• 20.11.2025, 15:22:37
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Gletscherbericht des Alpenvereins: Gletscher schmelzen förmlich aus Messprogramm

Durch Eiszerfall und Gletscherverlust werden alljährliche Gletschermessungen immer mehr zur Herausforderung

Das Gössnitzkees im Jahr 2025.
Innsbruck (OTS) - 

Die ehrenamtlichen Gletschermesserinnen und Gletschermesser des Österreichischen Alpenvereins haben ihre diesjährigen Messungen an rund 90 Gletschern im österreichischen Hochgebirge abgeschlossen. Die Daten werden aktuell ausgewertet und im Frühjahr 2026 im Gletscherbericht veröffentlicht. Doch was sich bereits jetzt sagen lässt: Die Messungen vor Ort werden aufgrund der erschwerten Zustiege und der steigenden Steinschlaggefahr Jahr für Jahr herausfordernder. Immer mehr Gletscher müssen in den kommenden Jahren aus dem Messprogramm des Alpenvereins genommen werden. Dies zum einen, weil das Messen zu gefährlich wird, zum anderen, weil die Gletscher schlichtweg verschwinden. Einmal mehr fordert der Österreichische Alpenverein nun einen ausnahmslosen Gletscherschutz, der neben den Gletscherflächen auch die ökologisch sensiblen und hochdynamischen Gletschervorfelder umfasst.

Seit den frühen 1990er-Jahren misst der ehrenamtliche Gletschermesser Michael Krobath für den Alpenverein die Längenänderungen an drei kleinen Gletschern in der Schobergruppe in Kärnten. Nun stößt diese Arbeit jedoch mehr und mehr an ihre Grenzen: Das Hornkees und der Wandnischengletscher am Roten Knopf (beide in Kärnten) drohen in den nächsten Jahren auf halber Höhe abzureißen. Die bisherigen Messpunkte werden dadurch künftig deutlich höher im Gelände liegen – in Bereichen mit zunehmender Steinschlaggefahr. Längenmessungen direkt vor Ort werden dann zu gefährlich. Krobath rechnet damit, dass die Gletscherteilung beim Hornkees bereits im kommenden Jahr passieren und sich die Gletscherstirn somit um rund 120 bis 150 Höhenmeter nach oben verschieben wird.

Beim dritten Gletscher, dem Gössnitzkees, ebenfalls in Kärnten, ist die Situation noch eklatanter: „Es handelt sich inzwischen eher um einen Eisrest als um einen aktiven Gletscher“, berichtet Michael Krobath, der im Berufsleben als Geograf am Umwelt-Bildungs-Zentrum Steiermark tätig ist. Das Gössnitzkees ist so klein, zerfallen und schuttbedeckt, dass dort in absehbarer Zukunft keine Messungen mehr sinnvoll sein dürften.

Immer mehr Gletscher fallen aus Messprogramm

Die Gletscher der Schobergruppe zeigen exemplarisch, wie schwierig mittlerweile die Arbeit der ehrenamtlichen Gletschermesserinnen und Gletschermesser des Österreichischen Alpenvereins geworden ist. Mit dem fortschreitenden Rückgang und Einsinken der Gletscher verwandelt sich das einst kompakte Gletschergelände zunehmend in spaltenreiche, instabile Zonen. Drohender Steinschlag macht den Zugang gefährlicher, viele früher gut erreichbare Messpunkte sind heute nur noch schwer zugänglich. An einigen Gletschern werden die Messarbeiten des Alpenvereins deshalb bereits mit Drohnen durchgeführt, was jedoch in der Auswertung der Daten spezielles technisches Know-how und einen wesentlich höheren Aufwand erfordert. Die seit über 100 Jahren verwendete Methode der Maßbandmessung zur Längenmessung von mehreren Fixpunkten pro Gletscher ist schlichtweg nicht mehr sicher durchführbar.

Zudem fallen immer mehr Gletscher aus dem Messprogramm des Alpenvereins, weil sie so gut wie verschwunden sind. In der Schobergruppe und der Goldberggruppe dürften aus diesem Grund einige Messungen in den kommenden Jahren eingestellt werden. Im Umfeld der Pasterze ist bereits in den 1990er Jahren das Südliche Pflandlschartenkees aus dem Messprogramm gestrichen worden, möglicherweise folgt in naher Zukunft das benachbarte Freiwandkees oder gar die Hauptgletscherzunge der Pasterze. In der Silvrettagruppe hat sich die Zahl der vermessenen Gletscher in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten halbiert, viele sind bereits verschwunden.

Ausnahmsloser Gletscherschutz gefordert

Trotz der zunehmend schwierigen Bedingungen waren heuer über 50 Gletschermesserinnen und Gletschermesser für den Österreichischen Alpenverein im Einsatz. Die verschiedenen Teams des Alpenverein-Gletschermessdienstes haben rund 90 Gletscher in 12 Gebirgsgruppen besucht und an den weitaus meisten Messungen durchführen können. Alle Messungen verliefen ohne gröbere Zwischenfälle.

Gletschermesser Michael Krobath hat heuer den 44. Messbericht in der Schobergruppe verfasst. Ob sich sein vorläufiges Ziel, auf 50 Berichte zu kommen, erfüllen wird, bleibt offen. Denn in schon wenigen Jahren könnten die Messungen dort eingestellt werden. Ob aus Sicherheitsgründen oder schlicht, weil kein messbares Eis mehr vorhanden ist, wird sich zeigen.

Von politischer Seite wünscht sich Krobath, „dass Maßnahmen zum Gletscherschutz als Teil eines umfassenden Umwelt- und Naturschutzes verstanden werden. Es geht darum, alle Lebens- und Naturräume noch stärker als Schatzkammern für unsere Zukunft zu sehen und deren Schutz als Priorität zu behandeln.”

Der Österreichische Alpenverein fordert seit Jahren einen ausnahmslosen Gletscherschutz, der neben den Gletscherflächen auch die fragilen Gletschervorfelder – also jene Bereiche, die erst in den letzten rund 175 Jahren eisfrei wurden – umfasst. Diese Naturräume, aber auch viele andere in den Gebirgen Österreichs, geraten durch den steigenden Nutzungsdruck zunehmend in Bedrängnis. Sensible Ökosysteme, die sich dort herausgebildet haben, sollen zugunsten einer hohen Bio- und Geodiversität erhalten bleiben.

Rückfragen & Kontakt

Mag. Peter Neuner-Knabl
Österreichischer Alpenverein
E-Mail: presse@alpenverein.at
Mobil: +43/664/88970005
Website: www.alpenverein.at

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