- 19.11.2025, 13:55:32
- /
- OTS0142
Kontroverse im Nationalrat um das Thema Wirtschaftskammer
FPÖ kritisiert in Aktueller Stunde "Zwangsfinanzierung gieriger ÖVP-Gagenkaiser"
Im Zuge der jüngsten Auseinandersetzungen rund um die Wirtschaftskammer hat die FPÖ als Thema für die Aktuelle Stunde heute im Nationalrat "Schluss mit der Zwangsfinanzierung gieriger ÖVP-Gagenkaiser durch Österreichs tüchtige Unternehmer!" ausgewählt. Nachdem aufgeflogen sei, dass man sich in der Wirtschaftskammer "Gagenverdoppelungen" hätte geben wollen - mitten in der Krise, unfreiwillig bezahlt von Unternehmen -, sei dort "Feuer am Dach", so Michael Schnedlitz (FPÖ). Aufgeflogen seien auch "zig weitere Gagenerhöhungen", daher spreche er die ÖVP insgesamt an. Die Gier sei offensichtlich so groß, dass man die Pläne in der Wirtschaftskammer nur vorübergehend aussetzen wolle, kritisierte er. Dieselben, die auf niedrige Gehaltabschlüsse beharren würden, würden sich selbst ganz andere Erhöhungen geben, so Schnedlitz. Der ÖVP warf er vor, dass es ihr darum gehe, sich zu bereichern und damit nicht durchkomme. Nicht Harald Mahrer sei das Problem, sondern die österreichische Volkspartei. Die Rechnung werde sie bei der nächsten Wahl bekommen, die "saftiger" ausfallen werde als die Gagenerhöhungen, meinte er.
Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer sprach von berechtigter Kritik an den Vorkommnissen in der Wirtschaftskammer. Diese werde aber missbraucht, um die Sozialpartnerschaft in Österreich in Frage zu stellen. Gerade in wirtschaftlich fordernden Zeiten brauche es eine Interessenvertretung der Wirtschaft, die glaubwürdig und schlagkräftig sei, so der Wirtschaftsminister. Es gelte jetzt, in der Wirtschaftskammer Reformen zu setzen, um das Vertrauen zurückzugewinnen. Er sei überzeugt, dass die richtigen Schritte dazu bereits eingeleitet worden seien. So sei Harald Mahrer als Wirtschaftskammerpräsident zurückgetreten und die neue Präsidentin, in die er großes Vertrauen setze, mit der Führung des Hauses beauftragt. Ihre erste Ankündigung sei die klare Ansage gewesen, die Erhöhung der Funktionärsentschädigungen auszusetzen. Hattmannsdorfer wies außerdem darauf hin, dass bei den Beschlüssen in der Wirtschaftskammer, die jetzt zu dem Unmut geführt haben, auch ein freiheitlicher Vertreter eingebunden gewesen sei.
Diskussion über "Zwangsbeiträge", "Neiddebatte" und Sozialpartnerschaft
Die Wirtschaftskammer sei keine Interessenvertretung mehr, sondern ein "geschlossener Funktionärsklub", der nur Funktionäre und nicht mehr die Mitglieder vertrete, so Michael Fürtbauer (FPÖ). Auch die Präsidenten der Arbeiterkammer kritisierte er, die alleine in diesem Amt ungefähr ebenso viel wie Mahrer mit zwei Funktionen verdienen würden. Fürtbauer forderte ein "Schluss mit der Zwangsmitgliedschaft und Zwangsbeiträgen" und "endlich richtige Reformen". Auch Herbert Kickl (FPÖ) sagte, es gebe nur eine logische Konsequenz aus den Ereignissen, nämlich "weg mit der Zwangsmitgliedschaft". Die Köpfe würden in der Wirtschaftskammer nicht für die Unternehmen, sondern "für sich selber" rauchen, und das in Zeiten, in denen es eine Pleitewelle gebe, Arbeitsplätze abgebaut und Familienbetriebe dichtgemacht würden. Das System des Kammerzwangs verhindere jede vernünftige Reform in Österreich und sei ebenso aus der Zeit gefallen wie die "Systemparteien" ÖVP und SPÖ.
