- 18.11.2025, 17:46:03
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- OTS0183
7. Wiener Gemeinderat (8)
Dringliche Anfrage
Um 16 Uhr wurde die Tagesordnung für die Debatte der Dringlichen Anfrage der Wiener Grünen an Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) betreffend „drastische Kürzungen im Sozial- und Gesundheitssystem dieser Stadt stoppen“ unterbrochen.
Die Budgetkonsolidierung „ist zum Speiben“, sagte GR David Ellensohn (GRÜNE). Denn die Stadtregierung hätten sich zum Einsparen die Ärmsten ausgesucht. Er kritisierte, dass die Sanierungen des Budgets vor allem Alte, Kranke – vor allem Suchtkranke – und Kinder treffe. Man müsse das Budget zwar konsolidieren – aber wo man spare, sei eine politische Entscheidung. Ellensohn bemängelte unter anderem, dass es künftig eine Kürzung der Mietbeihilfe und für Dauerbezieher*innen eine Kürzung der Mindestsicherung beim 13. und 14. Gehalt gebe. Zudem würden die Einsparungsmaßnahmen der Stadt künftig dazu führen, dass etwa Senior*innen weniger netto von brutto bliebe, Kinder in der Mindestsicherung Miete zahlen müssen und Arbeitslose nicht dazu verdienen dürfen. Jene, die geflüchtet, krank oder auch in Pension sind, würden laut Ellensohn „bestraft“ werden – die Ausreden und Anschuldigungen seien „nicht zum Aushalten“. Die Schieflage habe die Stadtregierung selbst zu verantworten, so Ellensohn. Die Stadtregierung müsse an anderen Stellen sparen – sinnvolle Maßnahmen gebe es laut Ellensohn genügend. Man könne etwa bundesweit über eine progressive Erbschaftssteuer, echte Vermögenssteuer oder auch über die Schließung der Schlupflöcher sprechen, meinte Ellensohn. Wenn die Stadt nicht dazu übergeht, jene „zur Kassa zu bitten“, die am meisten verdienen, werde es nicht funktionieren, warnte Ellensohn. Weitere Einsparungspotenziale gebe es etwa durch eine Leerstandsabgabe, Flächenwidmungsabgabe, Zweitwohnsitzabgabe oder auch durch Maßnahmen bei der Fernwärme. Er verwies zudem auf Maßnahmen der Bundesregierung, wie die Abschaffung der kalten Progression. Doch das Appellieren an die SPÖ bringe nichts mehr; „das ist wertlos geworden“, betonte Ellensohn. Denn der Wiener SPÖ fehle das Kämpfen um soziale Gerechtigkeit – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Irgendjemand in der Sozialdemokratie müsste anfangen, umzudenken, forderte Ellensohn.
Bgm Dr. Michael Ludwig (SPÖ) kritisierte in seiner Beantwortung die von der vorherigen Bundesregierung beschlossenen steuerlichen Maßnahmen ohne Gegenfinanzierung: Als Beispiel nannte er die Abschaffung der kalten Progression, was Wien rund eine Milliarde Euro koste. Zudem habe die Bundesregierung bei der Inflationsbekämpfung im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern nicht regulierend eingegriffen. Die hohe Inflation habe die Wettbewerbsfähigkeit geschwächt und zur längsten Rezession seit 1945 geführt. Viele Gemeinden stünden finanziell unter Druck – über die Hälfte aller Gemeinden würden als Abgangsgemeinden geführt. Ludwig betonte, die Stadt werde an ihrem sozialpolitischen Kurs festhalten und Leistungen in den Bereichen Soziales, Gesundheit und Pflege trotz schwieriger Rahmenbedingungen aufrechterhalten.
