- 19.11.2025, 22:44:03
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Nationalrat diskutiert Gewaltschutz und Frauenförderung
Abgeordnete fordern einstimmig Tätigkeitsbericht des Frauenförderungsfonds LEA und Maßnahmen zum Aufbrechen veralteter Rollenbilder
Die Bekämpfung von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen stand im Mittelpunkt einer weiteren Debatte im heutigen Nationalrat. Ausgangspunkt der Diskussion war ein Bericht des unabhängigen Expertengremiums GREVIO, bei dem die bisherigen Maßnahmen und Aktivitäten hierzulande evaluiert wurden. Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner betonte dabei, dass die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt immer politische Priorität haben müsse. Abgeordnete aller Fraktionen waren sich einig, dass weitere Maßnahmen in diesem Bereich notwendig sind. Große Erwartungen haben die Frauenministerin und die Abgeordneten der Koalition hier an den Nationalen Aktionsplan, der in Kürze präsentiert werden soll.
Die Abgeordneten befürworteten außerdem einstimmig zwei Entschließungsanträge der Koalitionsfraktionen. Darin wird gefordert, dass der Nationalrat künftig einen Tätigkeitsbericht des Frauenförderungsfonds LEA erhalten soll. Außerdem ist die Regierung gefordert, Maßnahmen zum Aufbrechen veralteter Rollenbilder bei der Bildungs- und Berufswahl von Mädchen zu setzen. Zwei ähnlich lautende Initiativen der Opposition blieben in der Minderheit.
GREVIO-Bericht thematisiert Verhinderung von Gewalt gegen Frauen
Auf Wunsch der SPÖ diskutierte der Nationalrat heute über einen Bericht des unabhängigen Expertengremiums GREVIO zu den österreichischen Gewaltschutzmaßnahmen, der dem Nationalrat von Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner vorgelegt wurde. GREVIO wird aus Expertinnen und Experten des Europarats gebildet und überwacht die Einhaltung der sogenannten "Istanbul-Konvention" durch die Vertragsstaaten. Mit diesem Abkommen hat sich auch Österreich völkerrechtlich dazu verpflichtet, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu bekämpfen, wobei bei der ersten thematischen Evaluierung durch GREVIO insbesondere die Frage im Fokus stand, inwieweit sich Gewaltopfer auf Schutz und Unterstützung durch den Staat und die Strafverfolgung der Täter verlassen können. Die österreichische Politik habe mit zusätzlichen Präventionsmaßnahmen auf eine nach wie vor hohe Anzahl an Frauenmorden in Österreich reagiert, stellte das Gremium in dem 2023 erstellten Bericht fest. Neben Fortschritten sieht GREVIO aber auch Lücken im Gewaltschutz, etwa was fehlende Gewaltambulanzen, verpflichtende Schulungen von Richterinnen und Richtern sowie die Ausarbeitung eines umfassenden Nationalen Aktionsplans (NAP) betrifft. Der Bericht wurde einstimmig zur Kenntnis genommen.
Die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt müsse immer politische Priorität haben, erklärte Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner in der Debatte. Man dürfe Gewaltschutz nie als individuelles Problem abtun, sondern es liege ganz klar ein strukturelles Problem vor. Es brauche daher eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, um Betroffene zu schützen, Täter konsequent zu verfolgen und die gesellschaftlichen Ursachen von Gewalt zu bekämpfen. Eine Empfehlung des Berichts, die Erstellung eines Nationalen Aktionsplans, werde gerade umgesetzt. Die Ausrollung der Gewaltambulanzen sei im Regierungsprogramm "klar" vereinbart und es werde daran gearbeitet. Es sei auch wichtig, sich international für den Schutz von Frauen einzusetzen, meinte sie in Richtung der Abgeordneten. Jede Frau habe das Recht auf ein sicheres Leben, frei von Gewalt, betonte Holzleitner.
Schwerwiegende Kritikpunkte würden durch den Bericht aufgezeigt, zeigte Rosa Ecker (FPÖ) auf. So würden etwa spezialisierte Gewaltambulanzen in mehreren Bundesländern fehlen. Ecker forderte daher mittels Entschließungsantrag, der in der Minderheit blieb, einen verbindlichen Zeitplan für den flächendeckenden Ausbau von Gewaltambulanzen, damit die professionelle Versorgung von Opfern sicher gestellt wird. Zudem müsse gewährleistet werden, dass alle Krankenhäuser mit gerichtsmedizinischen Untersuchungskits ausgestattet und die dafür erforderlichen Mittel bereitgestellt werden.
