• 18.11.2025, 09:08:03
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Scheidungsrecht: Podiumsdiskussion im Parlament über Reformvorschläge

Juristinnen und Juristen beleuchten nachehelichen Unterhalt und Verschuldensprinzip

Wien (PK) - 

Themen wie der nacheheliche Unterhalt und das Verschuldensprinzip im Scheidungsrecht standen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion, zu der gestern Abend die Parlamentsdirektion und der Österreichische Juristentag geladen hatten. Das Regierungsprogramm für 2025 bis 2029 sieht eine Reform des Scheidungsrechts vor, die unter anderem die Neuregelung des nachehelichen Unterhalts unabhängig vom Verschulden anstrebt. Der Rahmen einer Podiumsdiskussion mit Juristinnen und Juristen im Parlament zielte darauf ab, eine sachorientierte rechtspolitische Diskussion über die Entwicklung des Scheidungsrechts zu unterstützen.

Nach der Begrüßung durch den Generalsekretär des Österreichischen Juristentages Günther Winsauer hob Nationalratspräsident Walter Rosenkranz hervor, dass es gute Tradition sei, am Ort der Legislative - hier im Parlament - auch im Rahmen von Veranstaltungen wie dieser den Stand der Diskussionen zu geplanten Reformen zu erörtern. In der medialen Diskussion gebe es bisher interessante Gesichtspunkte, so Rosenkranz, die durchaus darauf schließen lassen, dass man das Scheidungsrecht einer Reform unterziehen könnte.

Sporrer: Faires Unterhaltsrecht, das auf Verlauf der Ehe abstellt

In vielen Ehen bestehe nach wie vor ein wirtschaftliches Ungleichgewicht, zumeist zulasten der Frauen, thematisierte Justizministerin Anna Sporrer. Für diesen wirtschaftlich schwächeren Teil müsse daher weiterhin eine gewisse finanzielle Absicherung gewährleistet sein. Die aktuellen "Zurufe" nach einem "weg mit dem Verschuldensprinzip" würden bei ihr Skepsis erwecken. Um den vielen existentiellen Angelegenheiten bei einer Scheidung gerecht zu werden, brauche es vor allem ein faires Unterhaltsrecht, das auf den Verlauf der Ehe und die unentgeltlichen Leistungen für die familiäre Gemeinschaft abstellt, so Sporrer. Dabei sollten etwa auch die Dauer der Ehe und die Anzahl der Kinder eine Rolle spielen. Darüber hinaus brauche es einen angemessenen Zeitrahmen, in dem sich alle Mitglieder des zerbrechenden Familiensystems auf ihre neue Lebenssituation nicht nur wirtschaftlich, sondern auch emotional einstellen können. Zu verorten sei in der Bevölkerung außerdem laut einer Studie ein überwiegendes Bedürfnis, das Verschulden am Scheitern der Ehe gerichtlich klären zu lassen. Zu überlegen gelte es zudem, ob das Rechtssystem nicht auch Raum geben sollte für ein Innehalten und eine Rückschau auf das, was in den Beziehungen abgelaufen ist - als Möglichkeit für jene, die eine solche Klärung brauchen, gab die Justizministerin zu bedenken. Die Ehe stelle auch einen Vertrag dar, die Frage sei, wie man in Zukunft mit diesen Pflichten umgehen solle.

Prunbauer-Glaser: Lösung mit ausbalanciertem Ausgleich der Interessen

Der Österreichische Juristentag verstehe sich als lebendige Plattform für den konstruktiven Meinungsaustausch, hielt die Präsidentin des Österreichischen Juristentages Marcella Prunbauer-Glaser fest. Ziel bei solchen Themen sei es, sachgerechte, nachhaltige Lösungen im ausbalancierten Ausgleich der Interessen zu finden. Insgesamt zeige die Tätigkeit des Juristentages auch einen Spiegel der Rechtsentwicklung auf. Die Regelung der Scheidungsfolgen betreffe auch gesetzgeberische und gesellschaftspolitische Werte, die einem Wandel der Zeit unterliegen würden. So gebe es laut Statistik auch im letzten Jahr wieder einen Zuwachs bei den Scheidungsraten. Wesentlich seien aus ihrer Sicht bei diesem Thema etwa die Unterhaltsfragen und die Altersabsicherung, zeigte sie sich gespannt, was in der Diskussion dazu komme.

Diskussion von Bedarfsunterhalt bis Pensionssplitting

Vielschichtig waren in der Podiumsdiskussion die Argumente zur Verschuldensfrage und zum nachehelichen Unterhalt im Scheidungsrecht. Aus Sicht von Christine Miklau, Richterin am Bezirksgericht Meidling und Vorstandsmitglied der Fachgruppe Familienrecht der Vereinigung Österreichischer Richterinnen und Richter, gebe es einen enormen Druck zur einvernehmlichen Scheidung - etwa weil der Ausgang einer Verschuldensscheidung als Einzelfallentscheidung sehr unsicher sei und auch am Ende oft keine echte Unterhaltsabsicherung stehe. Dabei lebe man beispielsweise noch jahrelang in derselben Wohnung, weil das sonst die Verschuldensfrage beeinflusse. Es gelte, den Blick auf die große Masse an Leuten zu richten, die nicht die Möglichkeit hätten, ihre Ansprüche durchzusetzen. Sie sprach sich etwa hinsichtlich eines Bedarfsunterhalts für ein einfaches System aus, das eine gewisse Kontinuität mit zeitlicher Befristung bieten sollte, um die bisherige Wirtschaftsführung weiterlaufen lassen zu können. Für einen dauerhaften Unterhalt werde man an schwierigen Verfahren nicht vorbeikommen, so Miklau.