Ludwig erklärte, dass die Budgetmittel 2026 für Sucht- und Drogenarbeit weitgehend den nominalen Werten von 2025 entsprechen würden. Die Kernleistungen der Suchthilfe Wien seien nicht von Einsparungen betroffen. Im Bereich der Prävention werde es jedoch eine Leistungseinschränkung von etwa 10 Prozent geben: Ein Projekt werde beendet, da dessen Aufgaben bereits von multiprofessionellen Schul-Teams übernommen worden seien. Die Konsolidierungsmaßnahmen würden Ludwig zufolge drei Prämissen folgen: der Versorgungssicherheit, der sozialen Verantwortung und der Zukunftsfähigkeit der Strukturen. Das bedeute: zentrale Behandlungs- und Unterstützungsangebote würden gesichert, Einsparungen sollten nach sozialer Fairness erfolgen, die Qualität der Betreuung und der Schutz vulnerabler Gruppen stünden im Vordergrund, niedrigschwellige Angebote im öffentlichen Raum würden erhalten bleiben, da der Bedarf voraussichtlich weiter steige. Für arbeitsmarktintegrative Maßnahmen werde die strategische Steuerung bei der Stadt verbleiben; die konkrete Betreuung werde weiterhin in Kooperation mit dem AMS Wien erfolgen: Das AMS finanziere die Wiener Berufsbörse, zudem würden tagesstrukturierende Angebote wie „gabarage“ bestehen bleiben und für instabilere Klient*innen stünden 12-monatige behandlungsorientierte Leistungspakete zur Verfügung.
Bürgermeister Ludwig berichtete, dass die Dotation der Stadt für 2026 ein leichtes Plus gegenüber 2025 aufweise, wobei sich die Finanzierung aus Stadt-, Bundes- und Drittmitteln sowie Kostenersätzen zusammensetze. Trotz der angespannten Lage könnten zahlreiche Projekte im nächsten Jahr fortgeführt werden – Ludwig nannte hier unter anderem die Ausbildungsoffensive „Pflege Zukunft Wien“, den Ausbau der FSW-Tageszentren für Senior*innen und das FSW-Winterpaket. Im Bereich Flüchtlingshilfe werde der FSW sein Angebot für Integrationsmaßnahmen reduzieren und sich künftig stärker auf Kernleistungen konzentrieren; der Bund werde für Deutschkurse und flächendeckende Integrationsangebote zuständig gemacht, erklärte Ludwig. Die Inklusionsstrategie „Inklusives Wien 2030“ werde schrittweise umgesetzt; Förderungen wie jene des Integrationsfachdienstes „Jobwärts“ würden bestehen bleiben. Zwei freiwillige FSW-Förderungen würden eingestellt: die Berufsintegration „P.I.L.O.T.“ und die Berufsqualifizierung „KOMM Cafés und Minimärkte“. Ludwig verwies darauf, dass es seit dem Frühjahr Gespräche mit Fördernehmer*innen gegeben habe und diese im September schriftlich über anstehende finanzielle Veränderungen informiert worden seien. Der FSW habe Wert daraufgelegt, Maßnahmen ausgewogen zu setzen und die Partnerorganisationen einzubeziehen.
Die Mittel für die Ordensspitäler würden im Budget 2026 um rund 7 Prozent steigen, sagte Ludwig. Daraus lasse sich keine Gefährdung der Zusammenarbeit ableiten, dennoch würden auch diese Einrichtungen um Beiträge zur Konsolidierung gebeten. Gespräche über Fördervereinbarungen für 2026 liefen. Im Wiener Gesundheitsverbund würden die Besetzungsgrade nach Angaben der Verwaltung derzeit auf einem hohen Niveau liegen. Ludwig führte diese Entwicklung auf verschiedene Maßnahmen zurück: Er nannte unter anderem flexible Arbeitszeitmodelle, Karriere- und Fortbildungsanreize sowie Erhöhungen von Zulagen. Auch die Zahl der Ausbildungsplätze in der Pflege sei erhöht worden. Das 2022 beschlossene Modernisierungsprogramm der Wiener Spitäler werde aufgrund von Preisentwicklungen verschoben – derzeit würden alternative Finanzierungsoptionen ausgelotet. Der regionale Strukturplan Gesundheit Wien 2030 werde als Planungsdokument ohne Finanzierungsangaben verstanden.