Von einem "Protokoll des politischen Versagens" sprach Ricarda Berger (FPÖ). Der Bericht zeige, wohin "falsch verstandene Toleranz, ideologisches Schönreden und die politische Kapitulation seit 2015" geführt hätten. Berger kritisierte eine Toleranz, die ihrer Meinung nach Täter schont und Frauen schutzlos zurück lässt.
Auch Nicole Sunitsch (FPÖ) sah die Maßnahmen der Bundesregierung als nicht ausreichend und forderte effektive und konsequente Maßnahmen, bei denen der Opferschutz vor dem Täterschutz gehen müsse.
Es gebe Belege eines Zusammenhangs zwischen Herkunftsland und Gewalt an Frauen, erklärte Katayun Pracher-Hilander (FPÖ). Zur Ursachenforschung sei es wichtig, die Erhebung soziodemografischer Daten bei Gewaltdelikten auszuweiten. Insbesondere solle der Migrationshintergrund von Tätern erhoben werden, verlangte sie. Der dafür eingebrachte Entschließungsantrag blieb in der Minderheit. Henrike Brandstötter (NEOS) und Yannick Shetty (NEOS) kritisierten die Initiative als "rassistisch". Die FPÖ wolle nicht das Thema Migration und Integration lösen, sondern "Bürger in 'reinrassige' Österreicher und falsche Österreicher" teilen, sagte Shetty.
Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) hob die in den vergangenen zwei Jahren gesetzten Maßnahmen hervor, die auch im Bericht "gelobt" würden. Weitere Maßnahmen seien notwendig und dafür werde in Kürze der Nationale Aktionsplan präsentiert. Zudem müsse beim Thema importierte Gewalt genauer hingesehen werden, forderte sie. Mit den gesetzten Maßnahmen sei ein "gutes Fundament" gesetzt worden, auf dem man nun weiter aufbauen könne, meinte auch Margreth Falkner (ÖVP). Derzeit würden sich nur 5 % der Opfer an Hilfseinrichtungen wenden, berichtete Romana Deckenbacher (ÖVP) und forderte daher, Hilfsangebote sichtbarer zu machen.
Jede dritte Frau in Österreich werde mindestens ein Mal in ihrem Leben Opfer sexueller oder physischer Gewalt, erklärte Sabine Schatz (SPÖ). Zusammen mit den 14.000 verhängten Annäherungs- und Betretungsverboten 2024 sowie den bisher 14 Femiziden dieses Jahr sei das eine traurige und dramatische Bilanz. Dies müsse ein Handlungsauftrag für weitere Maßnahmen sein, forderte Schatz. Auch Verena Nussbaum (SPÖ) hob die Bedeutung hervor, weitere Maßnahmen zu setzen und bestehende Lücken durch den Nationalen Aktionsplan zu schließen.
Gewalt beginne immer mit Sprache und man müsse im Parlament alles daran setzen, dass "rote Linien" nicht überschritten werden, forderte Mario Lindner (SPÖ).
In einem Land, in dem durchschnittlich drei Frauen im Monat ermordet würden, könne man nicht mit dem Status quo zufrieden sein, erklärte Henrike Brandstötter (NEOS). Österreich habe Fortschritte gemacht, man sei aber noch nicht am Ziel. Dazu sei eine bessere Vernetzung der Hilfseinrichtungen und Gewaltambulanzen, bessere Schulungen und mehr Bewusstseinsbildung notwendig.
Der Bericht würde zeigen, dass in der vergangenen Regierungsarbeit von ÖVP und Grünen viel Gutes erfolgreich umgesetzt werden konnte, sagte Meri Disoski (Grüne). Handlungsbedarf sah die Abgeordnete für die rasche Ausrollung von Gewaltambulanzen sowie bei den Gefahren gewaltvoller Onlinepornografie, da diese ein Nährboden für sexualisierte Gewalt sei.
Man dürfe sich nicht auf den erreichten Maßnahmen ausruhen, forderte Alma Zadić (Grüne). So brauche es angesichts der "viel zu geringen" Verurteilungsquote einen flächendeckenden Ausbau der Gewaltambulanzen sowie Investitionen in die Gerichtsmedizin.