Peter Barth, leitender Staatsanwalt und Leiter der Abteilung Familien-, Personen- und Erbrecht im Justizministerium, meinte, er gehe ergebnisoffen in die kommenden Arbeitsgruppen zu diesem Thema. Als eine von drei von ihm angedachten Varianten für eine künftige Regelung sprach Barth von einer etwaigen "Cooling-off-Phase" für die Scheidung, die einsetzen könnte, indem ein Partner bei Gericht erkläre, nicht mehr gebunden sein zu wollen. Während dieser Phase könnte versucht werden, beiden Unterstützung zu bieten. Beim Ehevertrag als einem - dann belastenden - Dauerschuldverhältnis brauche es aus seiner Sicht andere Möglichkeiten, herauszukommen als bei anderen Dauerschuldverhältnissen. Es gehe aus seiner Sicht um Regelungen, damit sich Menschen ihr Leben neu einrichten können, und nicht darum, dass sie angeregt würden, "sich fertigzumachen". Im Regierungsprogramm werde offenbar ein Bedarfsunterhalt angestrebt, so Barth. Die Gretchenfrage dazu sollte aus seiner Sicht sein, wie die Aufgaben während aufrechter Ehe verteilt worden seien. Beispielsweise wenn jemand die Kinderbetreuung übernommen habe und daraus resultiere, dass kein Einkommen erzielt werden könne, sollte der Expartner das ausgleichen. Dem Verschulden könnte man aus seiner Sicht insofern Stellenwert geben, dass beispielsweise durch schweres Verschulden der Unterhalt auch verwirkt werden könnte.

Constanze Fischer-Czermak, Universitätsprofessorin im Ruhestand am Institut für Zivilrecht der Universität Wien, meinte, wenn man das Verschuldensprinzip abschaffe, bleibe in dieser Schiene wohl nur mehr die "Scheidung aus Zerrüttung". Es werde aber nicht genügen, die Zerrüttung einseitig zu behaupten, gab sie zu bedenken. Aus ihrer Sicht würde dies systematisch außerdem dem Ehevertrag als Dauerschuldverhältnis widersprechen, für den dann zumindest eine Scheidung aus wichtigem Grund eingeführt werden müsste. Die große Gefahr sehe sie beim Abschaffen des Verschuldensprinzips sonst darin, dass es dann keine Regelung mehr für denjenigen gebe, der den Bedarf habe. Anderer Meinung als Barth war Fischer-Czermak auch insofern, dass aus ihrer Sicht ein einseitiger Brief an das Gericht nicht dem Rechtsinstitut entspreche, wie man es bisher kenne. Eine Rechtsberatung zum Thema Eherecht und den Rechtsfolgen würde sie bereits sehr früh, etwa in der Schule ansetzen. Den wirtschaftlichen Rahmen mit einem Bedarfsunterhalt eine Zeitlang weiterlaufen zu lassen, befinde sie für eine gute Idee.

Walter Müller, Präsident der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer, zufolge sei die derzeitige Rechtslage im Scheidungsfall "völlig unbefriedigend". Auch im Hinblick auf die Altersarmut bei Frauen vertrete er die Auffassung, dass ein verpflichtendes Pensionssplitting eingeführt werden müsse. In der Ehe werde alles geteilt, daher sei es eine dringende Forderung, diese Ungerechtigkeit, nämlich dass Pensionen bisher nicht geteilt würden, zu beseitigen. Was den Bedarfsunterhalt betrifft, sollte man es ihm zufolge bei mehr Ermessensspielraum belassen, als den Bedarf etwa nur unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz zu sehen. Ein Verschulden könnte man aus seiner Sicht bei der Höhe des Unterhaltsanspruchs einfließen lassen. Die Beurteilung sollte aber auch von der Aufteilung der Kinderbetreuung und Gestaltung der Ehe insgesamt abhängen.

Moderiert wurde die Podiumsdiskussion vom Leiter der Innenpolitik der Kleinen Zeitung, Walter Hämmerle.

Parlamentsdirektor Harald Dossi bedankte sich in seinen Abschlussworten für die sehr gelungene Veranstaltung aus zweierlei Sichtweisen. Einerseits sei heute zu bemerken gewesen, dass viele Meinungen zu diesem Problem aus der Lebenswirklichkeit vorhanden seien. Das Motto des Juristentags sei eben genau auch, für solche Fragen Inputs zu geben. Andererseits seien die Themen dieser Veranstaltungen auch für Abgeordnete und Klubs interessant, gerade in einer Phase noch bevor das Gesetz ins Parlament komme. Die Türen des Hauses seien für solche Veranstaltungen des Juristentags mit aktuellen, parlamentarisch relevanten Themen weiterhin offen, so Dossi. (Schluss) mbu

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung sowie eine Nachschau auf vergangene Veranstaltungen finden Sie im Webportal des Parlaments.


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