Hinsichtlich Gender Budgeting hielt Ludwig fest, dass die Stadt seit Jahren ein Instrument anwende, mit dem der Budgeterstellungsprozess um die Geschlechterperspektive erweitert wurde, um geschlechtsspezifische Effekte im Budgetprozess zu beobachten. Obwohl der Gesundheits- und Sozialbereich überwiegend weiblich dominiert sei, würden Expert*innen insgesamt keinen generellen Stellenabbau in diesen Bereichen erwarten – die jetzt gesetzten Maßnahmen könnten lediglich einzelne Angebote beeinflussen. All das seien Zeichen dafür, dass die Stadtregierung dem Prinzip der sozialen Gerechtigkeit folge und weiterhin den erfolgreichen „Wiener Weg“ beschreite.
StRin Mag. Judith Pühringer (GRÜNE) meinte im Hinblick auf die Beantwortung des Bürgermeisters: Die Rede lasse sie ratlos zurück, da der Eindruck entstehe, dass „alles beim Alten bleibt“. Die Ausführungen würden ihr Gefühl verstärken, dass die SPÖ Wien ihren sozialen Kompass verloren habe, so Pühringer. Ludwig habe in der Vergangenheit selbst die hohe Relevanz der Beratungsstellen für Suchtkranke hervorgehoben – nun spare die Stadt genau dort. Das sei unverantwortlich und führe letztlich auch zu keinen Einsparungen, denn die Kosten würden woanders wieder auftauchen, betonte Pühringer. Eine solidarische Stadt zeige sich darin, wie sie mit den Schwächsten umgehe. Es dürfe niemand zurückgelassen werden, forderte Pühringer. Doch es falle den Wiener Grünen nicht leicht, genau diesen Menschen derzeit Mut zu machen. Denn die Stadtregierung lasse Menschen, die am Limit leben, im Stich, kritisierte Pühringer. Sie kürze etwa in der Arbeitsmarktintegration – dies werde nicht durch das AMS ausgeglichen und in dieser Art auch nicht wiederkommen, so Pühringer. Die Kürzungen würden auch einige Projekte für Menschen mit Behinderung betreffen, sagte Pühringer. Sie bemängelte die von Ludwig erwähnten geplanten eingestellten Förderungen von „P.I.L.O.T.“ und „KOMM Cafés und Minimärkte“. Auch das angesprochene Angebot „gabarage“ könne künftig nicht bestehen bleiben, wenn die Förderung um die Hälfte gekürzt wird. Die SPÖ sei dabei, „das Erbe des roten Wiens zu verspielen“: Dieses werde derzeit abmontiert, so Pühringer. Sie verwies auf Demonstrationen von „roten Gewerkschafter*innen“ gegen die Politik der Wiener SPÖ. Auch Mitarbeiter*innen in sozialen Organisationen seien empört: Strukturen, die über Jahrzehnte aufgebaut werden, würden nun von der Stadtregierung zerschlagen. Diese Strukturen abzubauen, bedeute auch den Verlust von wichtigem Spezialwissen, warnte Pühringer. Auf dem Rücken der Ärmsten zu sparen, sei beschämend, so Pühringer. Die Wiener SPÖ zerschneide damit das „allerletzte Netz“ für nicht arbeitsfähige Menschen und jene, die chronisch krank sind. „Bei uns ist Alarmstufe Rot“, meinte Pühringer. Man werde so kein Budget sanieren, weil die Kosten wieder woanders entstehen würden. Wer bei den Ärmsten kürze, kürze auch bei der Solidarität, beim Zusammenhalt und beim sozialen Frieden. (Forts.) exm
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