- 13.11.2025, 11:49:03
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Österreichisches Hebammengremium: Fehlende Hebammenberatung im Eltern-Kind-Pass gefährdet vulnerable Mütter und Kinder
Das Österreichische Hebammengremium (ÖHG) zeigt sich zutiefst besorgt über die jüngste Entscheidung des Bundeskanzleramts Sektion Familie und Jugend, welche die verpflichtende Hebammenberatung in der Frühschwangerschaft und einen weiteren Kontakt im Wochenbett im geplanten Eltern-Kind-Pass (EKP) aus Budgetgründen streichen. Damit wird eine zentrale Maßnahme zum Schutz und zur Förderung der Gesundheit von Müttern und Kindern aufs Spiel gesetzt – entgegen jahrelangen fachlichen Empfehlungen, Arbeit in Gremien mit Expert:innen und politischen Zusagen.
„Gerade jene Frauen, die unsere Unterstützung am dringendsten brauchen, werden durch diese Entscheidung im Stich gelassen“, warnt Gerlinde Feichtlbauer, MSc, Präsidentin des Österreichischen Hebammengremiums, der Kammer aller Hebammen in Österreich.
„Ein freiwilliger Hebammentermin erreicht sozioökonomisch benachteiligte und besonders vulnerable Schwangere häufig nicht – dabei profitiert gerade diese Gruppe nachweislich am stärksten von einer frühen, verpflichtenden hebammengeleiteten Betreuung. Es ist absolut nicht zu verstehen, dass diese seit so langer Zeit vorbereitete Maßnahme nun nicht umgesetzt wird! “
Derzeit ist im MKP nur ein Hebammengespräch verankert. Für das neue Untersuchungsprogramm hat eine ExpertInnengruppe, die vom BMASGK installiert wurde, weitere zwei vorgesehen, davon wurde ein Hebammengespräch in der Frühschwangerschaft als verpflichtend geplant. Den großen Unterschied macht die Verpflichtung aus, denn nur durch diese werden auch die sozial benachteiligten Frauen erreicht. In der jetzigen Vorbereitung der Verordnung zum EKP-Gesetz ist genau diese Verpflichtung nicht vorgesehen.
Jahrzehntelange Forderung von Expert:innen – nun von Politik zurückgenommen
Bereits seit 2014 engagiert sich das ÖHG – gemeinsam mit anderen nationalen Expert:innen - für die frühzeitige Einbindung von Hebammen in die Schwangerenvorsorge. Empfehlungen des Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment (LBI-HTA) und der WHO bilden die Basis der Empfehlung, die über viele Jahre entwickelt wurde und fachlich breit abgesichert ist.
Zwischen Oktober 2014 und Mai 2018 fanden im BMASGK monatlich Sitzungen einer interdisziplinären, multiprofessionellen Facharbeitsgruppe zur Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes statt. Die Facharbeitsgruppe empfahl eine verpflichtende psychosoziale Anamnese (heute Gesundheitsgespräch, zumeist von Ärzt:innen und Hebammen durchzuführen) und Beratung durch Hebammen im ersten Schwangerschaftsdrittel als Beratungsleistung verpflichtend in den MKP aufgenommen werden soll, um häusliche Gewalt, psychisch belastende Lebenssituationen und soziale Belastungen frühzeitig zu erkennen. Diese Facharbeitsgruppe war hochkarätig besetzt, Vertreter:innen aus vielen namhaften Institutionen standen als Expert:innen zur Verfügung: Unter anderen aus BMASGK, Hauptverband, FH Studiengänge, GÖG, BKA Familie, ÖGAM, ÖGGG, ÖGKJ, ÖGPH, Bioethikkommission, ÖGSA.
Das Untersuchungsprogramm wurde ab 2018 von der Steuerungsgruppe MKP-neu erarbeitet, Die Empfehlung der FAG zur stärkeren Berücksichtigung psychosozialer Faktoren wurde von der Steuerungsgruppe aufgenommen und einer verpflichtende Hebammenberatung in der Frühschwangerschaft zugestimmt. Zusätzlich wurden – unter der Voraussetzung, dass die Hebammen die personellen Ressourcen hätten - eine gesplittete Anamnese zwischen Arzt/Ärztin und ein zweites optionales Hebammengespräch beschlossen. auch hier war das ÖHG Teil der Arbeitsgruppe, gemeinsam mit. Mitglieder Steuerungsgruppe waren neben dem ÖHG: ÖÄK, HV, BKA Familie, LBI-HTA, GÖG und BMASGK.
