- 18.11.2025, 11:41:03
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„Psychisch belastet und unterversorgt - es ist höchste Zeit zu handeln!“
pro mente Austria präsentiert Vorschläge zur Verbesserung der psychosozialen Versorgung Jugendlicher
Immer mehr Jugendliche in Österreich kämpfen mit psychischen Belastungen. Studien belegen dennoch eine alarmierende Entwicklung seit der Corona-Pandemie: Aktuell weist ein Viertel aller Jugendlichen ein niedriges Wohlbefinden auf und jede:r Zehnte deutliche Anzeichen psychischer Probleme. Mädchen sind dabei besonders stark betroffen.[1]/[2] Die Hälfte von über 5.500 befragten Jugendlichen in Österreich und Deutschland beurteilen ihren psychischen Gesundheitszustand negativ und berichten von Problemen, Stress, Traurigkeit und sorgenvollen Gedanken.[3] Gleichzeitig zeigen sie bemerkenswerte Stärke und Anpassungsfähigkeit. Trotz widriger globaler Entwicklungsbedingungen – Klimakrise, Krieg, Kostensteigerung – meistern viele ihren Alltag, sprechen offen über psychosoziale Tabuthemen und suchen aktiv nach Hilfe. Die 26 Mitgliedsorganisationen von pro mente Austria begleiten zahlreiche Jugendliche und verzeichnen seit Jahren in allen Bundesländern stetig steigende Kontaktzahlen sowie eine Zunahme an psychiatrischen Diagnosen. In ihren Einrichtungen werden meist lange Vormerklisten geführt. Auch der jüngste Rechnungshofbericht zum gegenwärtigen Stand der heimischen Kinder- und Jugendpsychiatrie konstatiert eine eklatante Unterversorgung von jungen Menschen mit psychosozialem Unterstützungsbedarf in Österreich – zu wenige Fachkräfte, zu lange Wartezeiten, fehlende flächendeckende Angebote. Es ist höchste Zeit zu handeln!
Der Rechnungshofbericht zeigt deutliche Lücken in der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung: unzumutbare Wartezeiten auf Behandlungstermine bei niedergelassenen Vertragsärzt:innen (im Schnitt 3 Monate), ein österreichweiter Mangel an psychiatrischen Fachärzt:innen, regional ungleiche Strukturen mit zahlreichen ambulant unterversorgten Landesteilen, fehlende Vernetzung zwischen dem ambulanten und stationären Hilfssystem. Besonders Kinder und Jugendliche fallen oft durch die Raster – weil Kapazitäten fehlen oder bürokratische Hürden den Zugang erschweren.
„Der Rechnungshof benennt klar, was wir seit Jahren beobachten“, sagt Priv.-Doz. Dr. Günter Klug, Präsident von pro mente Austria. „Die Zahl psychisch belasteter junger Menschen nimmt zu, die Versorgung kommt nicht nach. Wir müssen jetzt handeln, gemeinsam und lösungsorientiert, um dafür zu sorgen, dass psychosoziale Unterstützung dort ankommt, wo sie dringend gebraucht wird – schnell, unbürokratisch und engmaschig.“
„Psychische Erkrankungen bei Jugendlichen sind keine Ausnahmeerscheinung mehr, sondern alltägliche Realität. Je früher wir Behandlung und Betreuung sicherstellen, desto besser sind die Heilungschancen – das erfordert ein abgestimmtes, multiprofessionelles System“, so Klug.
Jugendliche am Limit: Steigende Belastungen, wachsende Nachfrage
pro mente Austria und ihre Mitgliedsorganisationen begleiten jährlich österreichweit zahlreiche junge Menschen mit psychischen oder sozialen Problemen – in Schulen, Ausbildungs-, Arbeits- und Wohnprojekten, psychosozialen Beratungsstellen oder im Rahmen von Freizeitangeboten. Zu den momentan besonders stark vertretenen psychischen Jugenderkrankungen zählen Depressionen, Angst-, Ess- und Persönlichkeitsstörungen, ADHS sowie Belastungsreaktionen nach Gewalterlebnissen. Trotz dieser Herausforderungen verfügen junge Menschen dennoch über ausgeprägte Resilienz: Sie vernetzen sich, fordern Unterstützung ein und entwickeln oft kreative Bewältigungsstrategien. Gerade diese Ressourcen gilt es zu stärken, damit schwierige Lebensphasen nicht zu langfristigen Erkrankungen führen.
