- 14.11.2025, 08:08:03
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Kollege KI in der Anästhesiologie – Sieben Minuten Vorsprung: KI warnt frühzeitig vor kritischen Blutdruckabfällen im OP
Am Jahreskongress betont die ÖGARI: KI darf keine Black Box sein, wissenschaftliche Qualität erfordert Offenheit und Prüfbarkeit.
Von der präoperativen Risikoabschätzung bis zur automatisierten Narkoseführung: Künstliche Intelligenz (KI) hält Einzug in den Operationssaal – und wird die Arbeit von Anästhesist:innen grundlegend verändern. »KI-Systeme werden uns künftig dabei unterstützen, Patientensicherheit und Effizienz im OP weiter zu erhöhen – die ärztliche Verantwortung aber bleibt unersetzlich«, erklärt Prim. Priv.-Doz. Dr. Johann Knotzer, Vorstand des Instituts für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Wels-Grieskirchen und Leiter der Säule Anästhesiologie im Vorstand der ÖGARI.
Präziser planen – individueller behandeln
KI-Modelle, die Patientendaten wie Laborwerte, Vitalparameter oder Medikationslisten analysieren, können postoperative Risiken erstaunlich genau vorhersagen. Systeme an der Charité oder der Mayo Clinic erreichen Genauigkeitswerte (AUC) zwischen 0,84 und 0,90 und ergänzen damit bewährte Scores wie die ASA-Klassifikation. »Diese Modelle helfen uns, präziser aufzuklären und die Narkose noch individueller anzupassen«, betont Primarius Knotzer.
Risiken rechtzeitig erkennen: Neues KI-Modell aus Wien
Ein aktuelles Projekt der Medizinischen Universität Wien und der Technischen Universität Wien zeigt das Potenzial eindrucksvoll: Ein neues KI-Modell kann gefährliche Blutdruckabfälle während Operationen bis zu sieben Minuten im Voraus vorhersagen.
Der sogenannte Temporal Fusion Transformer (TFT) analysiert kontinuierlich Vitalparameter wie Blutdruck, Puls, Sauerstoffsättigung und Beatmungswerte – und ermöglicht so rechtzeitiges Eingreifen, bevor ein gefährlicher Blutdruckabfall entsteht.
Das System arbeitet mit Routinedaten, die ohnehin im OP erhoben werden, und wurde mit Datensätzen von über 73.000 Patient:innen am AKH Wien trainiert. Die Vorhersage des Blutdruckverlaufs gelang mit einer durchschnittlichen Abweichung von nur 4 mmHg – ein außergewöhnlich präziser Wert. Zudem erkannte das Modell mit über 90 Prozent Genauigkeit kritische Abfälle im Voraus. »Solche Entwicklungen zeigen, wie KI die Sicherheit im Operationssaal weiter erhöhen kann«, bestätigt Knotzer und verweist auf die Forschungsarbeit seines ÖGARI-Kollegen Univ.-Prof. Dr. Oliver Kimberger, Leiter des Expert:innengremiums „Digitalisierung“ der ÖGARI, der sich für den verantwortungsvollen Einsatz digitaler Technologien in der Medizin einsetzt.
Smarter steuern – sicherer operieren
Auch während der Operation kommt KI zunehmend zum Einsatz: Automatisierte Closed-Loop-Systeme regulieren Narkosemittel wie Propofol in Echtzeit – gesteuert durch EEG-, Kreislauf- und Atemdaten. Studien zeigen eine stabilere Narkosetiefe und bis zu 30 % weniger Medikamentenverbrauch. »Das bedeutet mehr Sicherheit für die Patient:innen und mehr Effizienz für das OP-Team«, bestätigt Knotzer.
Dokumentation, die mitdenkt
KI kann Ärzt:innen auch bei Routineaufgaben entlasten: Systeme wie der Smart-Anesthesia-Manager übernehmen Dokumentation und Protokollierung weitgehend automatisch. So bleibt mehr Zeit für das Wesentliche – die Patient:innen. Künftig wird KI durch Spracherkennung und Echtzeit-Empfehlungen zusätzlich die Entscheidungsfindung unterstützen.
Wissenschaft und Weiterbildung mit KI
Auch Aus- und Weiterbildung profitieren: KI-gestützte Simulationen analysieren Teamverhalten, geben individuelles Feedback und steigern die Lernerfolge um bis zu 35 %. In Kombination mit Virtual und Augmented Reality entstehen praxisnahe, sichere Trainingsumgebungen, die klinische Abläufe realitätsgetreu abbilden. Darüber hinaus eröffnet KI neue Wege in der Forschung: Sie kann komplexe, heterogene Daten aus Narkoseprotokollen, Intensivdokumentationen und Patient:innenakten systematisch auswerten, Muster erkennen und bislang verborgene Zusammenhänge sichtbar machen. So lassen sich Risiken wie intraoperative Hypotonie, postoperative Delirien oder Atemdepressionen künftig noch gezielter vermeiden.
Univ.-Prof.in Dr.in Judith Martini, Universitätsprofessorin für Experimentelle Anästhesie und Intensivmedizin an der Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin Innsbruck betont, dass der Schlüssel im verantwortungsvollen Umgang mit der Technologie liegt: KI-Systeme müssen auf hochwertigen, ausgewogenen Daten beruhen, um Verzerrungen zu vermeiden. Ebenso wichtig ist die Nachvollziehbarkeit der Algorithmen – die „Black Box“ hat in der Wissenschaft keinen Platz. Nur transparente, überprüfbare Prozesse sichern Glaubwürdigkeit und Qualität. Auch ethische und datenschutzrechtliche Aspekte müssen konsequent mitgedacht werden: Die Integrität wissenschaftlicher Arbeit und der Schutz sensibler Patient:innendaten dürfen nie gefährdet werden.
Menschliche Verantwortung bleibt zentral
So groß die Chancen auch sind – KI ersetzt weder Erfahrung, Intuition noch Empathie. »Künstliche Intelligenz wird ein wertvoller Kollege sein, aber kein Ersatz für ärztliche Verantwortung«, bestätigen Univ.-Prof.in Priv.-Doz.in Dr.in Judith Martini und Prim. Priv.-Doz. Dr. Johann Knotzer übereinstimmend.
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Fischill PR
Dr. Britta Fischill
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