Die letzten zwei Wochen würden kein Ruhmesblatt zeigen, im Sinne einer Fehlerkultur sei jetzt aber anzuerkennen, dass Mahrer zurückgetreten ist, so Nico Marchetti (ÖVP). Er wies darauf hin, dass es einen Vizepräsidenten der Freiheitlichen in der Wirtschaftskammer gebe, der angesichts der Kritik der FPÖ eigentlich nun ebenso zurücktreten müsse. Er warf der FPÖ vor, Dinge wie die Sozialpartnerschaft zerstören zu wollen, die wichtig für den sozialen Frieden in Österreich sei. Es brauche handfeste Lösungen und nicht nur starke Worte oder Rachegelüste. Laurenz Pöttinger (ÖVP) warf Schnedlitz vor, er habe eine Neiddiskussion begonnen, die "seinesgleichen" suche. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Wirtschaftskammer würden einen tollen Job machen und hätten es nicht verdient, "was hier abgeht". Hinsichtlich der Mitgliedsbeiträge würden etwa Einzelunternehmen und Klein- und Mittelbetriebe von dem System profitieren. Wenn nicht alle einzahlen, würde sich das System nicht ausgehen, so Pöttinger. Er warf der FPÖ vor, dass es nicht seriös sei, jetzt die Sozialpartnerschaft als solche aufs Spiel zu setzen.
Der FPÖ gehe es "wie so oft" nicht um Lösungen, sondern darum, zu spalten und Feindbilder zu erzeugen, kritisierte Reinhold Binder (SPÖ). Wenn diese von "Zwangsfinanzierung" spreche, sei das ein Angriff auf alle gesetzlichen Interessenvertretungen. Der FPÖ sei die gesamte Sozialpartnerschaft ein Dorn im Auge, die aber wichtig für den Wohlstand und die Arbeitsplätze sei. Österreichs Sozialpartner würden für Beratung, Weiterbildung, Chancen und Rechtssicherheit sorgen und sich für fairen Wettbewerb einsetzen. "Entsetzt" zeigte sich Melanie Erasim (SPÖ), dass Mahrer eine so wichtige Institution wie die Wirtschaftskammer derart in Verruf gebracht habe. Klar sei aber, dass ein großer Teil des Wohlstands, friedlichen Miteinanders und Interessenausgleichs auf den Schultern einer funktionierenden Sozialpartnerschaft aufgebaut sei. Es gehe darum, zum wirtschaftlichen Zusammenhalt beizutragen und sich nicht als "Saubermacher" aufzuspielen, wenn man den meisten "Dreck am Stecken" habe: "Schämen Sie sich", so Erasim in Richtung FPÖ.
Das heutige Thema stelle keine Neiddebatte dar, sondern sei berechtigter Zorn, meinte Yannick Shetty (NEOS). Die Position der NEOS sei bekannt, und zwar würden sie eine Abschaffung der "Zwangsmitgliedschaft" fordern. Auch die Kammerumlage 2, die von einem früheren Krisenbeitrag zur realen Dauerbelastung geworden sei, müsse abgeschafft werden - das könne die Kammer ganz alleine machen. Der FPÖ warf er vor, dass "Schwarz, Rot und Blau" in der Kammer für "fette Bonzen und Gagenkaiser" gestimmt hätten. Es wäre jetzt Zeit für eine umfassende Kammerreform, so Shetty. Michael Bernhard (NEOS) sprach sich etwa dafür aus, dass es keine zehn Wirtschaftskammern brauche, sondern drei Regionalkammern ausreichen würden. Damit könnte die Wirtschaftskammer zwei Drittel der Organisation einsparen, meinte Bernhard. Außerdem brauche es eine echte, freiwillige Unternehmerkammer, zumal es kein Argument für eine Pflicht gebe.
Von einem "unwürdigen Schauspiel" der letzten Wochen im Hinblick auf die Wirtschaftskammer sprach Leonore Gewessler (Grüne). Es gehe um ein Sittenbild, das hier abgegeben worden sei. Aus ihrer Sicht brauche es einen Neustart in der Wirtschaftskammer, um gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die wesentlichen Dinge für Unternehmen in den Mittelpunkt zu stellen. Auch Gewessler sprach sich für eine Abschaffung der Kammerumlage 2 sowie für eine Verschlankung der Strukturen aus. Sie halte aber zum Konzept der Sozialpartnerschaft, während die FPÖ "Wasser" predige und "Wein" trinke. Die wichtige sozialpartnerschaftliche Rolle der Wirtschaftskammer, die jetzt leider "wie eine Titanic" zu sinken drohe, hob auch Elisabeth Götze (Grüne) hervor. An der Pflichtmitgliedschaft dürfe nicht gerüttelt werden. Die Unterstützung der Kammer sei vor allem für kleine Betriebe wichtig. Die Kammerbeiträge würden aber komplett an der Realität vorbeigehen und müssten dringend gesenkt werden, ebenso wie die Lohnnebenkosten, so Götze.
Zu Beginn der Sitzung wurde Lisa Aldali (NEOS) im Nationalrat angelobt, da Stephanie Krisper (NEOS) ihr Mandat zurückgelegt hat. (Fortsetzung Nationalrat) mbu
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
Rückfragen & Kontakt
Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at
www.parlament.gv.at/Parlamentskorrespondenz
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT | NPA






