• 06.11.2025, 08:56:33
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Fahrplan für eine moderne Prostatakarzinom-Versorgung

v.l.n.r.: Univ.-Prof. DDr. Shahrokh Shariat (Medizinische
Universität Wien), Dr.in Nike Morakis (Berufsverband der
Österreichischen Urologen), Dr.in Karin Eglau (Gesundheit Österreich
GmbH), Priv.-Doz. Dr. Anton Ponholzer (Österreichische Gesellschaft
für Urologie), Peter Lehner (Sozialversicherung der Selbständigen),
Mag. Martina Löwe (Österreichische Krebshilfe), Dr. Arno Melitopulos
(Österreichische Gesundheitskasse), Priv.-Doz.in Dr.in Kathrin
Strasser-Weippl (OeGHO), Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll (OeGHO)
Wien (OTS) - 

Das Österreichische Onkologie Forum hat aufgezeigt, dass ein strukturiertes Prostata-Screening nicht nur medizinisch besser und fairer, sondern auch kostengünstiger wäre und Ressourcen dorthin lenken würde, wo sie wirken. Dafür braucht es klare Pfade und gesundheitspolitische Entscheidungen.

Das Österreichische Onkologie Forum beleuchtet Herausforderungen und erarbeitet Verbesserungsvorschläge für die onkologische Versorgungslage in Österreich. Das Format wird von der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO) als Thinktank in interdisziplinärer Form organisiert. Aktuell stand das Prostatakarzinom im Zentrum. Priv.-Doz.in Dr.in Kathrin Strasser-Weippl, Medizinische Leiterin der OeGHO, zeigt eine Reihe positiver Entwicklungen in dieser Indikation auf: „Es gibt kaum Wartezeiten auf Therapien. Die Zusammenarbeit zwischen Spital und Niederlassung funktioniert ebenso gut wie die Nachsorge und die stationäre Rehabilitation. Auch der Ausbau der Palliativbetten ist auf einem erfreulichen Weg.“ Dennoch ist die Botschaft der Expertinnen und Experten klar: Österreich braucht den Sprung von der zufälligen Prostatakarzinom-Vorsorge hin zu einem strukturierten, gegebenenfalls einladungsbasierten Screening. „Ein klarer diagnostischer Pfad, die flächendeckende Qualitätssicherung und eine verlässliche Datengrundlage sind zentrale Voraussetzungen dafür“, bringt es Strasser-Weippl auf den Punkt.

Ungezieltes Screening erreicht nicht die richtigen Patienten

Vertreterinnen und Vertreter medizinischer Fachgesellschaften, der Österreichischen Krebshilfe, der Sozialversicherungen und der Gesundheit Österreich (GÖG) skizzierten konkrete Schritte für versorgungsrelevante Verbesserungen. „Aktuell werden viele PSA-Tests durchgeführt, aber häufig bei der falschen Zielgruppe, wie z.B. bei Männern über 80 Jahren, während jene, die am meisten profitieren würden, wie z.B. Männer im Alter zwischen 45 und 70 Jahren, zu selten erreicht werden“, beschreibt Univ.-Prof. Dr. Shahrokh Shariat, Leiter der Universitätsklinik für Urologie am AKH Wien und des Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien sowie Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie, die Herausforderungen.

Rund 40 Prozent aller über 80-Jährigen erhalten einen PSA-Test, das ist nicht die Kernzielgruppe. Diese Schieflage führt zu teuren Überdiagnosen und Fehlsteuerungen anstelle zielgerichteter Prävention. Shariat fordert daher ein organisiertes, idealerweise einladungsbasiertes Programm mit klaren Alters- und Intervallkriterien, das auch ökonomische Vorteile hätte.

Die Vertreterinnen und Vertreter der urologischen und onkologischen Fachgesellschaften plädieren für einen akkordierten Vorschlag an die Sozialversicherung, eingebettet in den EU-Rahmen: ein klar strukturiertes Früherkennungsverfahren nach dem Vorbild des Mammografie-Screenings. Ein von Fachgesellschaften ausgearbeiteter Früherkennungspfad soll im ersten Quartal 2026 präsentiert werden. Die Vertreterinnen und Vertreter der Sozialversicherungen signalisieren Kooperationsbereitschaft, betonen aber auch die Verantwortung im Umgang mit Beitragsgeldern: „Neue Leistungen brauchen eine klare Indikation, Priorisierung und Integration in bestehende Strukturen“, sagt Dr. Arno Melitopulos, Leiter der Abteilung Versorgungsmanagement in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK).

