Alma Zadić, wonach die Geschlechterquote für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen auf 40 % steigen soll und in Vorständen börsennotierter Unternehmen, die aus zumindest drei Personen bestehen, mindestens eine Person des unterrepräsentierten Geschlechts vertreten sein soll. So lange Frauen in Führungspositionen strukturell benachteiligt sind, sei eine Quote relevant, meinte Zadić. Auch NEOS-Angeordnete Henrike Brandstötter mahnte Tempo ein. Laut Bettina Zopf (ÖVP) liege der Frauenanteil in österreichischen Aufsichtsräten derzeit bereits bei 38 %.
Ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung missbräuchlicher Deepfakes (576/A(E)) müsse aus Sicht der Grünen einerseits rechtliche Instrumentarien nachschärfen und die Anspruchswahrnehmung erleichtern, andererseits Schulungen, Awareness-Kampagnen sowie zusätzliche Möglichkeiten im Bereich von Opferhilfe und Prozessbegleitung vorsehen. Im Bereich des Strafrechts ergebe sich hinsichtlich nicht-konsensualer Deepfake-Pornos eine zunehmend gefährliche Lücke, erläuterte Agnes Sirkka Prammer. Es gebe noch keine adäquate Strafrechtsbestimmung. Zudem sei es erschreckend einfach, KI-Videos zu generieren, meinte sie. Handlungsbedarf ortet sie auch bezüglich der Mitverantwortlichkeit der Plattformen. Henrike Brandstötter (NEOS) sprach sich dafür aus, die Opferhilfe auszubauen und auf EU-Ebene Druck zu machen. (Schluss Justizausschuss) fan
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