„Als es mir psychisch schlecht ging, erhielt ich einen Platz in der AusbildungsFit work.box von pro mente OÖ. Die Begleitung und Betreuung haben mich unglaublich stabilisiert. Dass ich in dieser Zeit auch mit Hilfe von pro mente meinen Bildband über Depressionen und Angsterkrankungen veröffentlichen konnte, macht mich sehr stolz. Heute arbeite ich im Buchhandel, mache die Abendschule und habe viele neue Perspektiven gewonnen. Das wäre ohne die schnelle, unkomplizierte Unterstützung nicht möglich gewesen. Genau deshalb ist es so wichtig, dass psychisch belastete Jugendliche rasch Zugang zu professionellen Hilfsangeboten bekommen“, sagt die 19-jährige Oberösterreicherin Ina Spitzbart.
Folgende Themen sind bei den von pro mente betreuten Jugendlichen besonders virulent:
Überforderung durch schulischen oder beruflichen Leistungsdruck
Soziale Isolation und fehlende Unterstützungssysteme
Starke Ängste, Depressionen und Selbstwertprobleme, selbstverletzendes Verhalten
Familiäre Konflikte, Armut, Trennungs-, Ablehnungs- oder Gewalterfahrungen (wie etwa auch (Cyber-)Mobbing)
- Problematische digitale Nutzungsweisen bis hin zu exzessivem Medien- und Gamingverhalten (zunehmend mit negativen Einflüssen auf Schlaf, Schule, soziale Kontakte und Stimmungslage)
- Einsamkeit und Rückzug
Sechs konkrete Schritte für ein starkes psychosoziales Netz in der Jugendarbeit
„Wir wissen: Je früher die Hilfe bei psychischen Belastungen ansetzt, desto wirksamer ist sie. Unbehandelte psychische Erkrankungen können – abgesehen vom persönlichen Leid – im Erwachsenenalter zu einer massiven Verschlechterung der Lebensumstände sowie eingeschränkter Erwerbstätigkeit führen und damit auch das Gesundheits- und Sozialsystem langfristig belasten“, erklärt Klug.
pro mente Austria präsentiert deshalb konkrete Empfehlungen, wie die psychosoziale Versorgung Jugendlicher in Österreich nachhaltig verbessert werden kann:
Niederschwelliger Zugang zum psychosozialen Hilfssystem durch einen Ausbau der Versorgung: rascher, unkomplizierter Erstkontakt ohne lange Wartezeiten oder Antragsverfahren
Dafür ist es notwendig, das Jugendangebot in den Bereichen Psychotherapie, Familienberatung, Krisenwohnen, mobile Betreuung und Psychiatrie österreichweit auszubauen – mit einem besonderen Fokus auf augenblicklich unterversorgte Regionen.
Multiprofessionelle & vernetzte Versorgung: damit positive Entwicklungen aus der Betreuung stabil bleiben und Recovery-Prozesse nicht unterbrochen werden
Um nachhaltige Unterstützungserfolge gewährleisten zu können, müssen Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen, Sozialarbeiter:innen, Ärzt:innen und Pädagog:innen eng zusammenarbeiten – abgestimmt über Systemgrenzen hinweg. Wenn ambulante und stationäre Angebote ebenso wie Sozial- und Bildungsstrukturen ineinandergreifen, kann zurzeit regelmäßig vorkommenden Behandlungs- und Betreuungsabbrüchen in der Transitionspsychiatrie vorgebeugt werden.
Sichere Schutzräume schaffen: Orte, an denen Jugendliche ohne Angst über psychische Belastungen sprechen können und gleichzeitig Zugehörigkeit, Selbstvertrauen und Empowerment erfahren
Dieses Bedürfnis ist aufgrund der Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen besonders dringlich. Gleichzeitig bildet das Erleben echter persönlicher Beziehungen zu Gleichaltrigen einen Gegenpol zu den Entfremdungstendenzen im digitalen Alltag vieler Jugendlicher.
