- 19.11.2025, 18:54:03
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Grundsatz "Nur Ja heißt Ja": Keine Mehrheit für Dringlichen Antrag der Grünen
Nationalrat diskutiert über einen besseren Schutz von Frauen vor Gewalt
Der Dringliche Antrag der Grünen zum Thema Gewaltschutz hat heute im Nationalrat wie erwartet keine Mehrheit erhalten. Zwar stellten sich auch mehrere Abgeordnete von SPÖ und NEOS hinter einzelne Forderungen der Grünen, eine Zustimmung zur Initiative über die Grünen hinaus gab es bei der Abstimmung aber nicht. Die Regierung arbeite an Verbesserungen und investiere so viel wie noch nie in Gewaltschutz, so der grundsätzliche Tenor von Seiten der Koalition. Die FPÖ sieht Gewalt gegen Frauen vorrangig als Einwanderungsproblem und forderte vor allem ein konsequenteres Vorgehen gegen Sexualstraftäter.
Die Grünen hatten im Dringlichen Antrag unter anderem gefordert, den Grundsatz "Nur Ja heißt Ja" im Sexualstrafrecht festzuschreiben und bundeseinheitliche Regelungen für Schutzzonen vor Gesundheitseinrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, zu schaffen. Nur wenn alle Beteiligten eindeutig zustimmten, dürften sexuelle Handlungen als einvernehmlich gelten, mahnten sie. Zudem sprachen sie sich für die ehestmögliche Einführung eines Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung ab dem 1. Geburtstag des Kindes, eine Neuregelung der Karenz und verpflichtende Einkommensberichte für Unternehmen ab 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus, um die ökonomische Unabhängigkeit von Frauen zu stärken.
Grüne sehen Männer in Verantwortung
Bekräftigt wurden diese Forderungen im Rahmen der Debatte unter anderem von den Grünen-Abgeordneten Meri Disoski und Alma Zadić. Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner habe als Oppositionsabgeordnete selbst 250 Mio. Ꞓ für Gewaltschutz und 3.000 neue Stellen in diesem Bereich gefordert, hob Disoski hervor. Nun werde die Ministerin nächste Woche einen Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt gegen Frauen vorstellen, der ohne einen zusätzlichen Cent mehr Budget auskommen müsse, klagte sie. Damit werde man Frauen nicht besser schützen können. Gewaltschutzstellen schlagen Disoski zufolge außerdem bereits "öffentlich Alarm", da das AMS und das Sozialministerium Förderungen kürzen würden.
Auf die notwendige Vorbildwirkung von Männern wies Disoskis Fraktionskollege Ralph Schallmeiner hin. Gewalt gegen Frauen sei kein Frauenproblem, sondern ein Männerproblem, sagte er. Männer seien gefordert, Rollenbilder zu hinterfragen und müssten ihren Söhnen ein Vorbild sein. Es brauche aber auch Mittel und Strukturen, um gegen "toxische Männlichkeitsbilder" vorzugehen. Abgeordnete Zadić mahnte, man dürfe nicht wegsehen, wo patriarchale Strukturen zu Gewalt führen.
Auch SPÖ- und NEOS-Abgeordnete für "Nur Ja heißt Ja"
Für die Forderung nach einem "Nur Ja heißt Ja" bei sexuellen Handlungen erhielten die Grünen sowohl von den SPÖ-Abgeordneten Sabine Schatz, Maximilian Köllner und Julia Herr Unterstützung als auch von den NEOS-Abgeordneten Henrike Brandstötter und Sophie Marie Wotschke. Die SPÖ werde weiter dafür kämpfen, dass dieses Prinzip umgesetzt werde, sagte Schatz. Konsens für jede sexuelle Handlung müsse zur Selbstverständlichkeit werden, mahnte sie. "Die Scham muss die Seite wechseln", war sie sich mit anderen Abgeordneten einig.