Auch der Frauengesundheitsbericht des BMASGK hebt noch 2022 hervor, dass Armut, Mehrfachbelastungen und psychische Erkrankungen bei Frauen eng miteinander verknüpft sind und besonders vulnerablen Gruppen gezielte Unterstützungsangebote brauchen.
2023 waren Expertinnen des ÖHG im Projektbeirat des e-EKP tätig, gemeinsam mit Vertreter:innen von ÖÄK, BMG, ARGE Patientenanwaltschaft, ÖGGG, Datenschutzbehörde und der Bioethikkommission.
Seit 2023 ist das vorgesehene Untersuchungsprogramm fertig formuliert, um die verpflichtende Hebammenberatung im neuen e-EKP zu verankern. Insgesamt vier Gesundheitsminister:innen gaben ihre Zustimmung zur Neuausrichtung des MKP anhand der Ergebnisse der Steuerungs- und Projektgruppe. Nun soll die wichtige Maßnahme der verpflichtenden Hebammenberatung in der Schwangerschaft gekippt werden!
Warum der verpflichtende Hebammentermin entscheidend ist
Früherkennung psychischer und sozialer Risiken: Hebammen sind speziell ausgebildet, um psychosoziale Belastungen, häusliche Gewalt oder depressive Symptome zu erkennen. Ohne verpflichtenden Termin bleiben diese Risiken bei vielen Frauen unentdeckt.
Schutz der vulnerabelsten Gruppen: Studien und Evaluierungen zeigen, dass Frauen mit niedrigem, sozioökonomischen Status freiwillige Beratungen nicht wahrnehmen – sie werden also nur über verpflichtende Angebote erreicht.
Internationale Evidenz: Länder mit kontinuierlicher Hebammenbetreuung, wie die skandinavischen Staaten, erzielen die besten perinatalen Ergebnisse (WHO Implementation Guidance 2025)
Gesundheitliche Chancengleichheit: Ein verpflichtender Termin ist ein wirksames Mittel gegen gesundheitliche Ungleichheit und unterstützt das Ziel des Aktionsplans Frauengesundheit, allen Frauen in Österreich gleiche Gesundheitschancen zu ermöglichen
Niederschwelliger Zugang: Auch in strukturschwachen Regionen stehen Hebammen im Spital, im niedergelassenen Bereich und mittlerweile vermehrt auch in Primärversorgungszentren zur Verfügung. In der Zusammenarbeit mit den Frühen Hilfen gibt es für gefährdete Familien einen aufsuchenden Dienst.
Weitreichende Auswirkungen für die junge Hebammen-Generation
Im Vertrauen, dass die jahrelangen Vorbereitungen und die sorgfältige Ausarbeitung mit zahlreichen Expert:innen zu dem angekündigten, erhöhten Bedarf an Hebammen führen, hat das ÖHG entsprechende notwendige Vorbereitungen unternommen. So wurde rechtzeitig die Zahl der Studienplätze erhöht, um den künftigen Anforderungen nachkommen zu können. Die Basis dazu war eine Bedarfsprognose, die gemeinsam mit der AK Wien durchgeführt wurde. Nun steht eine junge, top ausgebildete Generation von Absolventinnen zur Verfügung, die mit der Streichung der Maßnahme eine wichtige Arbeitsquelle verliert.
ÖHG fordert Kurskorrektur
Das Österreichische Hebammengremium fordert die zuständige Bundesministerin für Europa, Integration und Familie im Bundeskanzleramt, sowie die Gesundheitsministerin und die Gesundheitsstaatssekretärin mit Nachdruck auf, den verpflichtenden Hebammentermin im e-Eltern-Kind-Pass wieder aufzunehmen.
„Eine Streichung aus Budgetgründen ist kurzsichtig und gesundheitspolitisch verantwortungslos,“ betont Gerlinde Feichtlbauer „Jede nicht erkannte Depression, jede übersehene Gewalterfahrung, jede verpasste Chance auf frühe Unterstützung kostet langfristig mehr – menschlich wie volkswirtschaftlich.“
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Public Health PR
Lisbeth Christely, MSc
Telefon: +4369912391631
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