Nationalrat fordert Tätigkeitsbericht des Frauenförderungsfonds LEA
Einhellig sprach sich der Nationalrat für mehr parlamentarische Kontrolle über den Frauenförderungsfonds LEA (Let's Empower Austria) aus. Nachdem der Fonds in der Vergangenheit immer wieder als intransparent kritisiert worden war, soll er dem Nationalrat nun künftig jährlich einen Bericht über seine Tätigkeit und finanzielle Gebarung vorlegen müssen. Initiiert wurde die Entschließung von den Koalitionsparteien. Ein ähnlicher Antrag der Grünen fand hingegen keine Mehrheit. Dieser sah eine zeitnähere Berichtslegung - mit Stichtag 31. Jänner statt 30. September - vor. LEA bietet unter anderem Workshops an Schulen, Online-Seminare und Materialien für Pädagoginnen und Pädagogen an, um Mädchen und Frauen zu stärken. Auch Studien und spezielle Initiativen - etwa für Role Models - gehören zum Portfolio des Fonds.
Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner hob die Bedeutung von Transparenz bei der Verwendung von öffentlichen Mitteln hervor. Es gelte Rahmenbedingungen zu setzen, mit denen eine gerechte Gesellschaft und eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern erreicht werden kann.
LEA sei von Beginn an wegen mangelnder Transparenz in der Kritik gestanden, befürwortete Rosa Ecker (FPÖ) den Vorstoß. Frauenförderung brauche Wirkung, Fakten und keine Symbolpolitik, forderte sie. Steuergeld müsse transparent und nachvollziehbar verwendet werden und dies sei bisher bei LEA nicht der Fall gewesen, bemängelte auch Tina Angela Berger (FPÖ).
Es sei wichtig, Klischees und Rollenbilder abzubauen, hob Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) die Leistungen und Angebote von LEA für die bisher 14.000 Teilnehmenden hervor. Auch Roland Baumann (SPÖ) befürwortete die Verbesserung der Transparenz. Von einem "guten Schritt" zur Transparenz sprach Henrike Brandstötter (NEOS).
Es sei wichtig, dass die "Blackbox" LEA der parlamentarischen Kontrolle zugeführt wird, merkte Meri Disoski (Grüne) an. Für die Grünen sei von Beginn an fraglich gewesen, ob ein Fonds ein geeignetes Mittel ist, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Strukturell kritisch sah die Abgeordnete auch, dass Gleichstellungspolitik ausgelagert wird.
Aufbrechen von Rollenbildern bei der Berufswahl
Auch beim Aufbrechen veralteter Rollenbilder bei der Bildungs- und Berufswahl von Mädchen sieht der Nationalrat den Frauenförderungsfonds LEA gefordert. Auf Basis eines Entschließungsantrags der Koalitionsparteien ersuchen die Abgeordneten die Frauenministerin und den Bildungsminister, Geschlechterstereotypen insbesondere im sogenannten MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) entgegenzuwirken. Konkret sollen in Zusammenarbeit mit LEA Konzepte zur Förderung der Chancengleichheit von Mädchen im technisch-gewerblichen Bildungswesen entwickelt werden. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Der Anteil von Frauen in Mint-Berufen sei nach vor niedrig und es gelte, ihren Blick auf dieses Berufsfeld zu öffnen, erklärte Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner. Dazu müssten unter anderem strukturelle Barrieren abgebaut und bereits im elementarpädagogischen Bereich angesetzt werden.
Man müsse schon im Kindergarten ansetzen, damit mehr Frauen ihren Weg in technische Berufe finden, meinte auch Roland Baumann (SPÖ) und hob die Bedeutung der Initiative angesichts der hohen geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede hierzulande hervor. Kinder sollten die gleichen Chancen erhalten, sich nach ihren Interessen zu entwickeln, forderte Petra Oberrauner (SPÖ). Zudem thematisierte sie den geringen Frauenanteil im Forschungs- und Entwicklungsbereich. Auch Henrike Brandstötter (NEOS) sprach sich dafür aus, Maßnahmen bereits in der Elementarpädagogik zu setzen.
Georg Strasser (ÖVP) hob die Bedeutung der Maßnahmen als Antwort auf den Fachkräftemangel hervor. Damit würden Frauen neue Chancen am Arbeitsmarkt eröffnet. Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) zeigte sich zuversichtlich, dass LEA mehr junge Frauen in den Mint-Bereich und technische Berufe bringen werde.
Eine ähnliche Stoßrichtung wie der Antrag der Koalitionsfraktionen hat ein Entschließungsantrag der FPÖ, der allerdings keine Mehrheit fand. Darin werden konkrete Maßnahmen gefordert, um mehr Mädchen für eine HTL-Ausbildung zu interessieren. Rosa Ecker (FPÖ) hob als einen Vorteil dieser Maßnahmen hervor, dass diese auch budgetschonend seien. Auch wenn sie mehrere Punkte im Antrag kritisch sehe, teile sie die Grundintention des FPÖ-Antrags, erklärte Meri Disoski (Grüne). (Fortsetzung Nationalrat) pst
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