Wotschke betonte, es gehe nicht um eine Umkehr der Beweislast, sondern darum, welche Frage der Maßstab bei Gerichtsprozessen sei: Statt zu fragen, ob das Opfer "laut genug nein gesagt" habe bzw. ob der Täter gewusst habe, dass das Opfer nicht wolle, wäre zu klären, ob sich der Täter vergewissert habe, dass das Opfer wolle. Österreich müsse hier anderen europäischen Ländern nachziehen, sagte sie. NEOS-Abgeordnete Brandstötter hielt dazu fest, dass die Wahrscheinlichkeit als Mann zu Unrecht einer Vergewaltigung bezichtigt zu werden, bei 0,03 % liege.
Koalition: Regierung hat bereits viel erreicht
Generell hob SPÖ-Abgeordnete Schatz hervor, dass die aktuelle Regierung bereits viel für Frauen erreicht habe. So sei das Budget des Frauenministeriums trotz Spardrucks erhöht worden. Zudem habe man 10 Mio. Ꞓ für Frauengesundheit aufgestellt und Menstruationsartikel von der Steuer befreit. Auch auf den geplanten Unterhaltsgarantiefonds wies Schatz hin.
In eine ähnliche Kerbe schlugen die ÖVP-Abgeordneten Juliane Bogner-Strauß und Romana Deckenbacher. Die Bundesregierung investiere so viel in den Gewaltschutz wie keine Regierung zuvor, machte Bogner-Strauß geltend. "Wir arbeiten 365 Tage im Jahr gegen Gewalt gegen Frauen", versicherte sie. Allein seit dem Sommer seien Maßnahmen wie das "Dickpic-Verbot", eine Kampagne gegen K.-o.-Tropfen und eine Verschärfung des Waffengesetzes gesetzt worden. Auch die flächendeckende kostenlose Betreuung von Frauen, die von Gewalt betroffen sind, sei weiterhin sichergestellt. Die Regierung unternimmt laut Bogner-Strauß außerdem viel, um die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen zu fördern.
Was das Thema "Nur Ja heißt Ja" betrifft, meinte Bogner-Strauß, man müsse insbesondere darüber sprechen, wie man eine höhere Verurteilungsrate bei Vergewaltigungen sicherstellen könne. Hier brauche es vor allem "Beweisregeln" und nicht so sehr "Symbolpolitik", wobei sie sich in diesem Zusammenhang über die Einrichtung einer Gewaltambulanz in Graz erfreut zeigte. Wolfgang Gerstl (ÖVP) verwies darauf, dass auch ausgewiesene Expertinnen und Experten der Meinung seien, dass Änderungen des Strafrechts nicht ausreichen würden. Wichtig ist für ihn, dass die Unschuldsvermutung weiter gelte und keine Beweislastumkehr erfolge.
ÖVP und NEOS wollen Mädchen mit Kopftuchverbot stärken
Als wichtige Maßnahme, um junge Frauen bzw. Mädchen zu stärken, sehen Bogner-Strauß und ihr Fraktionskollege Ernst Gödl das geplante Kopftuchverbot an Schulen bis zum 14. Lebensjahr. Das sei ein wichtiger Schritt zur Prävention, meinte Gödl. Dem schloss sich auch NEOS-Abgeordnete Wotschke an. Man müsse Mädchen davor schützen, frühzeitig sexualisiert zu werden, sagte sie. Die Schule müsse ein Raum ohne trennende Symbolik sein. Insgesamt sieht Gödl Österreich als Vorreiter in Sachen Gewaltschutz.
FPÖ: Konsens bei sexuellen Handlungen ist geltende Rechtslage
Keine Notwendigkeit, beim Grundsatz "Nein heißt Nein" nachzubessern, sieht die FPÖ. Bereits jetzt werde im Sexualstrafrecht sexuelle Gewalt geahndet, sagte Rosa Ecker. Was es vielmehr brauche, sei eine konsequente Strafverfolgung sowie ein konsequenter Entzug des Aufenthaltsrechts bei ausländischen Straftätern.