Diagnostik erfährt Modernisierungsschub

Die Diagnostik inkludiert heute eine MRT-gestützte Abklärung. „Damit können Biopsien vermieden und relevante Tumoren besser gefunden werden“, schließen sich auch der Urologe Prim. Priv.-Doz. Dr. Anton Ponholzer und die Urologin Dr.in Nike Morakis an. Während früher ultraschallgeführte Biopsien von niedergelassenen Fachärztinnen und -ärzten durchgeführt wurden, sind Fusionsbiopsien nun aufwendiger, und die Refundierung bildet das nicht ab. „Es kommt zu einer unnötigen Verlagerung ins Spital und damit zu langen Wartezeiten und Ressourcenengpässen an den urologischen Ambulanzen, sagt Strasser-Weippl. Extramural durchgeführte Fusionsbiopsien müssen daher kostendeckend vergütet werden, um den diagnostischen Pfad zu entlasten. Auch hier fordern die Expertinnen und Experten eine vorausschauende Kapazitätsplanung ein, denn Geräte, Räume und Personal werden angesichts der Bevölkerungsentwicklung immer knapper.

Unzureichende nuklearmedizinische Infrastruktur

Die Nuklearmedizin ist ein wesentlicher Bestandteil der integrierten Versorgung von Patienten mit Prostatakrebs, es mangelt jedoch an Kapazitäten in diesem Bereich in Österreich. PSMA-PET-Scans sind unerlässlich, um bei Hochrisikopatienten Metastasen abzuklären. Behandler:innen beklagen jedoch zu lange Wartezeiten für diese Art der Bildgebung. Was nuklearmedizinische Therapien betrifft, ist die Radioligandentherapie, die laut neuesten Studien ein weltweiter Behandlungsstandard ist, in vielen Regionen Österreichs aufgrund mangelnder struktureller und personeller Ressourcen nur beschränkt zugänglich.

Kommunikation entscheidend

Rund 7.500 Männer in Österreich werden jährlich mit der Erkrankung diagnostiziert. Nicht jeder, der diese Diagnose erhält, braucht auch eine Therapie – relevant ist, die Richtigen rechtzeitig zu erkennen und entsprechend zu behandeln. Gezielte Früherkennung scheint aber auch ein Kommunikationsproblem zu sein: „Männer überhaupt zu einem Arztbesuch zu bringen, ist schon eine Herausforderung, dann auch noch eine bestimmte Zielgruppe ist noch einmal eine Hürde“, beschreibt Mag.a Martina Löwe, Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe, eine ganz praktische Herausforderung. Sie wünscht sich dazu eine abgestimmte Kommunikation: „Nur wenn wir alle die gleiche Sprache sprechen und ein Ziel verfolgen, sind wir erfolgreich.“

Die Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) setzte für ihre Versicherten bereits Anreize zur Teilnahme an Programmen zur Krebsvorsorge. „Der Prostata-Check wird Männern ab 45 Jahren und für Risikogruppen ab 40 empfohlen und auch mit 100 Euro als Anreiz unterstützt“, sagt Peter Lehner, Obmann der SVS. Doch auch er ortet Schwierigkeiten, die passende Zielgruppe anzusprechen und zu motivieren: „Die Inanspruchnahme liegt mit rund fünf Prozent deutlich unter dem Darmkrebsvorsorgeangebot mit rund 20 Prozent.“

Lücken rasch schließen

Österreich verfügt über ein nationales Screening-Komitee für Krebserkrankungen (NSK), ein wissenschaftliches Beratungsgremium des Gesundheitsministeriums für bevölkerungsbezogene Krebs-Früherkennung. Es entwickelt evidenzbasierte Empfehlungen und unterstützt die Implementierung, Qualitätssicherung und Evaluation organisierter Screening-Programme. Obwohl das Prostatakarzinom zu den häufigste Krebserkrankungen zählt, steht es noch nicht auf der Arbeitsliste des NSK. Für Prim. Univ.-Prof. Dr. Ewald Wöll, Präsident der OeGHO, ist das aber kein Grund, untätig zu bleiben: „Fachgruppen können interdisziplinär dennoch einen Vorschlag ausarbeiten, der ausreichend Gewicht im Gesundheitssystem hat und zu den Hausärztinnen und Hausärzten gebracht werden kann, die damit ihre Patientinnen und Patienten strukturiert der Vorsorge zuführen können.“

Ein blinder Fleck ist – wie häufig im Gesundheitswesen – auch beim Prostatakarzinom die Datenlage. Verbesserung bringt die verpflichtende ambulante Kodierung, die ab 2026 in die Regelversorgung kommen wird. Bis dahin sind die vorliegenden Zahlen mit großer Unsicherheit behaftet. Die Register- und Outcome-Transparenz ist jedoch Voraussetzung für die Steuerung, die Planung und die Qualitätssicherung im System.

https://www.oesterreichisches-onkologie-forum.at

Rückfragen & Kontakt

Österreichische Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie
Walter Voitl-Bliem, MBA
Telefon: +43 664 4053646
E-Mail: walter.voitl-bliem@oegho.at
Website: https://www.oegho.at

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