• 10.11.2025, 09:26:33
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Inklusion beginnt nicht mit neuen Mauern: Behindertenanwältin warnt vor Fehlentwicklung

Behindertenanwältin kritisiert Stärkung der Sonderschule in Oberösterreich

Wien (OTS) - 

Die Anwältin für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen, Mag.a Christine Steger, zeigt sich zutiefst besorgt über die Pläne des Landes Oberösterreich, Sonderschulen neu zu errichten oder zu renovieren. Dieser Schritt widerspricht internationalen Menschenrechtsstandards und markiert einen deutlichen Rückschritt in der österreichischen Bildungspolitik. Während viele Staaten inklusive Strukturen ausbauen, werden in Oberösterreich neue Mauern errichtet und damit alte Denkmuster einzementiert.

Segregation löst keine Probleme

Die Rückkehr zur Sonderschule wird aktuell vielerorts als pragmatische und pädagogisch sinnvolle Option dargestellt. Tatsächlich ist sie eine neue Verpackung für ein längst überholtes Konzept. Trennung wird mit Entlastung, Schutz und besserer Förderung begründet, doch pädagogisch und menschenrechtlich ist sie ein Irrweg. Inklusive Bildung ist kein Luxusprojekt, das nur in „guten Zeiten“ funktioniert, sondern ein völkerrechtlich verankertes Recht jedes Kindes. Separation bedeutet die Sortierung von Kindern und nicht die Weiterentwicklung des Schulsystems.

„Wenn wir Kindern mit Behinderungen eigene Schulen bauen, sagen wir ihnen: Euer Platz ist nicht in der Mitte dieser Gesellschaft. Das ist ein fatales Signal, pädagogisch und menschenrechtlich“, so Steger.

Wenn ein unvollständiges System zur Begründung wird

Schwierigkeiten im Alltag vieler Schulen sind real. Zu wenig Assistenz, fehlende multiprofessionelle Teams, unzureichende Ressourcen und komplizierte Verfahren erschweren die Umsetzung inklusiver Bildung. Doch ein System, das unvollständig umgesetzt wurde, als Beweis für das Scheitern von Inklusion heranzuziehen, ist politisch bequem, aber pädagogisch falsch.

Eine Sonderschule wirkt nur deshalb wie eine schnelle Lösung, weil sie über Jahrzehnte ausgebaut wurde. Die inklusive Schule hingegen wurde an vielen Orten in Teilen begonnen, aber nie konsequent umgesetzt und mit den notwendigen Strukturänderungen fertig gedacht.

„Wenn die Politik ein halbherzig unvollendetes System als gescheitert erklärt, zahlen die Kinder am Ende des Tages die Zeche“, so Steger.

Trennung nimmt Kindern Chancen und der Gesellschaft Zukunft

Sonderschulen entziehen Kindern alltägliche Begegnungen, gemeinsame Schulwege, spontane Freundschaften und selbstverständliche Teilhabe. Sie schaffen Räume, die nicht die Realität widerspiegeln, sondern künstliche Ausschnitte ohne Vielfalt und Sozialkontakt. Kinder mit Behinderungen verlieren Sichtbarkeit und Selbstbestimmung. Kinder ohne Behinderungen verlieren die Erfahrung, dass Unterschiedlichkeit normal ist.

„Eine Schule ohne Vielfalt ist kein normaler Ort“, so Steger. „Sie ist ein künstlicher Raum, der das echte Leben ausblendet. Wer Kindern das Miteinander nimmt, produziert Berührungsängste von morgen.“

Wer Inklusion verhindert, produziert langfristig Berührungsängste, Vorurteile und Ausgrenzung und damit jene Probleme, die Bildung eigentlich lösen sollte.

Inklusion funktioniert dort, wo man sie ernst nimmt

Viele Schulen zeigen bereits, wie gut Inklusion gelingen kann. Dort wird im Team gearbeitet, Unterricht wird flexibel gestaltet, und Unterstützung kommt dorthin, wo sie benötigt wird, nämlich ins Klassenzimmer. Diese Schulen sind kein pädagogischer Zufall, sondern das Ergebnis einer Haltung, die Vielfalt als Realität anerkennt. Wenn Inklusion scheitert, scheitert nicht das Prinzip, sondern der politische Wille, das Prinzip umzusetzen.

Der Neubau von Sonderschulen zementiert alte Strukturen, statt Zukunft zu gestalten. Die hohe Professionalität und die Expertise aus den Sonderschulen müssen endlich in die Regelschulen einfließen, nur so kann das Recht auf inklusive Bildung eingelöst werden.

„Wer Inklusion ernst meint, darf Expertise nicht auslagern. Das Wissen und die Professionalität der Sonderschulen gehören in die Regelschulen – alles andere ist ein bildungspolitischer Rückschritt“, so Steger.

Klare Forderung an die Politik

Die Anwältin für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen fordert den Bundesminister für Bildung und die Entscheidungsträger in Oberösterreich unmissverständlich auf, den Bau neuer Sonderschulen zu stoppen. Stattdessen sollen jene Mittel, die für neue getrennte Einrichtungen vorgesehen sind, in inklusive Strukturen investiert werden. Diese Mittel sollen in Assistenz, multiprofessionelle Teams, barrierefreie Gebäude, zeitgemäße pädagogische Ausbildung und verbindliche rechtliche Rahmenbedingungen, die Inklusion nicht zur Ausnahme, sondern zur Selbstverständlichkeit machen, fließen.

„Österreich hat sich verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem zu schaffen“ , so Steger. „Diese Verpflichtung darf nicht politischer Stimmungslage oder kurzfristiger Erleichterung geopfert werden. Zukunft baut man nicht mit neuen Mauern, sondern mit dem Mut, inklusive Schulen endlich zu vollenden. Kinderrechte gelten nicht irgendwann. Kinderrechte gelten heute, immer und überall“

Rückfragen & Kontakt

Anwältin für Gleichbehandlungsfragen für Menschen mit Behinderungen
Mag.a Christine Steger
Telefon: 06648482345
E-Mail: office@behindertenanwaltschaft.gv.at

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