Das sieht auch Eckers Fraktionskollege Harald Stefan so. Das Konsensprinzip bei sexuellen Handlungen sei geltende Rechtslage in Österreich, gab er zu bedenken und qualifizierte in diesem Sinn die Forderung nach einem "Nur Ja heißt Ja" als "Ablenkungsmanöver". Stefan hält Gewalt gegen Frauen in Österreich vorrangig für ein Einwanderungsproblem. Ja, "die Wurzel des Übels" seien Männer, stimmte er Grün-Abgeordnetem Schallmeiner zu, bei "einheimischen" Männern sei aber schon längst durchgedrungen, dass Gewalt nicht legitim sei. Das Problem seien Männer, die "wir nach Österreich hereingeholt haben" und die Frauen verachten würden.
Auch FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch sieht das eigentliche Problem in der "durch Massenzuwanderung importierten Gewalt" gegen Frauen. Der öffentliche Raum sei infolgedessen für Frauen und Mädchen deutlich unsicherer geworden. Das wolle man mit Begriffen wie "toxische Männlichkeit" und der Forderung nach Schutzzonen verschleiern.
Wenig anfangen konnte FPÖ-Abgeordnete Ecker auch mit den anderen Forderungen des Dringlichen Antrags. Die Aktion "16 Tage gegen Gewalt" sei eine sinnvolle Kampagne, die Grünen wollten unter dem Titel Gewaltschutz aber "ideologische Projekte durchdrücken", die nichts mit Gewaltschutz zu tun hätten, meinte sie. Die Probleme liegen ihrer Meinung nach woanders, etwa bei Förderkürzungen für Beratungsstellen und überlastete Frauenhäuser.
Ihre Parteikollegin Ricarda Berger warf den Grünen vor, die Ausweitung der Schutzzonen vor Gesundheitszentren dazu benützen zu wollen, das Recht jener Personen einzuschränken, die sich in friedlicher Weise "für Lebensschutz einsetzen" würden.
SPÖ: Häusliche Gewalt ist kein Einwanderungsproblem
Massiven Widerspruch erntete FPÖ-Abgeordneter Stefan unter anderem von SPÖ-Abgeordnetem Rudolf Silvan. Das Problem "Gewalt gegen Frauen" sei nicht "nach Österreich hereingeholt" worden, sondern schon immer da gewesen, sagte er. Man wisse seit Jahrzehnten, dass der gefährlichste Platz für Frauen die eigenen vier Wände seien. Silvan schilderte zudem ein Ereignis vom Wochenende, wo eine 23-Jährige von einer Gruppe fünfzigjähriger Österreicher am Fußballplatz massiv belästigt worden sei. Der Fokus der FPÖ auf ausländische Täter verzerre die Realität, ist auch SPÖ-Abgeordnete Herr überzeugt. Alle Sexualstraftaten seien mit der gleichen Konsequenz zu ahnden, von wem auch immer sie verübt würden, unterstrich sie.
Stärkung der Unabhängigkeit von Frauen
Die Forderung der Grünen nach einer Stärkung der Unabhängigkeit von Frauen wurde ausdrücklich auch von NEOS-Abgeordneter Brandstötter geteilt. Die von den Grünen geforderten Einkommensberichte von Unternehmen ab 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sieht sie allerdings kritisch. Bei so kleinen Betrieben werde es nicht viele Beschäftigte geben, die die gleiche Arbeit machen, meinte sie. In Sachen Einkommenstransparenz erwartet sie sich aber Verbesserungen durch die bevorstehende Umsetzung einer EU-Richtlinie.
Auf die Gefahr, die von digitaler Gewalt gegen Frauen ausgeht, wies Süleyman Zorba (Grüne) hin. Eine "besonders perfide" Form des Machtmissbrauchs seien pornographische Deep-Fakes, die das Leben von Frauen zerstören könnten, hielt er fest. Daher dürften Regulierungen im digitalen Bereich nicht aufgeweicht werden.
Begründet hatte den Dringlichen Antrag Abgeordnete Leonore Gewessler, von der Regierungsbank nahm Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner dazu Stellung (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1037/2025). (Fortsetzung Nationalrat) gs/sox
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