Partizipation ermöglichen: Jugendliche aktiv einbinden, ihre Perspektiven ernst nehmen und in die Angebotsentwicklung einfließen lassen
Durch die Beteiligung betroffener junger Menschen an der Evaluation und Entwicklung von Unterstützungsmaßnahmen ist garantiert, dass diese auch der Lebensrealität und den spezifischen Herausforderungen von Jugendlichen gerecht werden. Das Erleben von Selbstwirksamkeit ist eine zentrale Grundlage für psychisches Wohlbefinden – Partizipation ist daher auch Prävention.
Digitale und persönliche Unterstützung kombinieren: Ausbau von Online-Beratung (z. B. chat.box von pro mente OÖ) in Verbindung mit regionalen Anlaufstellen
Die Erfahrungen der Praxis zeigen, dass eine bedarfsorientierte Verschränkung zwischen digitaler und persönlicher Betreuung die größte Wirkung erzielt.
Systemischen Unterstützungsansatz ausbauen: soziales Umfeld gezielt als Ressource einbeziehen und mobil unterstützen
Wichtige Bezugspersonen innerhalb der Familie, des Freundeskreises und Ausbildungsalltag sowie im Rahmen von (betreuten) Peergroups sind gerade im Jugendalter entscheidende Schutzfaktoren. Ein umfassender Unterstützungsansatz stärkt nicht nur die Jugendlichen selbst, sondern befähigt auch ihr Umfeld, Stabilität, Beziehung und Teilhabe zu bieten. Dadurch können positive Entwicklungen gefestigt und langfristig auch im jeweiligen sozialen Netzwerk verankert werden.
„Wir wollen Lösungen, keine Schuldzuweisungen“
pro mente Austria versteht sich als Partnerin der öffentlichen Hand. Ziel ist es, gemeinsam mit Bund und Ländern tragfähige Strukturen zu schaffen, um Jugendlichen frühzeitig Hilfe zu bieten – bevor aus Krisen chronische Erkrankungen werden.
„Wir wollen Lösungen anregen“, betont Klug. „Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und sichert unsere Zukunftsfähigkeit. Wir wissen um die Belastungen – und wir wissen um die enorme Widerstandsfähigkeit der jungen Generation. Unser Auftrag ist es, diese Stärke zu fördern und Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein gesundes Aufwachsen begünstigen.“
pro mente Austria im Überblick
Als Dachverband vertritt pro mente Austria 26 Mitgliederorganisationen, die in ganz Österreich mit ihren 5.500 Mitarbeiter:innen Menschen mit psychischen oder psychosozialen Problemen versorgen. Multiprofessionelle Teams der Mitglieder decken alle Dienstleistungen ab, die die psychosoziale Gesundheit Einzelner und der Gesellschaft fördern: Sie bieten psychosoziale und sozialpsychiatrische Versorgung, Wohn- und Betreuungsangebote und Arbeitsprojekte sowie Prävention & Rehabilitation und Aus- und Fortbildung.
Wir vertreten die gemeinsamen Ziele unserer Mitglieder sowohl in Österreich als auch im Ausland und bieten eine Plattform für den unkomplizierten Informationsaustausch. Nach außen stehen wir als Ansprechpartner für alle Stakeholder:innen im Bereich der psychischen und sozialen Gesundheit zur Verfügung.
Pressefotos zum Download:
https://www.promenteaustria.at/wp-content/uploads/2025/11/PK-pro-mente-Austria-18.11.2025-scaled.jpg
[1] Strizek, J.; Akartuna, D.; Busch, M.; Schwarz, T. (2025): ESPAD Österreich 2024. Gesundheit Österreich, Wien. https://goeg.at/jugendliche_suchtverhalten2024
[2] Vgl. auch: www.oe3jugendstudie.at
[3] YEP - Stimme der Jugend. (2025): Mental Health. Jugendbericht April 2025. Berlin/Wien.
Rückfragen & Kontakt
pro mente Austria
Mag. Daniel Scheiblberger
Telefon: +43 664 83 05 144
E-Mail: presse@promenteaustria.at
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